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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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gen 1) nur von etwa 46 Fuss; die des Bildes mussten also
noch geringer sein. Wollen wir nun die Verhältnisse annä-
hernd bestimmen, so wird es nicht unangemessen erscheinen,
wenn wir der Basis und dem Schemel etwa die Höhe geben,
die der Mensch von seiner Länge verliert, wenn er sich auf
einen hohen Sessel niedersetzt, d. i. ungefähr ein Sechstel.
Wäre nun Zeus stehend 42 Fuss hoch, so würde er beim
Sitzen sieben Fuss niedriger sein, von denen wir vier auf die
Basis, drei auf den Schemel vertheilen können. Hätte sich
aber der Gott auf der Basis stehend emporrichten können, so
hätte er die Höhe des Tempels, nämlich 46 Fuss, gehabt.
So erklärt sich auch der Vorwurf, den nach Strabo 2) Einige
dem Phidias darüber machten, dass es scheine, als werde der
Gott, wenn er sich aufrichte, das Dach abdecken müssen.
Natürlich machen die hier aufgestellten Zahlen keinen An-
spruch auf genaue Wahrheit, wie es denn überhaupt rathsam
erscheint, nicht zu sehr in Einzelheiten einzugehen, wo unsere
Quellen kaum so weit reichen, uns ein Bild in allgemeinen
Zügen zu entwerfen. Eben so wenig wage ich, über die
künstlerisch-poetischen Ideen, welche der Wahl des Bilder-
schmuckes zu Grunde liegen mochten, eine Meinung zu äus-
sern, wenn auch die Hoffnung nicht aufgegeben werden darf,
dass es einst noch gelingen werde, wenigstens den leitenden
Gedanken der Composition zu erforschen.

Ein aus vielen Theilen und verschiedenen Stoffen zusam-
mengesetztes Bild ist schon an sich Unfällen leichter ausge-
setzt, als ein einfaches Erz- oder Marmorwerk. Noch dazu
aber war die Altis, wo der Zeus aufgestellt war, durch
Feuchtigkeit und häufigen Temperaturwechsel berüchtigt, der
Zeus also noch besonderer Schutzmittel dagegen bedürftig.
Nach Pausanias und Andern 3) bediente man sich dazu
des Oeles. Dass aber das Bild mit Oel übergossen worden
wäre, oder dass Verdunstung von ringsherum ausgegossenem
Oele den nöthigen Schutz gewährt haben sollte, beruht gewiss
auf irriger Vorstellung. Vielmehr scheint Schubart 4) das
Richtige getroffen zu haben, wenn er behauptet, dass der höl-

1) Exped. scientif. de Moree. T. I, pl. 62 sqq.
2) VIII, p. 353.
3) Me-
thodius bei Photius p. 293 ed. Bekker. Epiphanius adv. haer. lib. II. T. I.
haeres. Origen. LXIV, p. 542 ed. Petav.
4) S. 407--413.

gen 1) nur von etwa 46 Fuss; die des Bildes mussten also
noch geringer sein. Wollen wir nun die Verhältnisse annä-
hernd bestimmen, so wird es nicht unangemessen erscheinen,
wenn wir der Basis und dem Schemel etwa die Höhe geben,
die der Mensch von seiner Länge verliert, wenn er sich auf
einen hohen Sessel niedersetzt, d. i. ungefähr ein Sechstel.
Wäre nun Zeus stehend 42 Fuss hoch, so würde er beim
Sitzen sieben Fuss niedriger sein, von denen wir vier auf die
Basis, drei auf den Schemel vertheilen können. Hätte sich
aber der Gott auf der Basis stehend emporrichten können, so
hätte er die Höhe des Tempels, nämlich 46 Fuss, gehabt.
So erklärt sich auch der Vorwurf, den nach Strabo 2) Einige
dem Phidias darüber machten, dass es scheine, als werde der
Gott, wenn er sich aufrichte, das Dach abdecken müssen.
Natürlich machen die hier aufgestellten Zahlen keinen An-
spruch auf genaue Wahrheit, wie es denn überhaupt rathsam
erscheint, nicht zu sehr in Einzelheiten einzugehen, wo unsere
Quellen kaum so weit reichen, uns ein Bild in allgemeinen
Zügen zu entwerfen. Eben so wenig wage ich, über die
künstlerisch-poetischen Ideen, welche der Wahl des Bilder-
schmuckes zu Grunde liegen mochten, eine Meinung zu äus-
sern, wenn auch die Hoffnung nicht aufgegeben werden darf,
dass es einst noch gelingen werde, wenigstens den leitenden
Gedanken der Composition zu erforschen.

Ein aus vielen Theilen und verschiedenen Stoffen zusam-
mengesetztes Bild ist schon an sich Unfällen leichter ausge-
setzt, als ein einfaches Erz- oder Marmorwerk. Noch dazu
aber war die Altis, wo der Zeus aufgestellt war, durch
Feuchtigkeit und häufigen Temperaturwechsel berüchtigt, der
Zeus also noch besonderer Schutzmittel dagegen bedürftig.
Nach Pausanias und Andern 3) bediente man sich dazu
des Oeles. Dass aber das Bild mit Oel übergossen worden
wäre, oder dass Verdunstung von ringsherum ausgegossenem
Oele den nöthigen Schutz gewährt haben sollte, beruht gewiss
auf irriger Vorstellung. Vielmehr scheint Schubart 4) das
Richtige getroffen zu haben, wenn er behauptet, dass der höl-

1) Expéd. scientif. de Morée. T. I, pl. 62 sqq.
2) VIII, p. 353.
3) Me-
thodius bei Photius p. 293 ed. Bekker. Epiphanius adv. haer. lib. II. T. I.
haeres. Origen. LXIV, p. 542 ed. Petav.
4) S. 407—413.
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[176/0189] gen 1) nur von etwa 46 Fuss; die des Bildes mussten also noch geringer sein. Wollen wir nun die Verhältnisse annä- hernd bestimmen, so wird es nicht unangemessen erscheinen, wenn wir der Basis und dem Schemel etwa die Höhe geben, die der Mensch von seiner Länge verliert, wenn er sich auf einen hohen Sessel niedersetzt, d. i. ungefähr ein Sechstel. Wäre nun Zeus stehend 42 Fuss hoch, so würde er beim Sitzen sieben Fuss niedriger sein, von denen wir vier auf die Basis, drei auf den Schemel vertheilen können. Hätte sich aber der Gott auf der Basis stehend emporrichten können, so hätte er die Höhe des Tempels, nämlich 46 Fuss, gehabt. So erklärt sich auch der Vorwurf, den nach Strabo 2) Einige dem Phidias darüber machten, dass es scheine, als werde der Gott, wenn er sich aufrichte, das Dach abdecken müssen. Natürlich machen die hier aufgestellten Zahlen keinen An- spruch auf genaue Wahrheit, wie es denn überhaupt rathsam erscheint, nicht zu sehr in Einzelheiten einzugehen, wo unsere Quellen kaum so weit reichen, uns ein Bild in allgemeinen Zügen zu entwerfen. Eben so wenig wage ich, über die künstlerisch-poetischen Ideen, welche der Wahl des Bilder- schmuckes zu Grunde liegen mochten, eine Meinung zu äus- sern, wenn auch die Hoffnung nicht aufgegeben werden darf, dass es einst noch gelingen werde, wenigstens den leitenden Gedanken der Composition zu erforschen. Ein aus vielen Theilen und verschiedenen Stoffen zusam- mengesetztes Bild ist schon an sich Unfällen leichter ausge- setzt, als ein einfaches Erz- oder Marmorwerk. Noch dazu aber war die Altis, wo der Zeus aufgestellt war, durch Feuchtigkeit und häufigen Temperaturwechsel berüchtigt, der Zeus also noch besonderer Schutzmittel dagegen bedürftig. Nach Pausanias und Andern 3) bediente man sich dazu des Oeles. Dass aber das Bild mit Oel übergossen worden wäre, oder dass Verdunstung von ringsherum ausgegossenem Oele den nöthigen Schutz gewährt haben sollte, beruht gewiss auf irriger Vorstellung. Vielmehr scheint Schubart 4) das Richtige getroffen zu haben, wenn er behauptet, dass der höl- 1) Expéd. scientif. de Morée. T. I, pl. 62 sqq. 2) VIII, p. 353. 3) Me- thodius bei Photius p. 293 ed. Bekker. Epiphanius adv. haer. lib. II. T. I. haeres. Origen. LXIV, p. 542 ed. Petav. 4) S. 407—413.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/189>, abgerufen am 09.11.2024.