gesprochen werden. Der Höhepunkt der Thätigkeit des Ona- tas aber fällt nach allen übrigen Nachrichten in die 78ste Olym- piade. Wie lange er nachher noch arbeitete, und ob er den Fall seines Vaterlandes Ol. 80, 3 überlebte, sind wir zu be- stimmen ausser Stande.
Die Werke des Onatas theilen sich nach den Gegenstän- den der Darstellung leicht in drei Klassen: Bilder von Göttern, Heroen, und geschichtlichen Personen. Unter den Götterbil- dern ist das eigenthümlichste gewiss:
1) Die Demeter Melaena bei Phigalia in Arkadien. Dort befand sich in alter Zeit ein Holzbild, welches Pausanias (VIII, 42, 3) nach den Berichten der Phigalier also beschreibt: "Die Göttin sass auf einem Steine und war von weiblicher Bildung, mit Ausnahme des Kopfes. Kopf aber und Haar hatte sie von einem Pferde; Bilder von Schlangen und anderem Ge- thier waren an dem Kopfe angewachsen. Sie war mit einem Rock bis auf die Fussspitzen herab bekleidet; in der einen Hand hielt sie einen Delphin, eine Taube in der andern." Die Veranlassung dieser absonderlichen Bildung verschweigt Pausanias absichtlich und sagt nur, sie heisse Melaena, die schwarze, weil sie ein schwarzes Kleid habe. Dieses Bild verbrannte und die Erneuerung desselben, so wie die ganze Verehrung der Göttin, unterblieb so lange, bis bei Misswachs der Felder die Pythia auf Wiederherstellung drang. Jetzt for- derten die Phigalier den Onatas auf, ihnen um jeden Preis ein neues Bild der Göttin zu machen. Damals nun fand dieser Künstler eine Zeichnung oder eine Copie des alten Xoanon, meistens aber, wie man sagt, machte er nach Traumerschei- nungen den Phigaliern ein ehernes Bild. Zu Pausanias Zeit war es nicht mehr vorhanden, und wir haben daher über die Einzelnheiten der Gestalt keine Kunde. Aus seiner Erzählung ergiebt sich aber so viel, dass der Künstler eines Theils den alten Typus beibehielt, andern Theils denselben nach den For- derungen der Kunst seiner Zeit umbildete, welche Freiheit er durch den Vorwand göttlicher Eingebung zu rechtfertigen wusste.
2) Einen ehernen Apollo machte Onatas für die Perga- mener, ganz besonderer Bewunderung werth wegen der Grösse und der Kunst: Paus. VIII, 42, 4. Von einem ehernen Apollo
gesprochen werden. Der Höhepunkt der Thätigkeit des Ona- tas aber fällt nach allen übrigen Nachrichten in die 78ste Olym- piade. Wie lange er nachher noch arbeitete, und ob er den Fall seines Vaterlandes Ol. 80, 3 überlebte, sind wir zu be- stimmen ausser Stande.
Die Werke des Onatas theilen sich nach den Gegenstän- den der Darstellung leicht in drei Klassen: Bilder von Göttern, Heroen, und geschichtlichen Personen. Unter den Götterbil- dern ist das eigenthümlichste gewiss:
1) Die Demeter Melaena bei Phigalia in Arkadien. Dort befand sich in alter Zeit ein Holzbild, welches Pausanias (VIII, 42, 3) nach den Berichten der Phigalier also beschreibt: „Die Göttin sass auf einem Steine und war von weiblicher Bildung, mit Ausnahme des Kopfes. Kopf aber und Haar hatte sie von einem Pferde; Bilder von Schlangen und anderem Ge- thier waren an dem Kopfe angewachsen. Sie war mit einem Rock bis auf die Fussspitzen herab bekleidet; in der einen Hand hielt sie einen Delphin, eine Taube in der andern.” Die Veranlassung dieser absonderlichen Bildung verschweigt Pausanias absichtlich und sagt nur, sie heisse Melaena, die schwarze, weil sie ein schwarzes Kleid habe. Dieses Bild verbrannte und die Erneuerung desselben, so wie die ganze Verehrung der Göttin, unterblieb so lange, bis bei Misswachs der Felder die Pythia auf Wiederherstellung drang. Jetzt for- derten die Phigalier den Onatas auf, ihnen um jeden Preis ein neues Bild der Göttin zu machen. Damals nun fand dieser Künstler eine Zeichnung oder eine Copie des alten Xoanon, meistens aber, wie man sagt, machte er nach Traumerschei- nungen den Phigaliern ein ehernes Bild. Zu Pausanias Zeit war es nicht mehr vorhanden, und wir haben daher über die Einzelnheiten der Gestalt keine Kunde. Aus seiner Erzählung ergiebt sich aber so viel, dass der Künstler eines Theils den alten Typus beibehielt, andern Theils denselben nach den For- derungen der Kunst seiner Zeit umbildete, welche Freiheit er durch den Vorwand göttlicher Eingebung zu rechtfertigen wusste.
2) Einen ehernen Apollo machte Onatas für die Perga- mener, ganz besonderer Bewunderung werth wegen der Grösse und der Kunst: Paus. VIII, 42, 4. Von einem ehernen Apollo
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gesprochen werden. Der Höhepunkt der Thätigkeit des Ona-
tas aber fällt nach allen übrigen Nachrichten in die 78ste Olym-
piade. Wie lange er nachher noch arbeitete, und ob er den
Fall seines Vaterlandes Ol. 80, 3 überlebte, sind wir zu be-
stimmen ausser Stande.
Die Werke des Onatas theilen sich nach den Gegenstän-
den der Darstellung leicht in drei Klassen: Bilder von Göttern,
Heroen, und geschichtlichen Personen. Unter den Götterbil-
dern ist das eigenthümlichste gewiss:
1) Die Demeter Melaena bei Phigalia in Arkadien.
Dort befand sich in alter Zeit ein Holzbild, welches Pausanias
(VIII, 42, 3) nach den Berichten der Phigalier also beschreibt:
„Die Göttin sass auf einem Steine und war von weiblicher
Bildung, mit Ausnahme des Kopfes. Kopf aber und Haar hatte
sie von einem Pferde; Bilder von Schlangen und anderem Ge-
thier waren an dem Kopfe angewachsen. Sie war mit einem
Rock bis auf die Fussspitzen herab bekleidet; in der einen
Hand hielt sie einen Delphin, eine Taube in der andern.”
Die Veranlassung dieser absonderlichen Bildung verschweigt
Pausanias absichtlich und sagt nur, sie heisse Melaena, die
schwarze, weil sie ein schwarzes Kleid habe. Dieses Bild
verbrannte und die Erneuerung desselben, so wie die ganze
Verehrung der Göttin, unterblieb so lange, bis bei Misswachs
der Felder die Pythia auf Wiederherstellung drang. Jetzt for-
derten die Phigalier den Onatas auf, ihnen um jeden Preis ein
neues Bild der Göttin zu machen. Damals nun fand dieser
Künstler eine Zeichnung oder eine Copie des alten Xoanon,
meistens aber, wie man sagt, machte er nach Traumerschei-
nungen den Phigaliern ein ehernes Bild. Zu Pausanias Zeit
war es nicht mehr vorhanden, und wir haben daher über die
Einzelnheiten der Gestalt keine Kunde. Aus seiner Erzählung
ergiebt sich aber so viel, dass der Künstler eines Theils den
alten Typus beibehielt, andern Theils denselben nach den For-
derungen der Kunst seiner Zeit umbildete, welche Freiheit er
durch den Vorwand göttlicher Eingebung zu rechtfertigen
wusste.
2) Einen ehernen Apollo machte Onatas für die Perga-
mener, ganz besonderer Bewunderung werth wegen der Grösse
und der Kunst: Paus. VIII, 42, 4. Von einem ehernen Apollo
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/104>, abgerufen am 24.11.2024.
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