Male davongetragen hatten, aber doch nur mit einer einzigen Statue geehrt wurden. Dass diese meist nach dem letzten, nicht nach dem ersten Siege aufgestellt worden sind, lehren die Inschriften, in denen der früheren Siege Erwähnung ge- schieht. Wenn aber die Weihung nicht unmittelbar nach dem ersten und zweiten Siege folgte, wer bürgt dann dafür, dass es sogleich nach dem dritten oder vierten geschah? Mir scheint es daher, wenn nicht völlig ausgemacht, doch sehr wahrscheinlich, dass die Sieger erst dann, wenn sie wegen vorgerückten Alters oder aus andern Gründen von der Preis- bewerbung überhaupt abstanden, an die Errichtung einer Sta- tue dachten. Dabei ist ferner zu bedenken, dass es kein Ge- setz gab, welches dieselbe gebot. Oft mochte ferner ein Sie- ger nicht sogleich die Mittel haben, den Aufwand einer Statue zu bestreiten. Häufig thaten es Freunde, Verwandte, die Va- terstadt1); ebenso konnte aber auch der Sieger selbst, wenn er etwa später sich Reichthum erwarb, erst dann sein Ehren- recht in Anspruch nehmen. Endlich dürfen wir nicht verges- sen, dass die ersten Statuen nach Pausanias2) sich auf Siege der 59sten und 61sten Ol. beziehen. Dürfen wir daraus schlies- sen, dass fünf, sechs Olympiaden später die Sitte schon so allgemein war, dass jeder sogleich nach dem Siege an eine Statue dachte? Eine Statue errichten dürfen heisst nicht, sogleich eine solche wirklich errichten. Unter den zehn Sie- gern im Stadium von Ol. 60 - 69 erwähnt Pausanias nur den einzigen Anochos als mit einer Statue bedacht, und ich finde überhaupt nur zehn Werke, die sich auf die sämmtlichen Siege dieser zehn Olympiaden beziehen3). Anochos hatte aber noch dazu, ausser im einfachen, auch im Doppelaufe gesiegt, und es ist daher um so weniger Anstoss daran zu nehmen, wenn seine Statue später errichtet ward, da dieser zweite Sieg in einer schwereren Kampfart später davongetragen sein konnte. Will man aber behaupten, mindestens müsse Ageladas die Sta- tue des Timasitheos von Delphi vor Ol. 68, 2 gearbeitet haben, weil dieser damals von den Athenern hingerichtet wurde, so
1) Vgl. Krause Ol. S. 174 flg.
2) Paus. VI, 18, 5.
3) Nemlich die Siege des Rhexibios Ol. 61. Milon Ol. 62 und flgdd. Miltiades vor Ol. 63. Anochos Ol. 65. Evagoras vor Ol. 66. Demaratos Ol. 65 und 66. Kleosthenes Ol. 66. Pheidolas vor, und seine Söhne Ol. 68. Timasitheos vor Ol. 68, 2.
Male davongetragen hatten, aber doch nur mit einer einzigen Statue geehrt wurden. Dass diese meist nach dem letzten, nicht nach dem ersten Siege aufgestellt worden sind, lehren die Inschriften, in denen der früheren Siege Erwähnung ge- schieht. Wenn aber die Weihung nicht unmittelbar nach dem ersten und zweiten Siege folgte, wer bürgt dann dafür, dass es sogleich nach dem dritten oder vierten geschah? Mir scheint es daher, wenn nicht völlig ausgemacht, doch sehr wahrscheinlich, dass die Sieger erst dann, wenn sie wegen vorgerückten Alters oder aus andern Gründen von der Preis- bewerbung überhaupt abstanden, an die Errichtung einer Sta- tue dachten. Dabei ist ferner zu bedenken, dass es kein Ge- setz gab, welches dieselbe gebot. Oft mochte ferner ein Sie- ger nicht sogleich die Mittel haben, den Aufwand einer Statue zu bestreiten. Häufig thaten es Freunde, Verwandte, die Va- terstadt1); ebenso konnte aber auch der Sieger selbst, wenn er etwa später sich Reichthum erwarb, erst dann sein Ehren- recht in Anspruch nehmen. Endlich dürfen wir nicht verges- sen, dass die ersten Statuen nach Pausanias2) sich auf Siege der 59sten und 61sten Ol. beziehen. Dürfen wir daraus schlies- sen, dass fünf, sechs Olympiaden später die Sitte schon so allgemein war, dass jeder sogleich nach dem Siege an eine Statue dachte? Eine Statue errichten dürfen heisst nicht, sogleich eine solche wirklich errichten. Unter den zehn Sie- gern im Stadium von Ol. 60 – 69 erwähnt Pausanias nur den einzigen Anochos als mit einer Statue bedacht, und ich finde überhaupt nur zehn Werke, die sich auf die sämmtlichen Siege dieser zehn Olympiaden beziehen3). Anochos hatte aber noch dazu, ausser im einfachen, auch im Doppelaufe gesiegt, und es ist daher um so weniger Anstoss daran zu nehmen, wenn seine Statue später errichtet ward, da dieser zweite Sieg in einer schwereren Kampfart später davongetragen sein konnte. Will man aber behaupten, mindestens müsse Ageladas die Sta- tue des Timasitheos von Delphi vor Ol. 68, 2 gearbeitet haben, weil dieser damals von den Athenern hingerichtet wurde, so
1) Vgl. Krause Ol. S. 174 flg.
2) Paus. VI, 18, 5.
3) Nemlich die Siege des Rhexibios Ol. 61. Milon Ol. 62 und flgdd. Miltiades vor Ol. 63. Anochos Ol. 65. Evagoras vor Ol. 66. Demaratos Ol. 65 und 66. Kleosthenes Ol. 66. Pheidolas vor, und seine Söhne Ol. 68. Timasitheos vor Ol. 68, 2.
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Male davongetragen hatten, aber doch nur mit einer einzigen
Statue geehrt wurden. Dass diese meist nach dem letzten,
nicht nach dem ersten Siege aufgestellt worden sind, lehren
die Inschriften, in denen der früheren Siege Erwähnung ge-
schieht. Wenn aber die Weihung nicht unmittelbar nach dem
ersten und zweiten Siege folgte, wer bürgt dann dafür, dass
es sogleich nach dem dritten oder vierten geschah? Mir
scheint es daher, wenn nicht völlig ausgemacht, doch sehr
wahrscheinlich, dass die Sieger erst dann, wenn sie wegen
vorgerückten Alters oder aus andern Gründen von der Preis-
bewerbung überhaupt abstanden, an die Errichtung einer Sta-
tue dachten. Dabei ist ferner zu bedenken, dass es kein Ge-
setz gab, welches dieselbe gebot. Oft mochte ferner ein Sie-
ger nicht sogleich die Mittel haben, den Aufwand einer Statue
zu bestreiten. Häufig thaten es Freunde, Verwandte, die Va-
terstadt 1); ebenso konnte aber auch der Sieger selbst, wenn
er etwa später sich Reichthum erwarb, erst dann sein Ehren-
recht in Anspruch nehmen. Endlich dürfen wir nicht verges-
sen, dass die ersten Statuen nach Pausanias 2) sich auf Siege
der 59sten und 61sten Ol. beziehen. Dürfen wir daraus schlies-
sen, dass fünf, sechs Olympiaden später die Sitte schon so
allgemein war, dass jeder sogleich nach dem Siege an eine
Statue dachte? Eine Statue errichten dürfen heisst nicht,
sogleich eine solche wirklich errichten. Unter den zehn Sie-
gern im Stadium von Ol. 60 – 69 erwähnt Pausanias nur den
einzigen Anochos als mit einer Statue bedacht, und ich finde
überhaupt nur zehn Werke, die sich auf die sämmtlichen Siege
dieser zehn Olympiaden beziehen 3). Anochos hatte aber noch
dazu, ausser im einfachen, auch im Doppelaufe gesiegt, und
es ist daher um so weniger Anstoss daran zu nehmen, wenn
seine Statue später errichtet ward, da dieser zweite Sieg in
einer schwereren Kampfart später davongetragen sein konnte.
Will man aber behaupten, mindestens müsse Ageladas die Sta-
tue des Timasitheos von Delphi vor Ol. 68, 2 gearbeitet haben,
weil dieser damals von den Athenern hingerichtet wurde, so
1) Vgl. Krause Ol. S. 174 flg.
2) Paus. VI, 18, 5.
3) Nemlich die
Siege des Rhexibios Ol. 61. Milon Ol. 62 und flgdd. Miltiades vor Ol. 63.
Anochos Ol. 65. Evagoras vor Ol. 66. Demaratos Ol. 65 und 66. Kleosthenes
Ol. 66. Pheidolas vor, und seine Söhne Ol. 68. Timasitheos vor Ol. 68, 2.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/84>, abgerufen am 09.11.2024.
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