Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Pulver daran gethan habe, ohne daß es der Koch ge-
wahr geworden sey, welches ihm dieses Gericht be-
sonders verdächtig gemacht; daher er es für seine
Schuldigkeit gehalten habe, seine Majestät zu war-
nen. Der Czar kam, ohne die geringste Verände-
rung der Miene, und seiner gewöhnlichen Munterkeit
wieder an die Tafel, da denn der Bojar ihm dieses
Gericht empfahl, und sagte, es sey sehr gut. Der
Czar befahl dem Bojaren, sich neben ihm zu setzen,
denn es ist in Moskau gebräuchlich, daß der Herr des
Hauses bey Tische aufwartet, wenn er seine Freunde
bewirthet. Der Czar that hierauf etwas von dem
Gerichte auf einen Teller, und ersuchte ihn, zu essen,
und ihm ein gutes Beyspiel zu geben. Der Bojar
antwortete mit der größten Bestürzung, daß es dem
Diener nicht zukomme, mit seinem Herrn zu essen,
worauf denn der Teller einem Hunde vorgesetzet wur-
de, der dasjenige, was darauf befindlich war, in kur-
zem abräumte, aber auch gleich darauf Verzuckungen
bekam und starb. Der Hund wurde geöffnet, und
als man die Wirkung des Giftes deutlich fand, so
wurde der Bojar so gleich bewacht, aber den nächsten
Morgen in seinem Bette todt gefunden, und dadurch
alle fernere Entdeckung verhindert.

Des Menzikof merkwürdiger Anfang erwarb ihm
gar bald das Zutrauen seines Kaisers, der ihn, da er
einer von den Geringsten und Aermsten war, zu einem
der reichsten Unterthanen des Russischen Reichs mach-
te. Er hatte nicht nur den Titel eines Fürsten in
Rußland, sondern ward auch in den Fürstenstand des
Römischen Reiches erhoben. Er war groß, wohl
gebildet von Person, und hatte viel Verstand. Er

handelte
F 5

Pulver daran gethan habe, ohne daß es der Koch ge-
wahr geworden ſey, welches ihm dieſes Gericht be-
ſonders verdaͤchtig gemacht; daher er es fuͤr ſeine
Schuldigkeit gehalten habe, ſeine Majeſtaͤt zu war-
nen. Der Czar kam, ohne die geringſte Veraͤnde-
rung der Miene, und ſeiner gewoͤhnlichen Munterkeit
wieder an die Tafel, da denn der Bojar ihm dieſes
Gericht empfahl, und ſagte, es ſey ſehr gut. Der
Czar befahl dem Bojaren, ſich neben ihm zu ſetzen,
denn es iſt in Moskau gebraͤuchlich, daß der Herr des
Hauſes bey Tiſche aufwartet, wenn er ſeine Freunde
bewirthet. Der Czar that hierauf etwas von dem
Gerichte auf einen Teller, und erſuchte ihn, zu eſſen,
und ihm ein gutes Beyſpiel zu geben. Der Bojar
antwortete mit der groͤßten Beſtuͤrzung, daß es dem
Diener nicht zukomme, mit ſeinem Herrn zu eſſen,
worauf denn der Teller einem Hunde vorgeſetzet wur-
de, der dasjenige, was darauf befindlich war, in kur-
zem abraͤumte, aber auch gleich darauf Verzuckungen
bekam und ſtarb. Der Hund wurde geoͤffnet, und
als man die Wirkung des Giftes deutlich fand, ſo
wurde der Bojar ſo gleich bewacht, aber den naͤchſten
Morgen in ſeinem Bette todt gefunden, und dadurch
alle fernere Entdeckung verhindert.

Des Menzikof merkwuͤrdiger Anfang erwarb ihm
gar bald das Zutrauen ſeines Kaiſers, der ihn, da er
einer von den Geringſten und Aermſten war, zu einem
der reichſten Unterthanen des Ruſſiſchen Reichs mach-
te. Er hatte nicht nur den Titel eines Fuͤrſten in
Rußland, ſondern ward auch in den Fuͤrſtenſtand des
Roͤmiſchen Reiches erhoben. Er war groß, wohl
gebildet von Perſon, und hatte viel Verſtand. Er

handelte
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="89"/>
Pulver daran gethan habe, ohne daß es der Koch ge-<lb/>
wahr geworden &#x017F;ey, welches ihm die&#x017F;es Gericht be-<lb/>
&#x017F;onders verda&#x0364;chtig gemacht; daher er es fu&#x0364;r &#x017F;eine<lb/>
Schuldigkeit gehalten habe, &#x017F;eine Maje&#x017F;ta&#x0364;t zu war-<lb/>
nen. Der Czar kam, ohne die gering&#x017F;te Vera&#x0364;nde-<lb/>
rung der Miene, und &#x017F;einer gewo&#x0364;hnlichen Munterkeit<lb/>
wieder an die Tafel, da denn der Bojar ihm die&#x017F;es<lb/>
Gericht empfahl, und &#x017F;agte, es &#x017F;ey &#x017F;ehr gut. Der<lb/>
Czar befahl dem Bojaren, &#x017F;ich neben ihm zu &#x017F;etzen,<lb/>
denn es i&#x017F;t in Moskau gebra&#x0364;uchlich, daß der Herr des<lb/>
Hau&#x017F;es bey Ti&#x017F;che aufwartet, wenn er &#x017F;eine Freunde<lb/>
bewirthet. Der Czar that hierauf etwas von dem<lb/>
Gerichte auf einen Teller, und er&#x017F;uchte ihn, zu e&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und ihm ein gutes Bey&#x017F;piel zu geben. Der Bojar<lb/>
antwortete mit der gro&#x0364;ßten Be&#x017F;tu&#x0364;rzung, daß es dem<lb/>
Diener nicht zukomme, mit &#x017F;einem Herrn zu e&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
worauf denn der Teller einem Hunde vorge&#x017F;etzet wur-<lb/>
de, der dasjenige, was darauf befindlich war, in kur-<lb/>
zem abra&#x0364;umte, aber auch gleich darauf Verzuckungen<lb/>
bekam und &#x017F;tarb. Der Hund wurde geo&#x0364;ffnet, und<lb/>
als man die Wirkung des Giftes deutlich fand, &#x017F;o<lb/>
wurde der Bojar &#x017F;o gleich bewacht, aber den na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Morgen in &#x017F;einem Bette todt gefunden, und dadurch<lb/>
alle fernere Entdeckung verhindert.</p><lb/>
        <p>Des Menzikof merkwu&#x0364;rdiger Anfang erwarb ihm<lb/>
gar bald das Zutrauen &#x017F;eines Kai&#x017F;ers, der ihn, da er<lb/>
einer von den Gering&#x017F;ten und Aerm&#x017F;ten war, zu einem<lb/>
der reich&#x017F;ten Unterthanen des Ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Reichs mach-<lb/>
te. Er hatte nicht nur den Titel eines Fu&#x0364;r&#x017F;ten in<lb/>
Rußland, &#x017F;ondern ward auch in den Fu&#x0364;r&#x017F;ten&#x017F;tand des<lb/>
Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Reiches erhoben. Er war groß, wohl<lb/>
gebildet von Per&#x017F;on, und hatte viel Ver&#x017F;tand. Er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 5</fw><fw place="bottom" type="catch">handelte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0099] Pulver daran gethan habe, ohne daß es der Koch ge- wahr geworden ſey, welches ihm dieſes Gericht be- ſonders verdaͤchtig gemacht; daher er es fuͤr ſeine Schuldigkeit gehalten habe, ſeine Majeſtaͤt zu war- nen. Der Czar kam, ohne die geringſte Veraͤnde- rung der Miene, und ſeiner gewoͤhnlichen Munterkeit wieder an die Tafel, da denn der Bojar ihm dieſes Gericht empfahl, und ſagte, es ſey ſehr gut. Der Czar befahl dem Bojaren, ſich neben ihm zu ſetzen, denn es iſt in Moskau gebraͤuchlich, daß der Herr des Hauſes bey Tiſche aufwartet, wenn er ſeine Freunde bewirthet. Der Czar that hierauf etwas von dem Gerichte auf einen Teller, und erſuchte ihn, zu eſſen, und ihm ein gutes Beyſpiel zu geben. Der Bojar antwortete mit der groͤßten Beſtuͤrzung, daß es dem Diener nicht zukomme, mit ſeinem Herrn zu eſſen, worauf denn der Teller einem Hunde vorgeſetzet wur- de, der dasjenige, was darauf befindlich war, in kur- zem abraͤumte, aber auch gleich darauf Verzuckungen bekam und ſtarb. Der Hund wurde geoͤffnet, und als man die Wirkung des Giftes deutlich fand, ſo wurde der Bojar ſo gleich bewacht, aber den naͤchſten Morgen in ſeinem Bette todt gefunden, und dadurch alle fernere Entdeckung verhindert. Des Menzikof merkwuͤrdiger Anfang erwarb ihm gar bald das Zutrauen ſeines Kaiſers, der ihn, da er einer von den Geringſten und Aermſten war, zu einem der reichſten Unterthanen des Ruſſiſchen Reichs mach- te. Er hatte nicht nur den Titel eines Fuͤrſten in Rußland, ſondern ward auch in den Fuͤrſtenſtand des Roͤmiſchen Reiches erhoben. Er war groß, wohl gebildet von Perſon, und hatte viel Verſtand. Er handelte F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/99
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/99>, abgerufen am 04.05.2024.