Reihenfolge dieser drei Namen soll hier in der Weise für die Zeitfolge entscheidend sein, dass Polyklet ein Vorgänger des Myron und Pythagoras, und mit Telephanes ein Zeitgenosse des Darius gewesen sein müsse. Allein Plinius behält bei der Zusammenstellung der drei Namen unter Ol. 90 eben diese Rei- henfolge bei; eben wegen der sicheren Zeitbestimmung des Polyklet durch die Hera in Argos, obwohl die beiden andern zu jener Zeit schwerlich noch am Leben waren. Wollte aber Thiersch consequent sein, so musste er auch aus der Stellung, Xerxis atque Darii, folgern, dass hier nicht von dem ersten, sondern von Darius Nothus die Rede sei; und er durfte dies mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit, als dieser gerade in dem Jahre des Tempelbrandes zu Argos zur Regierung kam, Telephanes dadurch also recht eigentlich als Zeitgenosse des bekannten Polyklet erscheint. -- Nicht übersehen dürfen wir endlich, wie häufig und wie eng Phidias und Polyklet als Zeit- genossen mit einander verbunden werden, während nach Thiersch's Annahme Phidias mit den entgegengesetzten End- punkten seiner Thätigkeit wohl diejenige der beiden Polyklete noch berühren, eigentlich aber doch gerade in der Mitte zwi- schen beiden stehen würde.
So viel über die Haltbarkeit der äusseren Gründe, durch welche Thiersch seine Meinung zu vertheidigen gesucht hat. Sie soll aber zugleich auf inneren Gründen beruhen, nemlich auf der Unmöglichkeit, die verschiedenen Nachrichten über die künstlerischen Verdienste und Mängel des Polyklet auf eine und dieselbe Person zu beziehen. Ich werde versuchen, den Gegenbeweis zu liefern, jedoch nicht auf dem Wege der Po- lemik, sondern indem ich ein Bild von der Persönlichkeit des Polyklet entwerfe. Finden darin alle die verschiedenen An- gaben ihre Stelle, ja gewinnt das Bild gerade durch das, was Thiersch als widersprechend verwerfen will, erst volles Leben, so hoffe ich, der Widerlegung im Einzelnen überhoben zu sein.
Wir beginnen, wie gewöhnlich, mit der Aufzählung der Werke:
Das Bild der Hera im Tempel bei Argos, aus Gold und Elfenbein, von kolossaler Grösse, aber kleiner als die ver- wandten Werke des Phidias (Strabo, VIII, p. 372). Die Göttin sass auf einem Throne, die Stirn mit dem Stephanos ge- schmückt, auf welchem die Figuren der Chariten und Horen
Reihenfolge dieser drei Namen soll hier in der Weise für die Zeitfolge entscheidend sein, dass Polyklet ein Vorgänger des Myron und Pythagoras, und mit Telephanes ein Zeitgenosse des Darius gewesen sein müsse. Allein Plinius behält bei der Zusammenstellung der drei Namen unter Ol. 90 eben diese Rei- henfolge bei; eben wegen der sicheren Zeitbestimmung des Polyklet durch die Hera in Argos, obwohl die beiden andern zu jener Zeit schwerlich noch am Leben waren. Wollte aber Thiersch consequent sein, so musste er auch aus der Stellung, Xerxis atque Darii, folgern, dass hier nicht von dem ersten, sondern von Darius Nothus die Rede sei; und er durfte dies mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit, als dieser gerade in dem Jahre des Tempelbrandes zu Argos zur Regierung kam, Telephanes dadurch also recht eigentlich als Zeitgenosse des bekannten Polyklet erscheint. — Nicht übersehen dürfen wir endlich, wie häufig und wie eng Phidias und Polyklet als Zeit- genossen mit einander verbunden werden, während nach Thiersch’s Annahme Phidias mit den entgegengesetzten End- punkten seiner Thätigkeit wohl diejenige der beiden Polyklete noch berühren, eigentlich aber doch gerade in der Mitte zwi- schen beiden stehen würde.
So viel über die Haltbarkeit der äusseren Gründe, durch welche Thiersch seine Meinung zu vertheidigen gesucht hat. Sie soll aber zugleich auf inneren Gründen beruhen, nemlich auf der Unmöglichkeit, die verschiedenen Nachrichten über die künstlerischen Verdienste und Mängel des Polyklet auf eine und dieselbe Person zu beziehen. Ich werde versuchen, den Gegenbeweis zu liefern, jedoch nicht auf dem Wege der Po- lemik, sondern indem ich ein Bild von der Persönlichkeit des Polyklet entwerfe. Finden darin alle die verschiedenen An- gaben ihre Stelle, ja gewinnt das Bild gerade durch das, was Thiersch als widersprechend verwerfen will, erst volles Leben, so hoffe ich, der Widerlegung im Einzelnen überhoben zu sein.
Wir beginnen, wie gewöhnlich, mit der Aufzählung der Werke:
Das Bild der Hera im Tempel bei Argos, aus Gold und Elfenbein, von kolossaler Grösse, aber kleiner als die ver- wandten Werke des Phidias (Strabo, VIII, p. 372). Die Göttin sass auf einem Throne, die Stirn mit dem Stephanos ge- schmückt, auf welchem die Figuren der Chariten und Horen
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Reihenfolge dieser drei Namen soll hier in der Weise für die
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des Darius gewesen sein müsse. Allein Plinius behält bei der
Zusammenstellung der drei Namen unter Ol. 90 eben diese Rei-
henfolge bei; eben wegen der sicheren Zeitbestimmung des
Polyklet durch die Hera in Argos, obwohl die beiden andern
zu jener Zeit schwerlich noch am Leben waren. Wollte aber
Thiersch consequent sein, so musste er auch aus der Stellung,
Xerxis atque Darii, folgern, dass hier nicht von dem ersten,
sondern von Darius Nothus die Rede sei; und er durfte dies
mit um so grösserer Wahrscheinlichkeit, als dieser gerade in
dem Jahre des Tempelbrandes zu Argos zur Regierung kam,
Telephanes dadurch also recht eigentlich als Zeitgenosse des
bekannten Polyklet erscheint. — Nicht übersehen dürfen wir
endlich, wie häufig und wie eng Phidias und Polyklet als Zeit-
genossen mit einander verbunden werden, während nach
Thiersch’s Annahme Phidias mit den entgegengesetzten End-
punkten seiner Thätigkeit wohl diejenige der beiden Polyklete
noch berühren, eigentlich aber doch gerade in der Mitte zwi-
schen beiden stehen würde.
So viel über die Haltbarkeit der äusseren Gründe, durch
welche Thiersch seine Meinung zu vertheidigen gesucht hat.
Sie soll aber zugleich auf inneren Gründen beruhen, nemlich
auf der Unmöglichkeit, die verschiedenen Nachrichten über die
künstlerischen Verdienste und Mängel des Polyklet auf eine
und dieselbe Person zu beziehen. Ich werde versuchen, den
Gegenbeweis zu liefern, jedoch nicht auf dem Wege der Po-
lemik, sondern indem ich ein Bild von der Persönlichkeit des
Polyklet entwerfe. Finden darin alle die verschiedenen An-
gaben ihre Stelle, ja gewinnt das Bild gerade durch das, was
Thiersch als widersprechend verwerfen will, erst volles Leben,
so hoffe ich, der Widerlegung im Einzelnen überhoben zu sein.
Wir beginnen, wie gewöhnlich, mit der Aufzählung der
Werke:
Das Bild der Hera im Tempel bei Argos, aus Gold und
Elfenbein, von kolossaler Grösse, aber kleiner als die ver-
wandten Werke des Phidias (Strabo, VIII, p. 372). Die Göttin
sass auf einem Throne, die Stirn mit dem Stephanos ge-
schmückt, auf welchem die Figuren der Chariten und Horen
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/225>, abgerufen am 09.11.2024.
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