Myron, wie Phidias und Polyklet, Schüler des Ageladas, ist gewöhnlich als der letzte unter diesen behandelt worden. Dass Plinius1) ihn in Ol. 90 setzt, vermag diese Anordnung nicht zu rechtfertigen, indem damit vielmehr der Endpunkt der Thätigkeit des Polyklet als die mittlere Lebenszeit des Myron bezeichnet ist. Sein Wettstreit mit Pythagoras, dessen Ruhm schon lange vor Ol. 80 begründet war, erlaubt es vielmehr, Myron für den ältesten der Schüler des Ageladas zu halten, und die Betrachtung seiner Stellung zur Entwickelung der Kunst wird die Annahme nur noch mehr rechtfertigen. Nähere Angaben über sein Zeitalter besitzen wir trotz vielfacher Er- wähnungen nicht.
Als Vaterstadt des Myron wird von Plinius2) Eleutherae angegeben. Dass Pausanias3) ihn Athener nennt, steht damit nicht geradezu in Widerspruch, da das ursprünglich boeotische Eleutherae sich aus Hass gegen Theben an Attika angeschlos- sen hatte4). -- Seine Werke waren weit zerstreut: von Kleinasien bis nach Sicilien; doch ist deshalb nicht nothwen- dig, auf seine Anwesenheit an allen Orten zu schliessen, da Werke geringeren Umfanges, wie z. B. die sämmtlichen aus Sicilien bekannten, erst nach ihrer Vollendung dorthin gebracht sein konnten. Von seinen äusseren Lebensumständen berichtet nur Petronius5), er sei bei seinem Tode so arm gewesen, dass Niemand seine Erbschaft habe antreten wollen.
Unter seinen Werken begegnen wir zuerst noch einmal:
1) einem Xoanon der Hekate auf Aegina: Paus. II, 30, 2. Bei der Sorgfalt des Pausanias gerade in solchen Ausdrücken müssen wir es für ein Holzbild in der Weise der älteren Kunst halten. Die Göttin war noch in einfacher Gestalt gebildet, da erst Alkamenes die Dreigestalt einführte.
Von Götterbildern werden ferner erwähnt:
2) Apollo, welchen der Triumvir Antonius aus Ephesos entführt, Augustus aber, durch einen Traum gemahnt, zurück- erstattet hatte: Plin. 34, 58.
3) Ein zweiter Apollo, den Verres aus dem Asklepios- tempel zu Agrigent geraubt hatte. Der Name des Myron war
1) 34, 49.
2) 34, 57.
3) VI, 2, 1; 8, 3; 13, 1.
4) Paus. I, 38, 8.
5) c. 88.
Myron.
Myron, wie Phidias und Polyklet, Schüler des Ageladas, ist gewöhnlich als der letzte unter diesen behandelt worden. Dass Plinius1) ihn in Ol. 90 setzt, vermag diese Anordnung nicht zu rechtfertigen, indem damit vielmehr der Endpunkt der Thätigkeit des Polyklet als die mittlere Lebenszeit des Myron bezeichnet ist. Sein Wettstreit mit Pythagoras, dessen Ruhm schon lange vor Ol. 80 begründet war, erlaubt es vielmehr, Myron für den ältesten der Schüler des Ageladas zu halten, und die Betrachtung seiner Stellung zur Entwickelung der Kunst wird die Annahme nur noch mehr rechtfertigen. Nähere Angaben über sein Zeitalter besitzen wir trotz vielfacher Er- wähnungen nicht.
Als Vaterstadt des Myron wird von Plinius2) Eleutherae angegeben. Dass Pausanias3) ihn Athener nennt, steht damit nicht geradezu in Widerspruch, da das ursprünglich boeotische Eleutherae sich aus Hass gegen Theben an Attika angeschlos- sen hatte4). — Seine Werke waren weit zerstreut: von Kleinasien bis nach Sicilien; doch ist deshalb nicht nothwen- dig, auf seine Anwesenheit an allen Orten zu schliessen, da Werke geringeren Umfanges, wie z. B. die sämmtlichen aus Sicilien bekannten, erst nach ihrer Vollendung dorthin gebracht sein konnten. Von seinen äusseren Lebensumständen berichtet nur Petronius5), er sei bei seinem Tode so arm gewesen, dass Niemand seine Erbschaft habe antreten wollen.
Unter seinen Werken begegnen wir zuerst noch einmal:
1) einem Xoanon der Hekate auf Aegina: Paus. II, 30, 2. Bei der Sorgfalt des Pausanias gerade in solchen Ausdrücken müssen wir es für ein Holzbild in der Weise der älteren Kunst halten. Die Göttin war noch in einfacher Gestalt gebildet, da erst Alkamenes die Dreigestalt einführte.
Von Götterbildern werden ferner erwähnt:
2) Apollo, welchen der Triumvir Antonius aus Ephesos entführt, Augustus aber, durch einen Traum gemahnt, zurück- erstattet hatte: Plin. 34, 58.
3) Ein zweiter Apollo, den Verres aus dem Asklepios- tempel zu Agrigent geraubt hatte. Der Name des Myron war
1) 34, 49.
2) 34, 57.
3) VI, 2, 1; 8, 3; 13, 1.
4) Paus. I, 38, 8.
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Myron.
Myron, wie Phidias und Polyklet, Schüler des Ageladas,
ist gewöhnlich als der letzte unter diesen behandelt worden.
Dass Plinius 1) ihn in Ol. 90 setzt, vermag diese Anordnung
nicht zu rechtfertigen, indem damit vielmehr der Endpunkt der
Thätigkeit des Polyklet als die mittlere Lebenszeit des Myron
bezeichnet ist. Sein Wettstreit mit Pythagoras, dessen Ruhm
schon lange vor Ol. 80 begründet war, erlaubt es vielmehr,
Myron für den ältesten der Schüler des Ageladas zu halten,
und die Betrachtung seiner Stellung zur Entwickelung der
Kunst wird die Annahme nur noch mehr rechtfertigen. Nähere
Angaben über sein Zeitalter besitzen wir trotz vielfacher Er-
wähnungen nicht.
Als Vaterstadt des Myron wird von Plinius 2) Eleutherae
angegeben. Dass Pausanias 3) ihn Athener nennt, steht damit
nicht geradezu in Widerspruch, da das ursprünglich boeotische
Eleutherae sich aus Hass gegen Theben an Attika angeschlos-
sen hatte 4). — Seine Werke waren weit zerstreut: von
Kleinasien bis nach Sicilien; doch ist deshalb nicht nothwen-
dig, auf seine Anwesenheit an allen Orten zu schliessen, da
Werke geringeren Umfanges, wie z. B. die sämmtlichen aus
Sicilien bekannten, erst nach ihrer Vollendung dorthin gebracht
sein konnten. Von seinen äusseren Lebensumständen berichtet
nur Petronius 5), er sei bei seinem Tode so arm gewesen, dass
Niemand seine Erbschaft habe antreten wollen.
Unter seinen Werken begegnen wir zuerst noch einmal:
1) einem Xoanon der Hekate auf Aegina: Paus. II, 30, 2.
Bei der Sorgfalt des Pausanias gerade in solchen Ausdrücken
müssen wir es für ein Holzbild in der Weise der älteren Kunst
halten. Die Göttin war noch in einfacher Gestalt gebildet, da
erst Alkamenes die Dreigestalt einführte.
Von Götterbildern werden ferner erwähnt:
2) Apollo, welchen der Triumvir Antonius aus Ephesos
entführt, Augustus aber, durch einen Traum gemahnt, zurück-
erstattet hatte: Plin. 34, 58.
3) Ein zweiter Apollo, den Verres aus dem Asklepios-
tempel zu Agrigent geraubt hatte. Der Name des Myron war
1) 34, 49.
2) 34, 57.
3) VI, 2, 1; 8, 3; 13, 1.
4) Paus. I, 38, 8.
5) c. 88.
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/155>, abgerufen am 24.11.2024.
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