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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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sehen im Stiche die Inschrift weggelassen ist; [Lippert III,
n. 291], Raspe 11543; Cades V, 442; Murr p. 91; C. I. 7227.
Das Urtheil Köhler's (S. 160) über diesen Stein lautet sehr
absprechend: "Das Bildniss ist ohne Aehnlichkeit und völlig
ohne Geschmack gearbeitet, und eben so wie die Inschrift
von neuer Abkunft. Auch hier muss man sich wundern, dass
Millin (Introd. p. 67) den Steinschneider Nikandros und sein
elendes Werk in sein Verzeichniss aufgenommen hat." Die
Unechtheit halte ich jedoch hierdurch keineswegs für bewie-
sen, da die Zuversicht des ausgesprochenen Tadels bei Köh-
ler häufig in dem umgekehrten Verhältnisse zu der Zuver-
lässigkeit seiner Gründe steht. So erweckt es z. B. hier kein
günstiges Vorurtheil für seine Gründlichkeit, wenn er sagt,
dass Bracci des Nikander "nicht in der Beschreibung, son-
dern blos in der Ueberschrift der Platte gedacht habe", wäh-
rend in der Beschreibung ausschliesslich von dem Künstler
gehandelt und hinsichtlich der Darstellung auf das bei Gele-
genheit des Euodos Gesagte verwiesen wird. Wenn aber in
der Regel bei Fälschungen sich ein bestimmtes Motiv für die
Wahl der Namen nachweisen lässt, so ist dies erstens hin-
sichtlich des Nikander nicht der Fall. Sodann will ich aller-
dings den Werth der Arbeit an sich nicht hoch anschlagen;
sie hat etwas Derbes und Flüchtiges, aber eben darum macht
sie den Eindruck der Echtheit, und namentlich weicht sie von
der Masse der im vorigen Jahrhundert gefälschten Gemmen
mit Künstlernamen weit ab. Dasselbe gilt von der Inschrift:
sie ist mit einer gewissen Eilfertigkeit geschnitten: [fremdsprachliches Material - fehlt] aus
drei flüchtigen Strichen ersetzt die mühsamere runde Form,
für O und den Kopf des P genügt ein runder Punkt. Alles
dies ist gewiss nicht Fälschermanier; und die vollkommene
Harmonie zwischen der Arbeit des Kopfes und dem Schnitt
der Buchstaben gewährt daher die beste Garantie der Echt-
heit des Ganzen.

Onesas.

Schon Agostini (Gemme ant. fig. II, 7) und nach ihm Maffei
(Gemm. II, 50) publicirte eine antike Glaspaste, welche aus
Andreini's Besitz später in die florentiner Gallerie gekommen
ist. Dargestellt ist eine weibliche Figur, welche an einen
Pfeiler gelehnt ihre Leier stimmt: eine Muse nenne ich sie
deshalb nicht, weil die rechte Schulter und Brust vom Kleide

sehen im Stiche die Inschrift weggelassen ist; [Lippert III,
n. 291], Raspe 11543; Cades V, 442; Murr p. 91; C. I. 7227.
Das Urtheil Köhler’s (S. 160) über diesen Stein lautet sehr
absprechend: „Das Bildniss ist ohne Aehnlichkeit und völlig
ohne Geschmack gearbeitet, und eben so wie die Inschrift
von neuer Abkunft. Auch hier muss man sich wundern, dass
Millin (Introd. p. 67) den Steinschneider Nikandros und sein
elendes Werk in sein Verzeichniss aufgenommen hat.‟ Die
Unechtheit halte ich jedoch hierdurch keineswegs für bewie-
sen, da die Zuversicht des ausgesprochenen Tadels bei Köh-
ler häufig in dem umgekehrten Verhältnisse zu der Zuver-
lässigkeit seiner Gründe steht. So erweckt es z. B. hier kein
günstiges Vorurtheil für seine Gründlichkeit, wenn er sagt,
dass Bracci des Nikander „nicht in der Beschreibung, son-
dern blos in der Ueberschrift der Platte gedacht habe‟, wäh-
rend in der Beschreibung ausschliesslich von dem Künstler
gehandelt und hinsichtlich der Darstellung auf das bei Gele-
genheit des Euodos Gesagte verwiesen wird. Wenn aber in
der Regel bei Fälschungen sich ein bestimmtes Motiv für die
Wahl der Namen nachweisen lässt, so ist dies erstens hin-
sichtlich des Nikander nicht der Fall. Sodann will ich aller-
dings den Werth der Arbeit an sich nicht hoch anschlagen;
sie hat etwas Derbes und Flüchtiges, aber eben darum macht
sie den Eindruck der Echtheit, und namentlich weicht sie von
der Masse der im vorigen Jahrhundert gefälschten Gemmen
mit Künstlernamen weit ab. Dasselbe gilt von der Inschrift:
sie ist mit einer gewissen Eilfertigkeit geschnitten: [fremdsprachliches Material – fehlt] aus
drei flüchtigen Strichen ersetzt die mühsamere runde Form,
für O und den Kopf des P genügt ein runder Punkt. Alles
dies ist gewiss nicht Fälschermanier; und die vollkommene
Harmonie zwischen der Arbeit des Kopfes und dem Schnitt
der Buchstaben gewährt daher die beste Garantie der Echt-
heit des Ganzen.

Onesas.

Schon Agostini (Gemme ant. fig. II, 7) und nach ihm Maffei
(Gemm. II, 50) publicirte eine antike Glaspaste, welche aus
Andreini’s Besitz später in die florentiner Gallerie gekommen
ist. Dargestellt ist eine weibliche Figur, welche an einen
Pfeiler gelehnt ihre Leier stimmt: eine Muse nenne ich sie
deshalb nicht, weil die rechte Schulter und Brust vom Kleide

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[519/0536] sehen im Stiche die Inschrift weggelassen ist; [Lippert III, n. 291], Raspe 11543; Cades V, 442; Murr p. 91; C. I. 7227. Das Urtheil Köhler’s (S. 160) über diesen Stein lautet sehr absprechend: „Das Bildniss ist ohne Aehnlichkeit und völlig ohne Geschmack gearbeitet, und eben so wie die Inschrift von neuer Abkunft. Auch hier muss man sich wundern, dass Millin (Introd. p. 67) den Steinschneider Nikandros und sein elendes Werk in sein Verzeichniss aufgenommen hat.‟ Die Unechtheit halte ich jedoch hierdurch keineswegs für bewie- sen, da die Zuversicht des ausgesprochenen Tadels bei Köh- ler häufig in dem umgekehrten Verhältnisse zu der Zuver- lässigkeit seiner Gründe steht. So erweckt es z. B. hier kein günstiges Vorurtheil für seine Gründlichkeit, wenn er sagt, dass Bracci des Nikander „nicht in der Beschreibung, son- dern blos in der Ueberschrift der Platte gedacht habe‟, wäh- rend in der Beschreibung ausschliesslich von dem Künstler gehandelt und hinsichtlich der Darstellung auf das bei Gele- genheit des Euodos Gesagte verwiesen wird. Wenn aber in der Regel bei Fälschungen sich ein bestimmtes Motiv für die Wahl der Namen nachweisen lässt, so ist dies erstens hin- sichtlich des Nikander nicht der Fall. Sodann will ich aller- dings den Werth der Arbeit an sich nicht hoch anschlagen; sie hat etwas Derbes und Flüchtiges, aber eben darum macht sie den Eindruck der Echtheit, und namentlich weicht sie von der Masse der im vorigen Jahrhundert gefälschten Gemmen mit Künstlernamen weit ab. Dasselbe gilt von der Inschrift: sie ist mit einer gewissen Eilfertigkeit geschnitten: _ aus drei flüchtigen Strichen ersetzt die mühsamere runde Form, für O und den Kopf des P genügt ein runder Punkt. Alles dies ist gewiss nicht Fälschermanier; und die vollkommene Harmonie zwischen der Arbeit des Kopfes und dem Schnitt der Buchstaben gewährt daher die beste Garantie der Echt- heit des Ganzen. Onesas. Schon Agostini (Gemme ant. fig. II, 7) und nach ihm Maffei (Gemm. II, 50) publicirte eine antike Glaspaste, welche aus Andreini’s Besitz später in die florentiner Gallerie gekommen ist. Dargestellt ist eine weibliche Figur, welche an einen Pfeiler gelehnt ihre Leier stimmt: eine Muse nenne ich sie deshalb nicht, weil die rechte Schulter und Brust vom Kleide

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/536>, abgerufen am 16.06.2024.