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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Mikythos wieder in Rhegion als Vormund der Kinder des Ty-
rannen Anaxilas; die Eroberung der Messapier war also keine
dauernde. Ferner aber berichtet Aristoteles1), dass in Tarent
in Folge der Besiegung und Tödtung vieler Aristokraten durch
die Japygier (Iepugas Messapious nennt sie Herodot) kurz
nach den Perserkriegen die Aristokratie der Demokratie wei-
chen musste; und Strabo2) bemerkt, dass die Tarentiner einst
übermächtig gewesen seien, als sie demokratisch regiert wur-
den. Auf diese Zeugnisse hin lässt sich wohl die Vermuthung
wagen, dass trotz der grossen Verluste der Staat durch die
veränderte Verfassung nicht nur neue Kräfte, sondern sogar
bald wieder ein Uebergewicht über die Messapier erlangt habe.
War dies der Fall, so mussten, je grösser die Gefahr gewe-
sen, nach wieder erlangtem Siege die Geschenke für die Göt-
ter um so glänzender sein. Zuerst wurden etwa die Peucetier
besiegt, denen die Japygier unter ihrem Könige Opis Hülfe
leisteten, wie in den Werken des Onatas dargestellt war.
Bald nachher mochte dann die förmliche Unterjochung der
schon geschwächten Japygier-Messapier erfolgt sein, auf
deren Verherrlichung sich die Bronzestatuen von Reitern und
gefangenen Frauen, die Werke des Ageladas, bezogen. Diese
ganze Darlegung kann freilich nur den Werth einer Vermu-
thung in Anspruch nehmen; doch ist sie immer noch wahr-
scheinlicher, als die Annahme, dass die Weihgeschenke vor
die grosse Niederlage zu setzen seien. Denn die ganze Art
der Kriegführung einige Zeit vorher, die sich nach Diodor auf
einzelne Anfälle, Plänkeleien und Raubzüge beschränkte,
scheint für die Aufstellung so bedeutender Kunstwerke keine
hinlängliche Veranlassung zu bieten. Man hat entgegnen wol-
len, dass nach der Niederlage die Tarentiner im Bunde mit
den Dauniern und Peucetiern Heraklea gegen die Messapier be-
schützten. Allein ich weiss nicht, nach welchen Zeugnissen
dieser Kampf gerade in diese Zeit fallen soll. Strabo's Worte3)
wenigstens liefern dafür keinen Beweis, während wir aus ihm
sehen, dass Kriege zwischen Messapiern und Tarentinern häufig
wiederkehrten.

Ueber die von Einigen angenommene gemeinschaftliche Thä-
tigkeit des Onatas und Polygnot um Ol. 80 soll weiter unten

1) Polit. V, 3.
2) VI, p. 280.
3) VI, p. 281.

Mikythos wieder in Rhegion als Vormund der Kinder des Ty-
rannen Anaxilas; die Eroberung der Messapier war also keine
dauernde. Ferner aber berichtet Aristoteles1), dass in Tarent
in Folge der Besiegung und Tödtung vieler Aristokraten durch
die Japygier (Ἰήπυγας Μεσσαπίους nennt sie Herodot) kurz
nach den Perserkriegen die Aristokratie der Demokratie wei-
chen musste; und Strabo2) bemerkt, dass die Tarentiner einst
übermächtig gewesen seien, als sie demokratisch regiert wur-
den. Auf diese Zeugnisse hin lässt sich wohl die Vermuthung
wagen, dass trotz der grossen Verluste der Staat durch die
veränderte Verfassung nicht nur neue Kräfte, sondern sogar
bald wieder ein Uebergewicht über die Messapier erlangt habe.
War dies der Fall, so mussten, je grösser die Gefahr gewe-
sen, nach wieder erlangtem Siege die Geschenke für die Göt-
ter um so glänzender sein. Zuerst wurden etwa die Peucetier
besiegt, denen die Japygier unter ihrem Könige Opis Hülfe
leisteten, wie in den Werken des Onatas dargestellt war.
Bald nachher mochte dann die förmliche Unterjochung der
schon geschwächten Japygier-Messapier erfolgt sein, auf
deren Verherrlichung sich die Bronzestatuen von Reitern und
gefangenen Frauen, die Werke des Ageladas, bezogen. Diese
ganze Darlegung kann freilich nur den Werth einer Vermu-
thung in Anspruch nehmen; doch ist sie immer noch wahr-
scheinlicher, als die Annahme, dass die Weihgeschenke vor
die grosse Niederlage zu setzen seien. Denn die ganze Art
der Kriegführung einige Zeit vorher, die sich nach Diodor auf
einzelne Anfälle, Plänkeleien und Raubzüge beschränkte,
scheint für die Aufstellung so bedeutender Kunstwerke keine
hinlängliche Veranlassung zu bieten. Man hat entgegnen wol-
len, dass nach der Niederlage die Tarentiner im Bunde mit
den Dauniern und Peucetiern Heraklea gegen die Messapier be-
schützten. Allein ich weiss nicht, nach welchen Zeugnissen
dieser Kampf gerade in diese Zeit fallen soll. Strabo’s Worte3)
wenigstens liefern dafür keinen Beweis, während wir aus ihm
sehen, dass Kriege zwischen Messapiern und Tarentinern häufig
wiederkehrten.

Ueber die von Einigen angenommene gemeinschaftliche Thä-
tigkeit des Onatas und Polygnot um Ol. 80 soll weiter unten

1) Polit. V, 3.
2) VI, p. 280.
3) VI, p. 281.
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[90/0103] Mikythos wieder in Rhegion als Vormund der Kinder des Ty- rannen Anaxilas; die Eroberung der Messapier war also keine dauernde. Ferner aber berichtet Aristoteles 1), dass in Tarent in Folge der Besiegung und Tödtung vieler Aristokraten durch die Japygier (Ἰήπυγας Μεσσαπίους nennt sie Herodot) kurz nach den Perserkriegen die Aristokratie der Demokratie wei- chen musste; und Strabo 2) bemerkt, dass die Tarentiner einst übermächtig gewesen seien, als sie demokratisch regiert wur- den. Auf diese Zeugnisse hin lässt sich wohl die Vermuthung wagen, dass trotz der grossen Verluste der Staat durch die veränderte Verfassung nicht nur neue Kräfte, sondern sogar bald wieder ein Uebergewicht über die Messapier erlangt habe. War dies der Fall, so mussten, je grösser die Gefahr gewe- sen, nach wieder erlangtem Siege die Geschenke für die Göt- ter um so glänzender sein. Zuerst wurden etwa die Peucetier besiegt, denen die Japygier unter ihrem Könige Opis Hülfe leisteten, wie in den Werken des Onatas dargestellt war. Bald nachher mochte dann die förmliche Unterjochung der schon geschwächten Japygier-Messapier erfolgt sein, auf deren Verherrlichung sich die Bronzestatuen von Reitern und gefangenen Frauen, die Werke des Ageladas, bezogen. Diese ganze Darlegung kann freilich nur den Werth einer Vermu- thung in Anspruch nehmen; doch ist sie immer noch wahr- scheinlicher, als die Annahme, dass die Weihgeschenke vor die grosse Niederlage zu setzen seien. Denn die ganze Art der Kriegführung einige Zeit vorher, die sich nach Diodor auf einzelne Anfälle, Plänkeleien und Raubzüge beschränkte, scheint für die Aufstellung so bedeutender Kunstwerke keine hinlängliche Veranlassung zu bieten. Man hat entgegnen wol- len, dass nach der Niederlage die Tarentiner im Bunde mit den Dauniern und Peucetiern Heraklea gegen die Messapier be- schützten. Allein ich weiss nicht, nach welchen Zeugnissen dieser Kampf gerade in diese Zeit fallen soll. Strabo’s Worte 3) wenigstens liefern dafür keinen Beweis, während wir aus ihm sehen, dass Kriege zwischen Messapiern und Tarentinern häufig wiederkehrten. Ueber die von Einigen angenommene gemeinschaftliche Thä- tigkeit des Onatas und Polygnot um Ol. 80 soll weiter unten 1) Polit. V, 3. 2) VI, p. 280. 3) VI, p. 281.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/103>, abgerufen am 24.11.2024.