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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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deutung, allein zur Bildung eines Ideals können sie allein
nicht genügen, sie sind lediglich subjectiv. Schon bestimmter
äussert sich Cicero 1), indem er sagt: Phidias habe seinen
Zeus nicht irgend einem einzelnen Menschen nachgebildet,
sondern in seinem Geiste habe irgend ein vorzügliches Bild
der Schönheit geruht, welches er angeschaut, in welches er
sich versenkt und nach dessen Aehnlichkeit er seine Kunst
und seine Hand gelenkt habe. Dieses Bild ist aber, wie
sich im Verfolg der Rede ergiebt, nichts Anderes, als die
platonische Idee, von welcher Plato sagt, sie entstehe nicht,
sondern sei immer vorhanden, und werde ratione et in-
tellegentia, in der Vernunft und der Erkenntniss, bewahrt.
Was es also auch sei, worüber auf methodischem Wege ver-
handelt werden solle, (oder, auf unsere Untersuchung ange-
wendet, was in künstlerischer Weise zur Anschauung gebracht
werden soll) das sei immer auf die letzte Form und das Ur-
bild (species) seines Genus zurückzuführen. Welches aber
ist diese letzte Form und dieses Urbild eines griechischen
Gottes, eines Zeus, über welche hinaus nichts Höheres, nichts
Vollendeteres gedacht werden kann? Der Gott ist der Träger
eines geistigen Begriffes. Aber, wie Dio Chrysostomus den
Phidias sagen lässt: kein Bildner oder Maler kann den Geist
an sich darstellen. Wir nehmen daher unsere Zuflucht zu
dem menschlichen Körper als der Hülle des Geistes. Aber
der menschliche Körper ist nichts Absolutes, nichts Vollkom-
menes; er ist fortwährendem Wechsel unterworfen, er gehört
einem Kinde, einem Greise, einem Manne, einem Weibe an;
und in jedem dieser Alter oder Geschlechter kann er sich
einem Absoluten, einer Idee nähern. Auch die griechische
Gottheit ist nicht eine einzige, der Gottbegriff ist in eine Reihe
von Begriffen und Persönlichkeiten zerspalten. Die Kunst hat

1) Or. 2. 3. Nec vero ille artifex, cum faceret Iovis formam aut Minervae,
contemplabatur aliquem e quo similitudinem duceret, sed ipsius in mente insi-
debat species pulchritudinis eximia quaedam, quam intuens in eaque defixus
ad illius similitudinem artem et manum dirigebat. Ut igitur in formis et figuris
est aliquid perfectum et excellens, cuius ad cogitatam speciem imitando referun-
tur ea quae sub oculos ipsa cadunt, sic perfectae eloquentiae speciem animo
videmus, effigiem auribus quaerimus. Harum rerum formas appellat ideas ille
non intellegendi solum, sed etiam dicendi gravissimus auctor et magister, Pla-
to; easque gigni negat et ait semper esse ac ratione et intellegentia con-
tineri, cetera nasci, occidere, fluere, labi, nec diutius esse uno et eodem
aetate. Quidquid est igitur de quo ratione et via disputetur, id est ad ulti-
mam sui generis formam speciemque redigendum.

deutung, allein zur Bildung eines Ideals können sie allein
nicht genügen, sie sind lediglich subjectiv. Schon bestimmter
äussert sich Cicero 1), indem er sagt: Phidias habe seinen
Zeus nicht irgend einem einzelnen Menschen nachgebildet,
sondern in seinem Geiste habe irgend ein vorzügliches Bild
der Schönheit geruht, welches er angeschaut, in welches er
sich versenkt und nach dessen Aehnlichkeit er seine Kunst
und seine Hand gelenkt habe. Dieses Bild ist aber, wie
sich im Verfolg der Rede ergiebt, nichts Anderes, als die
platonische Idee, von welcher Plato sagt, sie entstehe nicht,
sondern sei immer vorhanden, und werde ratione et in-
tellegentia, in der Vernunft und der Erkenntniss, bewahrt.
Was es also auch sei, worüber auf methodischem Wege ver-
handelt werden solle, (oder, auf unsere Untersuchung ange-
wendet, was in künstlerischer Weise zur Anschauung gebracht
werden soll) das sei immer auf die letzte Form und das Ur-
bild (species) seines Genus zurückzuführen. Welches aber
ist diese letzte Form und dieses Urbild eines griechischen
Gottes, eines Zeus, über welche hinaus nichts Höheres, nichts
Vollendeteres gedacht werden kann? Der Gott ist der Träger
eines geistigen Begriffes. Aber, wie Dio Chrysostomus den
Phidias sagen lässt: kein Bildner oder Maler kann den Geist
an sich darstellen. Wir nehmen daher unsere Zuflucht zu
dem menschlichen Körper als der Hülle des Geistes. Aber
der menschliche Körper ist nichts Absolutes, nichts Vollkom-
menes; er ist fortwährendem Wechsel unterworfen, er gehört
einem Kinde, einem Greise, einem Manne, einem Weibe an;
und in jedem dieser Alter oder Geschlechter kann er sich
einem Absoluten, einer Idee nähern. Auch die griechische
Gottheit ist nicht eine einzige, der Gottbegriff ist in eine Reihe
von Begriffen und Persönlichkeiten zerspalten. Die Kunst hat

1) Or. 2. 3. Nec vero ille artifex, cum faceret Iovis formam aut Minervae,
contemplabatur aliquem e quo similitudinem duceret, sed ipsius in mente insi-
debat species pulchritudinis eximia quaedam, quam intuens in eaque defixus
ad illius similitudinem artem et manum dirigebat. Ut igitur in formis et figuris
est aliquid perfectum et excellens, cuius ad cogitatam speciem imitando referun-
tur ea quae sub oculos ipsa cadunt, sic perfectae eloquentiae speciem animo
videmus, effigiem auribus quaerimus. Harum rerum formas appellat ideas ille
non intellegendi solum, sed etiam dicendi gravissimus auctor et magister, Pla-
to; easque gigni negat et ait semper esse ac ratione et intellegentia con-
tineri, cetera nasci, occidere, fluere, labi, nec diutius esse uno et eodem
aetate. Quidquid est igitur de quo ratione et via disputetur, id est ad ulti-
mam sui generis formam speciemque redigendum.
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[198/0211] deutung, allein zur Bildung eines Ideals können sie allein nicht genügen, sie sind lediglich subjectiv. Schon bestimmter äussert sich Cicero 1), indem er sagt: Phidias habe seinen Zeus nicht irgend einem einzelnen Menschen nachgebildet, sondern in seinem Geiste habe irgend ein vorzügliches Bild der Schönheit geruht, welches er angeschaut, in welches er sich versenkt und nach dessen Aehnlichkeit er seine Kunst und seine Hand gelenkt habe. Dieses Bild ist aber, wie sich im Verfolg der Rede ergiebt, nichts Anderes, als die platonische Idee, von welcher Plato sagt, sie entstehe nicht, sondern sei immer vorhanden, und werde ratione et in- tellegentia, in der Vernunft und der Erkenntniss, bewahrt. Was es also auch sei, worüber auf methodischem Wege ver- handelt werden solle, (oder, auf unsere Untersuchung ange- wendet, was in künstlerischer Weise zur Anschauung gebracht werden soll) das sei immer auf die letzte Form und das Ur- bild (species) seines Genus zurückzuführen. Welches aber ist diese letzte Form und dieses Urbild eines griechischen Gottes, eines Zeus, über welche hinaus nichts Höheres, nichts Vollendeteres gedacht werden kann? Der Gott ist der Träger eines geistigen Begriffes. Aber, wie Dio Chrysostomus den Phidias sagen lässt: kein Bildner oder Maler kann den Geist an sich darstellen. Wir nehmen daher unsere Zuflucht zu dem menschlichen Körper als der Hülle des Geistes. Aber der menschliche Körper ist nichts Absolutes, nichts Vollkom- menes; er ist fortwährendem Wechsel unterworfen, er gehört einem Kinde, einem Greise, einem Manne, einem Weibe an; und in jedem dieser Alter oder Geschlechter kann er sich einem Absoluten, einer Idee nähern. Auch die griechische Gottheit ist nicht eine einzige, der Gottbegriff ist in eine Reihe von Begriffen und Persönlichkeiten zerspalten. Die Kunst hat 1) Or. 2. 3. Nec vero ille artifex, cum faceret Iovis formam aut Minervae, contemplabatur aliquem e quo similitudinem duceret, sed ipsius in mente insi- debat species pulchritudinis eximia quaedam, quam intuens in eaque defixus ad illius similitudinem artem et manum dirigebat. Ut igitur in formis et figuris est aliquid perfectum et excellens, cuius ad cogitatam speciem imitando referun- tur ea quae sub oculos ipsa cadunt, sic perfectae eloquentiae speciem animo videmus, effigiem auribus quaerimus. Harum rerum formas appellat ideas ille non intellegendi solum, sed etiam dicendi gravissimus auctor et magister, Pla- to; easque gigni negat et ait semper esse ac ratione et intellegentia con- tineri, cetera nasci, occidere, fluere, labi, nec diutius esse uno et eodem aetate. Quidquid est igitur de quo ratione et via disputetur, id est ad ulti- mam sui generis formam speciemque redigendum.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/211>, abgerufen am 22.11.2024.