die Weihung des Bildes die Pest aufgehört habe. Denn Thuky- dides sagt ausdrücklich, dass alle Sühnungen, Orakel u. dgl. sich unnütz erwiesen, und man sich deshalb zuletzt um nichts mehr gekümmert habe 1). Mit vollem Rechte haben daher Welcker 2) und Müller 3) die ganze Erzählung von der Veran- lassung der Weihung als unbegründet verworfen, letztere na- mentlich auch deshalb, weil der Beiname Alexikakos weit älter und wahrscheinlich von Delphi nach Athen verpflanzt sei 4). Dass er im Cultus, wahrscheinlich sogar in den Mysterien seinen Grund hatte, lässt sich um so eher annehmen, als der vergötterte Heros Alexikakos gerade im Demos Melite verehrt wurde, en e emuethe Erakles ta mikra musteria 5). Die Ur- sprünge solcher Mysterien sind aber vielmehr in den ältesten Ueberlieferungen der Religionsgeschichte, als in den Seuchen des peloponnesischen Krieges zu suchen.
Freilich liesse sich hiergegen noch einwenden, dass von dem Alter des Namens noch nicht ein Schluss auf das Alter des Bildes erlaubt sei, und dass man immerhin bei einem so grossen Unglück, wie jene Pest war, des Unheil abwehrenden Heros von Neuem gedacht haben könnte. Um auch diesem Einwurf zu begegnen, müssen wir hier von einigen andern Götterbildern sprechen, welche dadurch, dass sie auf die athe- nische Pest bezogen werden, uns ebenfalls in chronologische Schwierigkeiten verwickeln. Ein solches Bild ist der Apollo Alexikakos des Kalamis in Athen 6). Kalamis aber blüht nach unbestreitbaren Bestimmungen der Zeit und des Styls gerade etwa 10 Olympiaden vor jener Pest. Wie aber drückt sich Pausanias über den Ursprung des Namens aus? Den Namen soll (legousin) der Gott erhalten haben, als er der Pest im peloponnesischen Kriege durch ein Orakel aus Delphi ein Ende machte. Pausanias lässt sich hier also vom Volke oder von unwissenden Periegeten etwas erzählen, aus deren Munde man freilich in alter, wie in neuer Zeit auch noch gröbere historische Versehen zu hören gewohnt ist. Dass uns Pausa- nias auch diese Erzählungen mittheilt, wollen wir ihm nicht zum Vorwurf machen. Wohl aber ist er darüber anzuklagen,
1) II, 47; vgl. 53.
2) Kunstblatt 1827 n. 81.
3) de Phid. §. 7.
4) Vgl. Dorier I, S. 455.
5) Schol. Ar. ran. l. l. und die Lexikographen unter Melite.
6) Paus. I, 3, 3.
5 *
die Weihung des Bildes die Pest aufgehört habe. Denn Thuky- dides sagt ausdrücklich, dass alle Sühnungen, Orakel u. dgl. sich unnütz erwiesen, und man sich deshalb zuletzt um nichts mehr gekümmert habe 1). Mit vollem Rechte haben daher Welcker 2) und Müller 3) die ganze Erzählung von der Veran- lassung der Weihung als unbegründet verworfen, letztere na- mentlich auch deshalb, weil der Beiname Alexikakos weit älter und wahrscheinlich von Delphi nach Athen verpflanzt sei 4). Dass er im Cultus, wahrscheinlich sogar in den Mysterien seinen Grund hatte, lässt sich um so eher annehmen, als der vergötterte Heros Alexikakos gerade im Demos Melite verehrt wurde, ἐν ᾗ ἐμυήϑη Ἡρακλῆς τὰ μικρὰ μυστήρια 5). Die Ur- sprünge solcher Mysterien sind aber vielmehr in den ältesten Ueberlieferungen der Religionsgeschichte, als in den Seuchen des peloponnesischen Krieges zu suchen.
Freilich liesse sich hiergegen noch einwenden, dass von dem Alter des Namens noch nicht ein Schluss auf das Alter des Bildes erlaubt sei, und dass man immerhin bei einem so grossen Unglück, wie jene Pest war, des Unheil abwehrenden Heros von Neuem gedacht haben könnte. Um auch diesem Einwurf zu begegnen, müssen wir hier von einigen andern Götterbildern sprechen, welche dadurch, dass sie auf die athe- nische Pest bezogen werden, uns ebenfalls in chronologische Schwierigkeiten verwickeln. Ein solches Bild ist der Apollo Alexikakos des Kalamis in Athen 6). Kalamis aber blüht nach unbestreitbaren Bestimmungen der Zeit und des Styls gerade etwa 10 Olympiaden vor jener Pest. Wie aber drückt sich Pausanias über den Ursprung des Namens aus? Den Namen soll (λέγουσιν) der Gott erhalten haben, als er der Pest im peloponnesischen Kriege durch ein Orakel aus Delphi ein Ende machte. Pausanias lässt sich hier also vom Volke oder von unwissenden Periegeten etwas erzählen, aus deren Munde man freilich in alter, wie in neuer Zeit auch noch gröbere historische Versehen zu hören gewohnt ist. Dass uns Pausa- nias auch diese Erzählungen mittheilt, wollen wir ihm nicht zum Vorwurf machen. Wohl aber ist er darüber anzuklagen,
1) II, 47; vgl. 53.
2) Kunstblatt 1827 n. 81.
3) de Phid. §. 7.
4) Vgl. Dorier I, S. 455.
5) Schol. Ar. ran. l. l. und die Lexikographen unter Μελίτη.
6) Paus. I, 3, 3.
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die Weihung des Bildes die Pest aufgehört habe. Denn Thuky-
dides sagt ausdrücklich, dass alle Sühnungen, Orakel u. dgl.
sich unnütz erwiesen, und man sich deshalb zuletzt um nichts
mehr gekümmert habe 1). Mit vollem Rechte haben daher
Welcker 2) und Müller 3) die ganze Erzählung von der Veran-
lassung der Weihung als unbegründet verworfen, letztere na-
mentlich auch deshalb, weil der Beiname Alexikakos weit älter
und wahrscheinlich von Delphi nach Athen verpflanzt sei 4).
Dass er im Cultus, wahrscheinlich sogar in den Mysterien
seinen Grund hatte, lässt sich um so eher annehmen, als der
vergötterte Heros Alexikakos gerade im Demos Melite verehrt
wurde, ἐν ᾗ ἐμυήϑη Ἡρακλῆς τὰ μικρὰ μυστήρια 5). Die Ur-
sprünge solcher Mysterien sind aber vielmehr in den ältesten
Ueberlieferungen der Religionsgeschichte, als in den Seuchen
des peloponnesischen Krieges zu suchen.
Freilich liesse sich hiergegen noch einwenden, dass von
dem Alter des Namens noch nicht ein Schluss auf das Alter
des Bildes erlaubt sei, und dass man immerhin bei einem so
grossen Unglück, wie jene Pest war, des Unheil abwehrenden
Heros von Neuem gedacht haben könnte. Um auch diesem
Einwurf zu begegnen, müssen wir hier von einigen andern
Götterbildern sprechen, welche dadurch, dass sie auf die athe-
nische Pest bezogen werden, uns ebenfalls in chronologische
Schwierigkeiten verwickeln. Ein solches Bild ist der Apollo
Alexikakos des Kalamis in Athen 6). Kalamis aber blüht nach
unbestreitbaren Bestimmungen der Zeit und des Styls gerade
etwa 10 Olympiaden vor jener Pest. Wie aber drückt sich
Pausanias über den Ursprung des Namens aus? Den Namen
soll (λέγουσιν) der Gott erhalten haben, als er der Pest im
peloponnesischen Kriege durch ein Orakel aus Delphi ein Ende
machte. Pausanias lässt sich hier also vom Volke oder von
unwissenden Periegeten etwas erzählen, aus deren Munde
man freilich in alter, wie in neuer Zeit auch noch gröbere
historische Versehen zu hören gewohnt ist. Dass uns Pausa-
nias auch diese Erzählungen mittheilt, wollen wir ihm nicht
zum Vorwurf machen. Wohl aber ist er darüber anzuklagen,
1) II, 47; vgl. 53.
2) Kunstblatt 1827 n. 81.
3) de Phid. §. 7.
4) Vgl. Dorier I, S. 455.
5) Schol. Ar. ran. l. l. und die Lexikographen
unter Μελίτη.
6) Paus. I, 3, 3.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/80>, abgerufen am 25.11.2024.
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