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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Einer anderen Portraitstatue gehört eine beim Ere-
chtheum gefundene Basis mit der folgenden fragmentirten In-
schrift an:

[Abbildung]
Ross a. a. O. Stephani, Rhein. Mus. N. F. IV, S. 19. Ross
glaubt diese Inschrift mit den früher erwähnten hölzernen Bil-
dern der Familie des Lykurg in Verbindung bringen und dem-
nach die erste Zeile ergänzen zu dürfen: [Tou deinos Bout]a-
do[u] ie[reos Poseidonos], während in der zweiten Zeile ein
Name aus der Familie der Kallisto, der Frau des Lykurg, zu
suchen sei. Ich wage nicht, über die Richtigkeit dieser An-
nahme zu entscheiden; und bemerke nur, dass Stephani, weil
er zur Ergänzung der Buchstaben -- sistra -- in der Familie
des Lykurg keinen passenden Namen findet, den Gedanken
an dieselbe gänzlich aufgeben zu müssen glaubt, und, aller-
dings nur als Vermuthung, Folgendes zu lesen vorschlägt:
[Pall]ado[s] ie[reus] [Lu]sistrat[os] Batethen, oder [o deina
Lu]sistra[tou] Batethen, wobei freilich die Fassung der In-
schrift, namentlich das Voranstehen des Götternamens, erst
einer besonderen Rechtfertigung bedarf.

Wir sahen schon oben, dass dem Kephisodot allein die
Statuen der Myro und Anyte beigelegt wurden. Dasselbe ist
der Fall bei den Werken, welche Plinius (36, 24) anführt:
"Berühmt ist sein ausgezeichnetes Symplegma in Pergamus,
an welchem die Finger sich vielmehr in den Körper als in den
Marmor zu drücken scheinen. Zu Rom befinden sich von ihm
Latona im palatinischen Tempel, Venus unter den Monumen-
ten des Asinius Pollio, und innerhalb des Porticus der Octavia
im Tempel der Juno Aesculap und Diana." Diese Werke
waren in Marmor gebildet. In dem Buche über die Erzgiesser
aber führt Plinius (34, 87) auch Philosophenstatuen von Ke-
phisodot an.

Unter diesen Werken ist eins besonders geeignet, zu zeigen,
in welchem Sinne Kephisodot "der Erbe der Kunst seines Vaters"
war: das Symplegma zu Pergamus. Denn gewiss mit Recht hat
Welcker (Alt. Denkm. I, S. 317) gegen diejenigen, welche in

Einer anderen Portraitstatue gehört eine beim Ere-
chtheum gefundene Basis mit der folgenden fragmentirten In-
schrift an:

[Abbildung]
Ross a. a. O. Stephani, Rhein. Mus. N. F. IV, S. 19. Ross
glaubt diese Inschrift mit den früher erwähnten hölzernen Bil-
dern der Familie des Lykurg in Verbindung bringen und dem-
nach die erste Zeile ergänzen zu dürfen: [Τοῦ δεῖνος Βουτ]ά-
δο[υ] ἱε[ρέως Ποσειδῶνος], während in der zweiten Zeile ein
Name aus der Familie der Kallisto, der Frau des Lykurg, zu
suchen sei. Ich wage nicht, über die Richtigkeit dieser An-
nahme zu entscheiden; und bemerke nur, dass Stephani, weil
er zur Ergänzung der Buchstaben — σιστρα — in der Familie
des Lykurg keinen passenden Namen findet, den Gedanken
an dieselbe gänzlich aufgeben zu müssen glaubt, und, aller-
dings nur als Vermuthung, Folgendes zu lesen vorschlägt:
[Παλλ]άδο[ς] ἱε[ρεὺς] [Λυ]σίστρατ[ος] Βατῆϑεν, oder [ὁ δεῖνα
Λυ]σιστρά[του] Βατῆϑεν, wobei freilich die Fassung der In-
schrift, namentlich das Voranstehen des Götternamens, erst
einer besonderen Rechtfertigung bedarf.

Wir sahen schon oben, dass dem Kephisodot allein die
Statuen der Myro und Anyte beigelegt wurden. Dasselbe ist
der Fall bei den Werken, welche Plinius (36, 24) anführt:
„Berühmt ist sein ausgezeichnetes Symplegma in Pergamus,
an welchem die Finger sich vielmehr in den Körper als in den
Marmor zu drücken scheinen. Zu Rom befinden sich von ihm
Latona im palatinischen Tempel, Venus unter den Monumen-
ten des Asinius Pollio, und innerhalb des Porticus der Octavia
im Tempel der Juno Aesculap und Diana.” Diese Werke
waren in Marmor gebildet. In dem Buche über die Erzgiesser
aber führt Plinius (34, 87) auch Philosophenstatuen von Ke-
phisodot an.

Unter diesen Werken ist eins besonders geeignet, zu zeigen,
in welchem Sinne Kephisodot „der Erbe der Kunst seines Vaters”
war: das Symplegma zu Pergamus. Denn gewiss mit Recht hat
Welcker (Alt. Denkm. I, S. 317) gegen diejenigen, welche in

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[393/0406] Einer anderen Portraitstatue gehört eine beim Ere- chtheum gefundene Basis mit der folgenden fragmentirten In- schrift an: [Abbildung] Ross a. a. O. Stephani, Rhein. Mus. N. F. IV, S. 19. Ross glaubt diese Inschrift mit den früher erwähnten hölzernen Bil- dern der Familie des Lykurg in Verbindung bringen und dem- nach die erste Zeile ergänzen zu dürfen: [Τοῦ δεῖνος Βουτ]ά- δο[υ] ἱε[ρέως Ποσειδῶνος], während in der zweiten Zeile ein Name aus der Familie der Kallisto, der Frau des Lykurg, zu suchen sei. Ich wage nicht, über die Richtigkeit dieser An- nahme zu entscheiden; und bemerke nur, dass Stephani, weil er zur Ergänzung der Buchstaben — σιστρα — in der Familie des Lykurg keinen passenden Namen findet, den Gedanken an dieselbe gänzlich aufgeben zu müssen glaubt, und, aller- dings nur als Vermuthung, Folgendes zu lesen vorschlägt: [Παλλ]άδο[ς] ἱε[ρεὺς] [Λυ]σίστρατ[ος] Βατῆϑεν, oder [ὁ δεῖνα Λυ]σιστρά[του] Βατῆϑεν, wobei freilich die Fassung der In- schrift, namentlich das Voranstehen des Götternamens, erst einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Wir sahen schon oben, dass dem Kephisodot allein die Statuen der Myro und Anyte beigelegt wurden. Dasselbe ist der Fall bei den Werken, welche Plinius (36, 24) anführt: „Berühmt ist sein ausgezeichnetes Symplegma in Pergamus, an welchem die Finger sich vielmehr in den Körper als in den Marmor zu drücken scheinen. Zu Rom befinden sich von ihm Latona im palatinischen Tempel, Venus unter den Monumen- ten des Asinius Pollio, und innerhalb des Porticus der Octavia im Tempel der Juno Aesculap und Diana.” Diese Werke waren in Marmor gebildet. In dem Buche über die Erzgiesser aber führt Plinius (34, 87) auch Philosophenstatuen von Ke- phisodot an. Unter diesen Werken ist eins besonders geeignet, zu zeigen, in welchem Sinne Kephisodot „der Erbe der Kunst seines Vaters” war: das Symplegma zu Pergamus. Denn gewiss mit Recht hat Welcker (Alt. Denkm. I, S. 317) gegen diejenigen, welche in

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/406>, abgerufen am 15.05.2024.