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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 92. Gefolgschaft und Vassallität.
weg heisst endlich die Handlung, durch die man in das mundiburdium
oder in das vassaticum eintritt.

Nach alledem ist von der vassallitischen Kommendation zwar
der Ausdruck commendare römisch, dagegen nicht die Form der
Handreichung. Allerdings findet sich diese in weiterer Anwendung
u. a. bei Eingehung von Schutzverhältnissen. Allein ein solches war
auch die Gefolgschaft. Der Gefolgsmann stand unter dem Schutze
des Gefolgsherrn. Und der Eintritt in die Gefolgschaft war mit einem
Akte der Unterwerfung unter den Willen des Herrn verbunden87).
Wenn es sich auch nicht nachweisen lässt, ist es doch wahrscheinlich,
dass unter ihren Formen von je auch irgend ein Akt der Hand-
reichung eine Rolle spielte88).

Auf die Handreichung folgte bei Begründung der Vassallität das
eidliche Treuversprechen89) des Vassallen, ein Akt, den die Vassallität
bekanntlich mit der germanischen Gefolgschaft gemein hat.

Bei Abschluss des Vassallitätsvertrages kommen andererseits die
Verpflichtungen, die der Herr übernimmt, zu rechtsförmlichem Aus-
druck, die Aufnahme in den Schutz, indem er die Handreichung ent-
gegennimmt90), die Gewährung des Unterhalts und der Ausrüstung,
indem er dem Vassallen eine Gabe reicht, z. B. Ross und Waffen,
oder wohl auch eine Wadia, ein Verpflichtungssymbol. Seit und so-
weit der Unterhalt im Hause des Herrn durch Einräumung eines

angabe: de eis ingenuis hominibus, qui in obsequio se commendant. H. Brunner,
Mithio und Sperantes S. 14, Anm. 4. -- Einen liber homo commendatus erwähnt
Lex Baiuw. IV 28.
87) Anhang X bei Schmid, Ges. der Ags.: tha ic to him gebeah (von gebu-
gan, sich beugen) and his willan geceas.
88) Die Handreichung des westnordischen handgenginn ist nicht entscheidend,
da sie vermutlich aus dem Süden recipiert wurde.
89) Cap. Theod. v. J. 805, c. 9, I 124: ut nulli alteri per sacramentum fidelitas
promittatur nisi nobis et unicuique proprio seniori ad nostram utilitatem et sui
senioris. Vgl. die angelsächsische Eidesformel oben I 139, Anm. 22, aus welcher
erhellt, dass dem Eide der Gefolgschaftsvertrag vorausging. Der Treueid, den nach
Prokop, b. Vand. 2, 18, die amici (doruphoroi) ihrem Herrn schwören, geht wohl
auf Einflüsse des germanischen Gefolgswesens zurück. Über jenen Eid, der zu-
gleich dem Kaiser geschworen werden musste, siehe Mommsen, Militärwesen seit
Diocletian, Hermes XXIV 236. 238.
90) Vgl. Bracton II 35, § 8: debet tenens manus suas utrasque ponere inter
manus utrasque domini sui, per quod significatur ex parte domini protectio, de-
fensio et warrantia, et ex parte tenentis reverentia et subjectio. Cap. Francica,
c. 8, I 215: si senior vassalli sui defensionem facere potest, postquam ipse ma-
nus suas in eius commendaverit, et non fecerit, liceat vassallum eum dimittere ..
Die Pflicht der defensio wird aus der Entgegennahme der Handreichung abgeleitet.

§ 92. Gefolgschaft und Vassallität.
weg heiſst endlich die Handlung, durch die man in das mundiburdium
oder in das vassaticum eintritt.

Nach alledem ist von der vassallitischen Kommendation zwar
der Ausdruck commendare römisch, dagegen nicht die Form der
Handreichung. Allerdings findet sich diese in weiterer Anwendung
u. a. bei Eingehung von Schutzverhältnissen. Allein ein solches war
auch die Gefolgschaft. Der Gefolgsmann stand unter dem Schutze
des Gefolgsherrn. Und der Eintritt in die Gefolgschaft war mit einem
Akte der Unterwerfung unter den Willen des Herrn verbunden87).
Wenn es sich auch nicht nachweisen läſst, ist es doch wahrscheinlich,
daſs unter ihren Formen von je auch irgend ein Akt der Hand-
reichung eine Rolle spielte88).

Auf die Handreichung folgte bei Begründung der Vassallität das
eidliche Treuversprechen89) des Vassallen, ein Akt, den die Vassallität
bekanntlich mit der germanischen Gefolgschaft gemein hat.

Bei Abschluſs des Vassallitätsvertrages kommen andererseits die
Verpflichtungen, die der Herr übernimmt, zu rechtsförmlichem Aus-
druck, die Aufnahme in den Schutz, indem er die Handreichung ent-
gegennimmt90), die Gewährung des Unterhalts und der Ausrüstung,
indem er dem Vassallen eine Gabe reicht, z. B. Roſs und Waffen,
oder wohl auch eine Wadia, ein Verpflichtungssymbol. Seit und so-
weit der Unterhalt im Hause des Herrn durch Einräumung eines

angabe: de eis ingenuis hominibus, qui in obsequio se commendant. H. Brunner,
Mithio und Sperantes S. 14, Anm. 4. — Einen liber homo commendatus erwähnt
Lex Baiuw. IV 28.
87) Anhang X bei Schmid, Ges. der Ags.: þâ ic tô him gebeâh (von gebú-
gan, sich beugen) and his willan geceâs.
88) Die Handreichung des westnordischen handgenginn ist nicht entscheidend,
da sie vermutlich aus dem Süden recipiert wurde.
89) Cap. Theod. v. J. 805, c. 9, I 124: ut nulli alteri per sacramentum fidelitas
promittatur nisi nobis et unicuique proprio seniori ad nostram utilitatem et sui
senioris. Vgl. die angelsächsische Eidesformel oben I 139, Anm. 22, aus welcher
erhellt, daſs dem Eide der Gefolgschaftsvertrag vorausging. Der Treueid, den nach
Prokop, b. Vand. 2, 18, die amici (δοϱυφόϱοι) ihrem Herrn schwören, geht wohl
auf Einflüsse des germanischen Gefolgswesens zurück. Über jenen Eid, der zu-
gleich dem Kaiser geschworen werden muſste, siehe Mommsen, Militärwesen seit
Diocletian, Hermes XXIV 236. 238.
90) Vgl. Bracton II 35, § 8: debet tenens manus suas utrasque ponere inter
manus utrasque domini sui, per quod significatur ex parte domini protectio, de-
fensio et warrantia, et ex parte tenentis reverentia et subjectio. Cap. Francica,
c. 8, I 215: si senior vassalli sui defensionem facere potest, postquam ipse ma-
nus suas in eius commendaverit, et non fecerit, liceat vassallum eum dimittere ..
Die Pflicht der defensio wird aus der Entgegennahme der Handreichung abgeleitet.
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[272/0290] § 92. Gefolgschaft und Vassallität. weg heiſst endlich die Handlung, durch die man in das mundiburdium oder in das vassaticum eintritt. Nach alledem ist von der vassallitischen Kommendation zwar der Ausdruck commendare römisch, dagegen nicht die Form der Handreichung. Allerdings findet sich diese in weiterer Anwendung u. a. bei Eingehung von Schutzverhältnissen. Allein ein solches war auch die Gefolgschaft. Der Gefolgsmann stand unter dem Schutze des Gefolgsherrn. Und der Eintritt in die Gefolgschaft war mit einem Akte der Unterwerfung unter den Willen des Herrn verbunden 87). Wenn es sich auch nicht nachweisen läſst, ist es doch wahrscheinlich, daſs unter ihren Formen von je auch irgend ein Akt der Hand- reichung eine Rolle spielte 88). Auf die Handreichung folgte bei Begründung der Vassallität das eidliche Treuversprechen 89) des Vassallen, ein Akt, den die Vassallität bekanntlich mit der germanischen Gefolgschaft gemein hat. Bei Abschluſs des Vassallitätsvertrages kommen andererseits die Verpflichtungen, die der Herr übernimmt, zu rechtsförmlichem Aus- druck, die Aufnahme in den Schutz, indem er die Handreichung ent- gegennimmt 90), die Gewährung des Unterhalts und der Ausrüstung, indem er dem Vassallen eine Gabe reicht, z. B. Roſs und Waffen, oder wohl auch eine Wadia, ein Verpflichtungssymbol. Seit und so- weit der Unterhalt im Hause des Herrn durch Einräumung eines 86) 87) Anhang X bei Schmid, Ges. der Ags.: þâ ic tô him gebeâh (von gebú- gan, sich beugen) and his willan geceâs. 88) Die Handreichung des westnordischen handgenginn ist nicht entscheidend, da sie vermutlich aus dem Süden recipiert wurde. 89) Cap. Theod. v. J. 805, c. 9, I 124: ut nulli alteri per sacramentum fidelitas promittatur nisi nobis et unicuique proprio seniori ad nostram utilitatem et sui senioris. Vgl. die angelsächsische Eidesformel oben I 139, Anm. 22, aus welcher erhellt, daſs dem Eide der Gefolgschaftsvertrag vorausging. Der Treueid, den nach Prokop, b. Vand. 2, 18, die amici (δοϱυφόϱοι) ihrem Herrn schwören, geht wohl auf Einflüsse des germanischen Gefolgswesens zurück. Über jenen Eid, der zu- gleich dem Kaiser geschworen werden muſste, siehe Mommsen, Militärwesen seit Diocletian, Hermes XXIV 236. 238. 90) Vgl. Bracton II 35, § 8: debet tenens manus suas utrasque ponere inter manus utrasque domini sui, per quod significatur ex parte domini protectio, de- fensio et warrantia, et ex parte tenentis reverentia et subjectio. Cap. Francica, c. 8, I 215: si senior vassalli sui defensionem facere potest, postquam ipse ma- nus suas in eius commendaverit, et non fecerit, liceat vassallum eum dimittere .. Die Pflicht der defensio wird aus der Entgegennahme der Handreichung abgeleitet. 86) angabe: de eis ingenuis hominibus, qui in obsequio se commendant. H. Brunner, Mithio und Sperantes S. 14, Anm. 4. — Einen liber homo commendatus erwähnt Lex Baiuw. IV 28.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/290>, abgerufen am 22.11.2024.