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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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verschiedenen Herrschern, sondern machte sich ihnen fast un-
entbehrlich und erfreute sich oft noch ganz besonderer Begün-
stigungen1), so dass der Reichthum des Staates, wie seiner
Bürger, bis ins Unglaubliche gewachsen sein muss. Während
aber hier die Kunst zur Verherrlichung politischer Grossthaten
wenig in Anspruch genommen werden konnte, ward ihr dage-
gen eine um so grössere Förderung durch den Ueberfluss ma-
terieller Mittel zu Theil. Freilich verlangten dafür auch die-
jenigen, welche diese Mittel darboten, dass das Kunstwerk
ein Zeugniss für diesen Ueberfluss ablege, und der Künstler
vor Allem etwas Imposantes, Gewaltiges leiste. Aus dieser
Forderung musste sich, man möchte sagen, mit Nothwendig-
keit eine doppelte Richtung der Kunst entwickeln. Die eine
strebt nach Kolossalität: so finden wir schon am Ende der
vorigen Periode, dass eine andere Handelsrepublik, Tarent in
Unteritalien, sich mit Kolossen von der Hand des Lysipp
schmückt. Das gegebene Beispiel überbietet Rhodos, wie der
Schüler Chares seinen Lehrer Lysipp, durch den Koloss des
Sonnengottes, den grössten, den das Alterthum bis auf Nero's
Zeit gesehen. Zu ihm gesellen sich aber, wie Plinius2) an-
giebt, hundert andere, zwar minder gewaltig, aber doch so
bedeutend, dass jeder für sich allein genügt haben würde, den
Ruhm des Ortes seiner Aufstellung zu begründen. Der Zweck,
die Schutzgötter der Stadt und vielleicht die Stammesheroen
glänzend zu ehren, sowie den Ruhm des Staates durch die
Grossartigkeit der dafür aufgewendeten Mittel weit zu ver-
breiten, mochte durch solche Werke auf das Vollständigste er-
reicht werden. An sich mochten sie ebenfalls als Kunstwerke
vollendet sein. Aber über der Bewunderung der Kolossalität
gelangt der Beschauer schwerer zu reinem Kunstgenuss; und
ihrer Natur nach können Kolosse meist nur eigentliche Stand-
bilder und einzelne Figuren sein, bei welchen es nicht beab-
sichtigt werden kann, das Gemüth des Beschauers durch eine
lebhaft bewegte Handlung zu erregen und in Spannung zu er-
halten. Letzterem Zwecke zu genügen, war dagegen die Auf-
gabe der anderen Richtung der rhodischen Kunst, als deren
hervorragendste Leistungen uns die Gruppen des Laokoon und
des farnesischen Stiers entgegentreten. Bei ihrer Betrachtung

1) Vgl. Droysen Hellenismus I, S. 473 flgdd. II, S. 574 flgdd.
2) 34, 42.

verschiedenen Herrschern, sondern machte sich ihnen fast un-
entbehrlich und erfreute sich oft noch ganz besonderer Begün-
stigungen1), so dass der Reichthum des Staates, wie seiner
Bürger, bis ins Unglaubliche gewachsen sein muss. Während
aber hier die Kunst zur Verherrlichung politischer Grossthaten
wenig in Anspruch genommen werden konnte, ward ihr dage-
gen eine um so grössere Förderung durch den Ueberfluss ma-
terieller Mittel zu Theil. Freilich verlangten dafür auch die-
jenigen, welche diese Mittel darboten, dass das Kunstwerk
ein Zeugniss für diesen Ueberfluss ablege, und der Künstler
vor Allem etwas Imposantes, Gewaltiges leiste. Aus dieser
Forderung musste sich, man möchte sagen, mit Nothwendig-
keit eine doppelte Richtung der Kunst entwickeln. Die eine
strebt nach Kolossalität: so finden wir schon am Ende der
vorigen Periode, dass eine andere Handelsrepublik, Tarent in
Unteritalien, sich mit Kolossen von der Hand des Lysipp
schmückt. Das gegebene Beispiel überbietet Rhodos, wie der
Schüler Chares seinen Lehrer Lysipp, durch den Koloss des
Sonnengottes, den grössten, den das Alterthum bis auf Nero’s
Zeit gesehen. Zu ihm gesellen sich aber, wie Plinius2) an-
giebt, hundert andere, zwar minder gewaltig, aber doch so
bedeutend, dass jeder für sich allein genügt haben würde, den
Ruhm des Ortes seiner Aufstellung zu begründen. Der Zweck,
die Schutzgötter der Stadt und vielleicht die Stammesheroen
glänzend zu ehren, sowie den Ruhm des Staates durch die
Grossartigkeit der dafür aufgewendeten Mittel weit zu ver-
breiten, mochte durch solche Werke auf das Vollständigste er-
reicht werden. An sich mochten sie ebenfalls als Kunstwerke
vollendet sein. Aber über der Bewunderung der Kolossalität
gelangt der Beschauer schwerer zu reinem Kunstgenuss; und
ihrer Natur nach können Kolosse meist nur eigentliche Stand-
bilder und einzelne Figuren sein, bei welchen es nicht beab-
sichtigt werden kann, das Gemüth des Beschauers durch eine
lebhaft bewegte Handlung zu erregen und in Spannung zu er-
halten. Letzterem Zwecke zu genügen, war dagegen die Auf-
gabe der anderen Richtung der rhodischen Kunst, als deren
hervorragendste Leistungen uns die Gruppen des Laokoon und
des farnesischen Stiers entgegentreten. Bei ihrer Betrachtung

1) Vgl. Droysen Hellenismus I, S. 473 flgdd. II, S. 574 flgdd.
2) 34, 42.
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[508/0521] verschiedenen Herrschern, sondern machte sich ihnen fast un- entbehrlich und erfreute sich oft noch ganz besonderer Begün- stigungen 1), so dass der Reichthum des Staates, wie seiner Bürger, bis ins Unglaubliche gewachsen sein muss. Während aber hier die Kunst zur Verherrlichung politischer Grossthaten wenig in Anspruch genommen werden konnte, ward ihr dage- gen eine um so grössere Förderung durch den Ueberfluss ma- terieller Mittel zu Theil. Freilich verlangten dafür auch die- jenigen, welche diese Mittel darboten, dass das Kunstwerk ein Zeugniss für diesen Ueberfluss ablege, und der Künstler vor Allem etwas Imposantes, Gewaltiges leiste. Aus dieser Forderung musste sich, man möchte sagen, mit Nothwendig- keit eine doppelte Richtung der Kunst entwickeln. Die eine strebt nach Kolossalität: so finden wir schon am Ende der vorigen Periode, dass eine andere Handelsrepublik, Tarent in Unteritalien, sich mit Kolossen von der Hand des Lysipp schmückt. Das gegebene Beispiel überbietet Rhodos, wie der Schüler Chares seinen Lehrer Lysipp, durch den Koloss des Sonnengottes, den grössten, den das Alterthum bis auf Nero’s Zeit gesehen. Zu ihm gesellen sich aber, wie Plinius 2) an- giebt, hundert andere, zwar minder gewaltig, aber doch so bedeutend, dass jeder für sich allein genügt haben würde, den Ruhm des Ortes seiner Aufstellung zu begründen. Der Zweck, die Schutzgötter der Stadt und vielleicht die Stammesheroen glänzend zu ehren, sowie den Ruhm des Staates durch die Grossartigkeit der dafür aufgewendeten Mittel weit zu ver- breiten, mochte durch solche Werke auf das Vollständigste er- reicht werden. An sich mochten sie ebenfalls als Kunstwerke vollendet sein. Aber über der Bewunderung der Kolossalität gelangt der Beschauer schwerer zu reinem Kunstgenuss; und ihrer Natur nach können Kolosse meist nur eigentliche Stand- bilder und einzelne Figuren sein, bei welchen es nicht beab- sichtigt werden kann, das Gemüth des Beschauers durch eine lebhaft bewegte Handlung zu erregen und in Spannung zu er- halten. Letzterem Zwecke zu genügen, war dagegen die Auf- gabe der anderen Richtung der rhodischen Kunst, als deren hervorragendste Leistungen uns die Gruppen des Laokoon und des farnesischen Stiers entgegentreten. Bei ihrer Betrachtung 1) Vgl. Droysen Hellenismus I, S. 473 flgdd. II, S. 574 flgdd. 2) 34, 42.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/521>, abgerufen am 24.11.2024.