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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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tern, die, da sie noch sehr jung war, starben, verlies-
sen sie in großer Armuth, daher der Schulmeister sie
aus Mitleiden zu sich in sein Haus nahm, und sie
schreiben lehrte. Als Doctor Glack, ein Geistlicher
aus Marienburg, sie daselbst sahe, so fragte er, wer
sie wäre, und als er erfuhr, daß sie eine arme Waise
sey, die er bloß aus Mitleiden in sein Haus genom-
men habe, so nahm er sie, theils den Schulmeister
von einer Last zu befreyen, die er nicht wohl zu tragen
im Stande war, theils weil ihm die kleine Waise ge-
fiel, mit sich nach Hause, ob er gleich selbst eine zahl-
reiche Familie hatte. Hier hatte sie bessere Gesellschaft
und mehr Gelegenheit, etwas zu lernen, und ihr Be-
tragen war so, daß sie sich bey dem Doctor, seiner
Frau und Kindern zugleich beliebt machte. Jhre an-
haltende, fleißige und sorgfältige Aufmerksamkeit auf
alle ihre häusliche Angelegenheiten, erwarb ihr bey
dem Doctor und dessen Frau eine solche Gunft, daß
sie zwischen ihr und ihren Kindern keinen Unterschied
machten. Sie bezeigte auch hernach allezeit ihre Er-
kenntlichkeit mit der größten Dankbarkeit, indem sie
alle diejenigen reichlich versorgte, die nur einiger Mas-
sen mit dem Doctor verwandt waren. Sie vergaß
sogar ihren ersten Wohlthäter den Schulmeister in
Runghen nicht. Jn diesem glücklichen Zustande wuchs
sie auf, als sich ein Liefländischer Sergeant, der in
Schwedischen Diensten stand, heftig in sie verliebte,
und da sie ihn gleichsalls liebte, so war sie es zufrie-
den ihn zu heirathen, wenn es anders mit des Do-
ctors Bewilligung geschehen könne, der, nachdem er
des Mannes Charakter untersuchet hatte, und nichts
darwider einzuwenden fand, dieselbe ohne Anstand

gab.
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tern, die, da ſie noch ſehr jung war, ſtarben, verlieſ-
ſen ſie in großer Armuth, daher der Schulmeiſter ſie
aus Mitleiden zu ſich in ſein Haus nahm, und ſie
ſchreiben lehrte. Als Doctor Glack, ein Geiſtlicher
aus Marienburg, ſie daſelbſt ſahe, ſo fragte er, wer
ſie waͤre, und als er erfuhr, daß ſie eine arme Waiſe
ſey, die er bloß aus Mitleiden in ſein Haus genom-
men habe, ſo nahm er ſie, theils den Schulmeiſter
von einer Laſt zu befreyen, die er nicht wohl zu tragen
im Stande war, theils weil ihm die kleine Waiſe ge-
fiel, mit ſich nach Hauſe, ob er gleich ſelbſt eine zahl-
reiche Familie hatte. Hier hatte ſie beſſere Geſellſchaft
und mehr Gelegenheit, etwas zu lernen, und ihr Be-
tragen war ſo, daß ſie ſich bey dem Doctor, ſeiner
Frau und Kindern zugleich beliebt machte. Jhre an-
haltende, fleißige und ſorgfaͤltige Aufmerkſamkeit auf
alle ihre haͤusliche Angelegenheiten, erwarb ihr bey
dem Doctor und deſſen Frau eine ſolche Gunft, daß
ſie zwiſchen ihr und ihren Kindern keinen Unterſchied
machten. Sie bezeigte auch hernach allezeit ihre Er-
kenntlichkeit mit der groͤßten Dankbarkeit, indem ſie
alle diejenigen reichlich verſorgte, die nur einiger Maſ-
ſen mit dem Doctor verwandt waren. Sie vergaß
ſogar ihren erſten Wohlthaͤter den Schulmeiſter in
Runghen nicht. Jn dieſem gluͤcklichen Zuſtande wuchs
ſie auf, als ſich ein Lieflaͤndiſcher Sergeant, der in
Schwediſchen Dienſten ſtand, heftig in ſie verliebte,
und da ſie ihn gleichſalls liebte, ſo war ſie es zufrie-
den ihn zu heirathen, wenn es anders mit des Do-
ctors Bewilligung geſchehen koͤnne, der, nachdem er
des Mannes Charakter unterſuchet hatte, und nichts
darwider einzuwenden fand, dieſelbe ohne Anſtand

gab.
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[85/0095] tern, die, da ſie noch ſehr jung war, ſtarben, verlieſ- ſen ſie in großer Armuth, daher der Schulmeiſter ſie aus Mitleiden zu ſich in ſein Haus nahm, und ſie ſchreiben lehrte. Als Doctor Glack, ein Geiſtlicher aus Marienburg, ſie daſelbſt ſahe, ſo fragte er, wer ſie waͤre, und als er erfuhr, daß ſie eine arme Waiſe ſey, die er bloß aus Mitleiden in ſein Haus genom- men habe, ſo nahm er ſie, theils den Schulmeiſter von einer Laſt zu befreyen, die er nicht wohl zu tragen im Stande war, theils weil ihm die kleine Waiſe ge- fiel, mit ſich nach Hauſe, ob er gleich ſelbſt eine zahl- reiche Familie hatte. Hier hatte ſie beſſere Geſellſchaft und mehr Gelegenheit, etwas zu lernen, und ihr Be- tragen war ſo, daß ſie ſich bey dem Doctor, ſeiner Frau und Kindern zugleich beliebt machte. Jhre an- haltende, fleißige und ſorgfaͤltige Aufmerkſamkeit auf alle ihre haͤusliche Angelegenheiten, erwarb ihr bey dem Doctor und deſſen Frau eine ſolche Gunft, daß ſie zwiſchen ihr und ihren Kindern keinen Unterſchied machten. Sie bezeigte auch hernach allezeit ihre Er- kenntlichkeit mit der groͤßten Dankbarkeit, indem ſie alle diejenigen reichlich verſorgte, die nur einiger Maſ- ſen mit dem Doctor verwandt waren. Sie vergaß ſogar ihren erſten Wohlthaͤter den Schulmeiſter in Runghen nicht. Jn dieſem gluͤcklichen Zuſtande wuchs ſie auf, als ſich ein Lieflaͤndiſcher Sergeant, der in Schwediſchen Dienſten ſtand, heftig in ſie verliebte, und da ſie ihn gleichſalls liebte, ſo war ſie es zufrie- den ihn zu heirathen, wenn es anders mit des Do- ctors Bewilligung geſchehen koͤnne, der, nachdem er des Mannes Charakter unterſuchet hatte, und nichts darwider einzuwenden fand, dieſelbe ohne Anſtand gab. F 3

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/95>, abgerufen am 24.11.2024.