gen, und müßte gewiß im Kriege geblieben seyn. Als der General merkte, daß sich die Gesellschaft sehr über sein Verhalten gegen diese Leute wunderte, weil sie glaubte, daß er dieses bloß zum Vergnügen thue, so sagte er: Meine Herren, sie sind beständig neugie- rig gewesen, zu wissen, wer und woher ich sey; ich sage ihnen also, dieses ist mein Geburtsort; und sie haben von meinem ältesten Bruder jetzt gehört, was meine Familie ist. Hierauf wandte er sich zu dem Müller und dessen Frau, umarmte sie zärtlich, und sagte ihnen, daß er ihr Bruder sey, den sie für todt gehalten hätten, und um sie hierinn zu bestätigen, er- zählte er alles, was in der Familie, ehe er sie verlas- sen hatte, vorgegangen war. Der General lud hier- auf die ganze Gesellschaft ein, den folgenden Tag in des Müllers Hause mit ihm zu essen, wo ein herrli- ches Gastgebot veranstaltet war, wobey er ihnen sagte, daß dieses das Haus sey, worinn er sey gebohren wor- den. Der General Bauer beschenkte hierauf alle sei- ne Verwandten reichlich, und schickte des Müllers einzigen Sohn nach Berlin zur Erziehung, aus wel- chem hernach ein vollkommen geschickter Mensch wurde.
Da der General Bauer die Person war, durch deren Vermittelung die Kaiserinn Catharina hernach z[u] so großem Ansehen gelangte, so bringt mich dieses daauf, ihre Geschichte zu erzählen, wie ich sie von de- nen gehöret habe, die sie von ihrer Kindheit an ge- kannt haben.
Herkunft der Kaiserinn Catharina.
Sie war zu Runghen, einem kleinen Dorfe in Liefland, von sehr armen Aeltern, die bloße Bauern oder Vasallen waren, gebohren worden. Jhre Ael-
tern,
gen, und muͤßte gewiß im Kriege geblieben ſeyn. Als der General merkte, daß ſich die Geſellſchaft ſehr uͤber ſein Verhalten gegen dieſe Leute wunderte, weil ſie glaubte, daß er dieſes bloß zum Vergnuͤgen thue, ſo ſagte er: Meine Herren, ſie ſind beſtaͤndig neugie- rig geweſen, zu wiſſen, wer und woher ich ſey; ich ſage ihnen alſo, dieſes iſt mein Geburtsort; und ſie haben von meinem aͤlteſten Bruder jetzt gehoͤrt, was meine Familie iſt. Hierauf wandte er ſich zu dem Muͤller und deſſen Frau, umarmte ſie zaͤrtlich, und ſagte ihnen, daß er ihr Bruder ſey, den ſie fuͤr todt gehalten haͤtten, und um ſie hierinn zu beſtaͤtigen, er- zaͤhlte er alles, was in der Familie, ehe er ſie verlaſ- ſen hatte, vorgegangen war. Der General lud hier- auf die ganze Geſellſchaft ein, den folgenden Tag in des Muͤllers Hauſe mit ihm zu eſſen, wo ein herrli- ches Gaſtgebot veranſtaltet war, wobey er ihnen ſagte, daß dieſes das Haus ſey, worinn er ſey gebohren wor- den. Der General Bauer beſchenkte hierauf alle ſei- ne Verwandten reichlich, und ſchickte des Muͤllers einzigen Sohn nach Berlin zur Erziehung, aus wel- chem hernach ein vollkommen geſchickter Menſch wurde.
Da der General Bauer die Perſon war, durch deren Vermittelung die Kaiſerinn Catharina hernach z[u] ſo großem Anſehen gelangte, ſo bringt mich dieſes daauf, ihre Geſchichte zu erzaͤhlen, wie ich ſie von de- nen gehoͤret habe, die ſie von ihrer Kindheit an ge- kannt haben.
Herkunft der Kaiſerinn Catharina.
Sie war zu Runghen, einem kleinen Dorfe in Liefland, von ſehr armen Aeltern, die bloße Bauern oder Vaſallen waren, gebohren worden. Jhre Ael-
tern,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0094"n="84"/>
gen, und muͤßte gewiß im Kriege geblieben ſeyn.<lb/>
Als der General merkte, daß ſich die Geſellſchaft ſehr<lb/>
uͤber ſein Verhalten gegen dieſe Leute wunderte, weil<lb/>ſie glaubte, daß er dieſes bloß zum Vergnuͤgen thue,<lb/>ſo ſagte er: Meine Herren, ſie ſind beſtaͤndig neugie-<lb/>
rig geweſen, zu wiſſen, wer und woher ich ſey; ich<lb/>ſage ihnen alſo, dieſes iſt mein Geburtsort; und ſie<lb/>
haben von meinem aͤlteſten Bruder jetzt gehoͤrt, was<lb/>
meine Familie iſt. Hierauf wandte er ſich zu dem<lb/>
Muͤller und deſſen Frau, umarmte ſie zaͤrtlich, und<lb/>ſagte ihnen, daß er ihr Bruder ſey, den ſie fuͤr todt<lb/>
gehalten haͤtten, und um ſie hierinn zu beſtaͤtigen, er-<lb/>
zaͤhlte er alles, was in der Familie, ehe er ſie verlaſ-<lb/>ſen hatte, vorgegangen war. Der General lud hier-<lb/>
auf die ganze Geſellſchaft ein, den folgenden Tag in<lb/>
des Muͤllers Hauſe mit ihm zu eſſen, wo ein herrli-<lb/>
ches Gaſtgebot veranſtaltet war, wobey er ihnen ſagte,<lb/>
daß dieſes das Haus ſey, worinn er ſey gebohren wor-<lb/>
den. Der General Bauer beſchenkte hierauf alle ſei-<lb/>
ne Verwandten reichlich, und ſchickte des Muͤllers<lb/>
einzigen Sohn nach Berlin zur Erziehung, aus wel-<lb/>
chem hernach ein vollkommen geſchickter Menſch<lb/>
wurde.</p><lb/><p>Da der General Bauer die Perſon war, durch<lb/>
deren Vermittelung die Kaiſerinn Catharina hernach<lb/>
z<supplied>u</supplied>ſo großem Anſehen gelangte, ſo bringt mich dieſes<lb/>
daauf, ihre Geſchichte zu erzaͤhlen, wie ich ſie von de-<lb/>
nen gehoͤret habe, die ſie von ihrer Kindheit an ge-<lb/>
kannt haben.</p><lb/><noteplace="left">Herkunft der<lb/>
Kaiſerinn<lb/>
Catharina.</note><p>Sie war zu Runghen, einem kleinen Dorfe in<lb/>
Liefland, von ſehr armen Aeltern, die bloße Bauern<lb/>
oder Vaſallen waren, gebohren worden. Jhre Ael-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">tern,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[84/0094]
gen, und muͤßte gewiß im Kriege geblieben ſeyn.
Als der General merkte, daß ſich die Geſellſchaft ſehr
uͤber ſein Verhalten gegen dieſe Leute wunderte, weil
ſie glaubte, daß er dieſes bloß zum Vergnuͤgen thue,
ſo ſagte er: Meine Herren, ſie ſind beſtaͤndig neugie-
rig geweſen, zu wiſſen, wer und woher ich ſey; ich
ſage ihnen alſo, dieſes iſt mein Geburtsort; und ſie
haben von meinem aͤlteſten Bruder jetzt gehoͤrt, was
meine Familie iſt. Hierauf wandte er ſich zu dem
Muͤller und deſſen Frau, umarmte ſie zaͤrtlich, und
ſagte ihnen, daß er ihr Bruder ſey, den ſie fuͤr todt
gehalten haͤtten, und um ſie hierinn zu beſtaͤtigen, er-
zaͤhlte er alles, was in der Familie, ehe er ſie verlaſ-
ſen hatte, vorgegangen war. Der General lud hier-
auf die ganze Geſellſchaft ein, den folgenden Tag in
des Muͤllers Hauſe mit ihm zu eſſen, wo ein herrli-
ches Gaſtgebot veranſtaltet war, wobey er ihnen ſagte,
daß dieſes das Haus ſey, worinn er ſey gebohren wor-
den. Der General Bauer beſchenkte hierauf alle ſei-
ne Verwandten reichlich, und ſchickte des Muͤllers
einzigen Sohn nach Berlin zur Erziehung, aus wel-
chem hernach ein vollkommen geſchickter Menſch
wurde.
Da der General Bauer die Perſon war, durch
deren Vermittelung die Kaiſerinn Catharina hernach
zu ſo großem Anſehen gelangte, ſo bringt mich dieſes
daauf, ihre Geſchichte zu erzaͤhlen, wie ich ſie von de-
nen gehoͤret habe, die ſie von ihrer Kindheit an ge-
kannt haben.
Sie war zu Runghen, einem kleinen Dorfe in
Liefland, von ſehr armen Aeltern, die bloße Bauern
oder Vaſallen waren, gebohren worden. Jhre Ael-
tern,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/94>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.