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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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einst in Rom befand und wegen des Imperfectum epoiei aller-
dings auch erst in der römischen Epoche gemacht sein konnte,
unberücksichtigt bleiben. Denn sie lautet 1):

SELEUKOS BASILEUS LUSIPPOS EPOIEI
Seleukos aber nannte sich König erst seit Ol. 117, 1. Man
half sich daher mit der Annahme, dass, wenn Lysipp wirklich
eine Statue des Seleukos gemacht, dies vor der Annahme des
Königstitels geschehen sein könne, und derselbe erst später
auf die Statue oder deren Copie gesetzt worden sei. Doch
hätte man sich dabei nur so lange beruhigen dürfen, als nicht
andere Nachrichten dagegen sprachen. Nun aber scheint er-
stens Pausanias das Leben des Künstlers wenigstens als über
Ol. 114, 2 hinausreichend anzunehmen. Denn da er 2) in der
Inschrift einer Statue des Cheilon aus Patrae, einem Werke
des Lysipp, die Angabe fand, derselbe sei im Kriege gefallen,
so fügt er hinzu, es könne damit ebensowohl der Lamische
Krieg, als die Schlacht von Chaeronea gemeint sein. Dazu
kommt noch eine Erzählung bei Athenaeus 3), nach welcher
Lysipp dem Kassander zu Gefallen, als er Kassandreia grün-
dete, eine besondere Art von Thongefässen für den aus dieser
Stadt in Massen ausgeführten mendaeischen Wein erfunden
habe. Wollen wir dieselbe nicht gänzlich verwerfen, wozu
doch an sich nicht hinreichender Grund vorhanden ist, so ge-
winnen wir dadurch eine Zeitbestimmung, welche uns auf Ol.
116, 1, das Jahr der Gründung von Kassandreia, zurückführt 4).
Damit steht aber auch die Zeit seiner Söhne und Schüler im
besten Einklange: denn Plinius setzt deren Blüthe erst in die
121ste Olympiade. Hinsichtlich der Statue des Troilos bleibt uns
endlich immer die Annahme offen, dass Lysipp sie längere Zeit
nach dem Siege gemacht habe, wie es ja auch mit einer anderen
Statue von seiner Hand, derjenigen des Polydamas von Sko-
tussa, der Fall sein musste, da derselbe bereits Ol. 93 zu Olym-
pia gesiegt hatte 5). Dass übrigens Lysipp ein hohes Alter
erreichte, können wir daraus schliessen, dass er in einem Epi-
gramme 6) als geron bezeichnet wird. Ueber das Lebensende

1) Dati vite de pittori p. 117. C. I. Gr. n. 6018. Sie wird bereits in
einer handschriftlichen Inschriftensammlung des Pietro Sabino aus dem Ende
des 15ten Jahrhunderts auf der vaticanischen Bibliothek als in aedibus Mellini
befindlich angeführt.
2) VI, 4, 4.
3) XI, p. 784 C.
4) Diod. XIX, 52.
5) Paus. VI, 5, 1.
6) Anall. III, p. 45, n. 35.

einst in Rom befand und wegen des Imperfectum ἐποίει aller-
dings auch erst in der römischen Epoche gemacht sein konnte,
unberücksichtigt bleiben. Denn sie lautet 1):

ΣΕΛΕΥΚΟΣ ΒΑΣΙΛΕΥΣ ΛΥΣΙΠΠΟΣ ΕΠΟΙΕΙ
Seleukos aber nannte sich König erst seit Ol. 117, 1. Man
half sich daher mit der Annahme, dass, wenn Lysipp wirklich
eine Statue des Seleukos gemacht, dies vor der Annahme des
Königstitels geschehen sein könne, und derselbe erst später
auf die Statue oder deren Copie gesetzt worden sei. Doch
hätte man sich dabei nur so lange beruhigen dürfen, als nicht
andere Nachrichten dagegen sprachen. Nun aber scheint er-
stens Pausanias das Leben des Künstlers wenigstens als über
Ol. 114, 2 hinausreichend anzunehmen. Denn da er 2) in der
Inschrift einer Statue des Cheilon aus Patrae, einem Werke
des Lysipp, die Angabe fand, derselbe sei im Kriege gefallen,
so fügt er hinzu, es könne damit ebensowohl der Lamische
Krieg, als die Schlacht von Chaeronea gemeint sein. Dazu
kommt noch eine Erzählung bei Athenaeus 3), nach welcher
Lysipp dem Kassander zu Gefallen, als er Kassandreia grün-
dete, eine besondere Art von Thongefässen für den aus dieser
Stadt in Massen ausgeführten mendaeischen Wein erfunden
habe. Wollen wir dieselbe nicht gänzlich verwerfen, wozu
doch an sich nicht hinreichender Grund vorhanden ist, so ge-
winnen wir dadurch eine Zeitbestimmung, welche uns auf Ol.
116, 1, das Jahr der Gründung von Kassandreia, zurückführt 4).
Damit steht aber auch die Zeit seiner Söhne und Schüler im
besten Einklange: denn Plinius setzt deren Blüthe erst in die
121ste Olympiade. Hinsichtlich der Statue des Troïlos bleibt uns
endlich immer die Annahme offen, dass Lysipp sie längere Zeit
nach dem Siege gemacht habe, wie es ja auch mit einer anderen
Statue von seiner Hand, derjenigen des Polydamas von Sko-
tussa, der Fall sein musste, da derselbe bereits Ol. 93 zu Olym-
pia gesiegt hatte 5). Dass übrigens Lysipp ein hohes Alter
erreichte, können wir daraus schliessen, dass er in einem Epi-
gramme 6) als γέρων bezeichnet wird. Ueber das Lebensende

1) Dati vite de pittori p. 117. C. I. Gr. n. 6018. Sie wird bereits in
einer handschriftlichen Inschriftensammlung des Pietro Sabino aus dem Ende
des 15ten Jahrhunderts auf der vaticanischen Bibliothek als in aedibus Mellini
befindlich angeführt.
2) VI, 4, 4.
3) XI, p. 784 C.
4) Diod. XIX, 52.
5) Paus. VI, 5, 1.
6) Anall. III, p. 45, n. 35.
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[359/0372] einst in Rom befand und wegen des Imperfectum ἐποίει aller- dings auch erst in der römischen Epoche gemacht sein konnte, unberücksichtigt bleiben. Denn sie lautet 1): ΣΕΛΕΥΚΟΣ ΒΑΣΙΛΕΥΣ ΛΥΣΙΠΠΟΣ ΕΠΟΙΕΙ Seleukos aber nannte sich König erst seit Ol. 117, 1. Man half sich daher mit der Annahme, dass, wenn Lysipp wirklich eine Statue des Seleukos gemacht, dies vor der Annahme des Königstitels geschehen sein könne, und derselbe erst später auf die Statue oder deren Copie gesetzt worden sei. Doch hätte man sich dabei nur so lange beruhigen dürfen, als nicht andere Nachrichten dagegen sprachen. Nun aber scheint er- stens Pausanias das Leben des Künstlers wenigstens als über Ol. 114, 2 hinausreichend anzunehmen. Denn da er 2) in der Inschrift einer Statue des Cheilon aus Patrae, einem Werke des Lysipp, die Angabe fand, derselbe sei im Kriege gefallen, so fügt er hinzu, es könne damit ebensowohl der Lamische Krieg, als die Schlacht von Chaeronea gemeint sein. Dazu kommt noch eine Erzählung bei Athenaeus 3), nach welcher Lysipp dem Kassander zu Gefallen, als er Kassandreia grün- dete, eine besondere Art von Thongefässen für den aus dieser Stadt in Massen ausgeführten mendaeischen Wein erfunden habe. Wollen wir dieselbe nicht gänzlich verwerfen, wozu doch an sich nicht hinreichender Grund vorhanden ist, so ge- winnen wir dadurch eine Zeitbestimmung, welche uns auf Ol. 116, 1, das Jahr der Gründung von Kassandreia, zurückführt 4). Damit steht aber auch die Zeit seiner Söhne und Schüler im besten Einklange: denn Plinius setzt deren Blüthe erst in die 121ste Olympiade. Hinsichtlich der Statue des Troïlos bleibt uns endlich immer die Annahme offen, dass Lysipp sie längere Zeit nach dem Siege gemacht habe, wie es ja auch mit einer anderen Statue von seiner Hand, derjenigen des Polydamas von Sko- tussa, der Fall sein musste, da derselbe bereits Ol. 93 zu Olym- pia gesiegt hatte 5). Dass übrigens Lysipp ein hohes Alter erreichte, können wir daraus schliessen, dass er in einem Epi- gramme 6) als γέρων bezeichnet wird. Ueber das Lebensende 1) Dati vite de pittori p. 117. C. I. Gr. n. 6018. Sie wird bereits in einer handschriftlichen Inschriftensammlung des Pietro Sabino aus dem Ende des 15ten Jahrhunderts auf der vaticanischen Bibliothek als in aedibus Mellini befindlich angeführt. 2) VI, 4, 4. 3) XI, p. 784 C. 4) Diod. XIX, 52. 5) Paus. VI, 5, 1. 6) Anall. III, p. 45, n. 35.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/372>, abgerufen am 23.11.2024.