dass er, auf solches Geschwätz weiter bauend, auch den Na- men des Apollo Epikurios in Phigalia mit Bestimmtheit auf dieselbe Pest bezieht1). Denn abgesehen davon, dass Apollo die Pest nicht milderte, müssen wir hier noch bemerken, dass sie nach Thukydides Angabe2) in den Peloponnes gar nicht eindrang, o ti axion kai eipein. Nicht anders verhält es sich mit dem Apollo Akesios in Elis und dem Pan Lyterios in Troe- zen3). Bei dem Hermes Kriophoros in Tanagra spricht Pau- sanias4) nur im Allgemeinen von einer Pest; sicher aber ge- hört auch dieses Bild wegen des Kalamis, der es gemacht, in die Zeit vor dem peloponnesischen Kriege. -- Fassen wir nun alle diese unter einander so gleichartigen Nachrichten zusam- men, so muss sich uns die Ueberzeugung aufdrängen, dass sie alle aus einer und derselben Quelle stammen. Wo sich nemlich ein Heiligthum oder Bild eines Unheil und Krankheit ab- wehrenden Gottes fand, da war auch die Volkssage geschäf- tig, die Entstehung desselben, unbekümmert um historische Genauigkeit, mit der berühmtesten dieser Krankheiten in Ver- bindung zu bringen. Wie bei uns alle alten Kriegserinnerun- gen im Schwedenkriege aufgehen, so dachten die Griechen späterer Zeit bei einer Pest immer nur an die athenische.
Wir können also mit gutem Gewissen jene Zeitbestim- mung als beseitigt betrachten. Allerdings setzt auch Plinius5) den Ageladas in die 87ste Olympiade. Allein auch er liess sich vielleicht nur durch die Erzählung von dem Herakles Alexikakos täuschen. Dazu kommt aber, dass sich seine Angabe an einer Stelle findet, die von den ärgsten chronologischen Wider- sprüchen wimmelt, also keine Gewähr der Richtigkeit bietet.
Die späteste Zeitangabe, welche auf Werke des Ageladas Beziehung hat, fällt demnach wegen des Zeus Ithomaeos in Ol. 81, 2; die früheste wegen der Statue des Anochos in Ol. 65. Müsste dieses Bild sofort nach errungenem Siege zu Olympia aufgestellt worden sein, so würde zwischen beiden Angaben noch immer ein Zeitraum von solcher Ausdehnung liegen, dass die Laufbahn eines einzigen Künstlers zu seiner Ausfüllung ungenügend und die Annahme zweier Ageladas nothwendig erschiene. Allein auch hier giebt es noch einen
1) VIII, 41, 5.
2) II, 54.
3) Paus. VI, 24, 6. II, 32, 6.
4) IX, 22, 1.
5) 34, 49.
dass er, auf solches Geschwätz weiter bauend, auch den Na- men des Apollo Epikurios in Phigalia mit Bestimmtheit auf dieselbe Pest bezieht1). Denn abgesehen davon, dass Apollo die Pest nicht milderte, müssen wir hier noch bemerken, dass sie nach Thukydides Angabe2) in den Peloponnes gar nicht eindrang, ὅ τι ἄξιον καὶ εἰπεῖν. Nicht anders verhält es sich mit dem Apollo Akesios in Elis und dem Pan Lyterios in Troe- zen3). Bei dem Hermes Kriophoros in Tanagra spricht Pau- sanias4) nur im Allgemeinen von einer Pest; sicher aber ge- hört auch dieses Bild wegen des Kalamis, der es gemacht, in die Zeit vor dem peloponnesischen Kriege. — Fassen wir nun alle diese unter einander so gleichartigen Nachrichten zusam- men, so muss sich uns die Ueberzeugung aufdrängen, dass sie alle aus einer und derselben Quelle stammen. Wo sich nemlich ein Heiligthum oder Bild eines Unheil und Krankheit ab- wehrenden Gottes fand, da war auch die Volkssage geschäf- tig, die Entstehung desselben, unbekümmert um historische Genauigkeit, mit der berühmtesten dieser Krankheiten in Ver- bindung zu bringen. Wie bei uns alle alten Kriegserinnerun- gen im Schwedenkriege aufgehen, so dachten die Griechen späterer Zeit bei einer Pest immer nur an die athenische.
Wir können also mit gutem Gewissen jene Zeitbestim- mung als beseitigt betrachten. Allerdings setzt auch Plinius5) den Ageladas in die 87ste Olympiade. Allein auch er liess sich vielleicht nur durch die Erzählung von dem Herakles Alexikakos täuschen. Dazu kommt aber, dass sich seine Angabe an einer Stelle findet, die von den ärgsten chronologischen Wider- sprüchen wimmelt, also keine Gewähr der Richtigkeit bietet.
Die späteste Zeitangabe, welche auf Werke des Ageladas Beziehung hat, fällt demnach wegen des Zeus Ithomaeos in Ol. 81, 2; die früheste wegen der Statue des Anochos in Ol. 65. Müsste dieses Bild sofort nach errungenem Siege zu Olympia aufgestellt worden sein, so würde zwischen beiden Angaben noch immer ein Zeitraum von solcher Ausdehnung liegen, dass die Laufbahn eines einzigen Künstlers zu seiner Ausfüllung ungenügend und die Annahme zweier Ageladas nothwendig erschiene. Allein auch hier giebt es noch einen
1) VIII, 41, 5.
2) II, 54.
3) Paus. VI, 24, 6. II, 32, 6.
4) IX, 22, 1.
5) 34, 49.
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[68/0081]
dass er, auf solches Geschwätz weiter bauend, auch den Na-
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die Pest nicht milderte, müssen wir hier noch bemerken, dass
sie nach Thukydides Angabe 2) in den Peloponnes gar nicht
eindrang, ὅ τι ἄξιον καὶ εἰπεῖν. Nicht anders verhält es sich
mit dem Apollo Akesios in Elis und dem Pan Lyterios in Troe-
zen 3). Bei dem Hermes Kriophoros in Tanagra spricht Pau-
sanias 4) nur im Allgemeinen von einer Pest; sicher aber ge-
hört auch dieses Bild wegen des Kalamis, der es gemacht, in
die Zeit vor dem peloponnesischen Kriege. — Fassen wir nun
alle diese unter einander so gleichartigen Nachrichten zusam-
men, so muss sich uns die Ueberzeugung aufdrängen, dass
sie alle aus einer und derselben Quelle stammen. Wo sich
nemlich ein Heiligthum oder Bild eines Unheil und Krankheit ab-
wehrenden Gottes fand, da war auch die Volkssage geschäf-
tig, die Entstehung desselben, unbekümmert um historische
Genauigkeit, mit der berühmtesten dieser Krankheiten in Ver-
bindung zu bringen. Wie bei uns alle alten Kriegserinnerun-
gen im Schwedenkriege aufgehen, so dachten die Griechen
späterer Zeit bei einer Pest immer nur an die athenische.
Wir können also mit gutem Gewissen jene Zeitbestim-
mung als beseitigt betrachten. Allerdings setzt auch Plinius 5)
den Ageladas in die 87ste Olympiade. Allein auch er liess
sich vielleicht nur durch die Erzählung von dem Herakles
Alexikakos täuschen. Dazu kommt aber, dass sich seine Angabe
an einer Stelle findet, die von den ärgsten chronologischen Wider-
sprüchen wimmelt, also keine Gewähr der Richtigkeit bietet.
Die späteste Zeitangabe, welche auf Werke des Ageladas
Beziehung hat, fällt demnach wegen des Zeus Ithomaeos in
Ol. 81, 2; die früheste wegen der Statue des Anochos in
Ol. 65. Müsste dieses Bild sofort nach errungenem Siege zu
Olympia aufgestellt worden sein, so würde zwischen beiden
Angaben noch immer ein Zeitraum von solcher Ausdehnung
liegen, dass die Laufbahn eines einzigen Künstlers zu seiner
Ausfüllung ungenügend und die Annahme zweier Ageladas
nothwendig erschiene. Allein auch hier giebt es noch einen
1) VIII, 41, 5.
2) II, 54.
3) Paus. VI, 24, 6. II, 32, 6.
4) IX, 22, 1.
5) 34, 49.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/81>, abgerufen am 25.11.2024.
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