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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

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gegangen sey. Da sie nun damals schwanger ge-
wesen, und die Stunde ihrer Gebährung gekommen
sey, so habe sie das Kind zur Welt gebracht. Weil
sie sehr krank gewesen, so habe sie nicht gewußt, wie
ihr das Kind sey entwendet worden; als sie aber er-
zählen hörte, daß öfters ein wildes Mädchen im
Holze gesehen würde, so sagte sie allezeit, daß es
kein anderes als ihr verlohrnes Kind seyn könne.

Man hatte viele Versuche gemacht, sie zu fan-
gen, die aber insgesammt vergeblich waren, weil sie
so geschwinde auf den Beinen war, daß niemand
sie einholen konnte. Als dieses der Kaiser erfuhr,
schiedte er dem Gouverneur Befehl, das ganze Volk
in der Gegend aufzubiethen, den Wald zu besetzen
und mit Netzen einzuschließen, mit welchen sie die
Rehe fangen; auf diese Art wurde sie unbeschädi-
get gefangen. Das Mädchen wurde sogleich un-
ter der Aufsicht ihrer vermeynten Mutter nach Mos-
kau abgeschickt, wo ich sie auch hernach gesehen habe.
Sie war schwärzlich vom Gesichte, und man sagte
mir, daß sie stark mit Haaren bewachsen sey; sie
war sehr scheu, wollte sich nicht sehen lassen, saß je-
derzeit in einem Winkel und zitterte, wenn ihr je-
mand nahe kam. Es wurde durchgängig geglaubt,
daß sie von einer Bärinn gesäuget worden, wie sie
sich aber hernach erhalten hat, das wird so lange
ein Geheimniß bleiben, bis sie reden und es erzäh-
len lernt.

Nachdem ich eine Bedeckung von 20 Kosaken
erhalten hatte, die mich 70 Werste bis nach Sa-
ranski begleiten sollten, und meine Reisegefährten
Willens waren, noch einige Zeit hier zu bleiben, so

reisete

gegangen ſey. Da ſie nun damals ſchwanger ge-
weſen, und die Stunde ihrer Gebaͤhrung gekommen
ſey, ſo habe ſie das Kind zur Welt gebracht. Weil
ſie ſehr krank geweſen, ſo habe ſie nicht gewußt, wie
ihr das Kind ſey entwendet worden; als ſie aber er-
zaͤhlen hoͤrte, daß oͤfters ein wildes Maͤdchen im
Holze geſehen wuͤrde, ſo ſagte ſie allezeit, daß es
kein anderes als ihr verlohrnes Kind ſeyn koͤnne.

Man hatte viele Verſuche gemacht, ſie zu fan-
gen, die aber insgeſammt vergeblich waren, weil ſie
ſo geſchwinde auf den Beinen war, daß niemand
ſie einholen konnte. Als dieſes der Kaiſer erfuhr,
ſchiedte er dem Gouverneur Befehl, das ganze Volk
in der Gegend aufzubiethen, den Wald zu beſetzen
und mit Netzen einzuſchließen, mit welchen ſie die
Rehe fangen; auf dieſe Art wurde ſie unbeſchaͤdi-
get gefangen. Das Maͤdchen wurde ſogleich un-
ter der Aufſicht ihrer vermeynten Mutter nach Mos-
kau abgeſchickt, wo ich ſie auch hernach geſehen habe.
Sie war ſchwaͤrzlich vom Geſichte, und man ſagte
mir, daß ſie ſtark mit Haaren bewachſen ſey; ſie
war ſehr ſcheu, wollte ſich nicht ſehen laſſen, ſaß je-
derzeit in einem Winkel und zitterte, wenn ihr je-
mand nahe kam. Es wurde durchgaͤngig geglaubt,
daß ſie von einer Baͤrinn geſaͤuget worden, wie ſie
ſich aber hernach erhalten hat, das wird ſo lange
ein Geheimniß bleiben, bis ſie reden und es erzaͤh-
len lernt.

Nachdem ich eine Bedeckung von 20 Koſaken
erhalten hatte, die mich 70 Werſte bis nach Sa-
ranski begleiten ſollten, und meine Reiſegefaͤhrten
Willens waren, noch einige Zeit hier zu bleiben, ſo

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[404/0414] gegangen ſey. Da ſie nun damals ſchwanger ge- weſen, und die Stunde ihrer Gebaͤhrung gekommen ſey, ſo habe ſie das Kind zur Welt gebracht. Weil ſie ſehr krank geweſen, ſo habe ſie nicht gewußt, wie ihr das Kind ſey entwendet worden; als ſie aber er- zaͤhlen hoͤrte, daß oͤfters ein wildes Maͤdchen im Holze geſehen wuͤrde, ſo ſagte ſie allezeit, daß es kein anderes als ihr verlohrnes Kind ſeyn koͤnne. Man hatte viele Verſuche gemacht, ſie zu fan- gen, die aber insgeſammt vergeblich waren, weil ſie ſo geſchwinde auf den Beinen war, daß niemand ſie einholen konnte. Als dieſes der Kaiſer erfuhr, ſchiedte er dem Gouverneur Befehl, das ganze Volk in der Gegend aufzubiethen, den Wald zu beſetzen und mit Netzen einzuſchließen, mit welchen ſie die Rehe fangen; auf dieſe Art wurde ſie unbeſchaͤdi- get gefangen. Das Maͤdchen wurde ſogleich un- ter der Aufſicht ihrer vermeynten Mutter nach Mos- kau abgeſchickt, wo ich ſie auch hernach geſehen habe. Sie war ſchwaͤrzlich vom Geſichte, und man ſagte mir, daß ſie ſtark mit Haaren bewachſen ſey; ſie war ſehr ſcheu, wollte ſich nicht ſehen laſſen, ſaß je- derzeit in einem Winkel und zitterte, wenn ihr je- mand nahe kam. Es wurde durchgaͤngig geglaubt, daß ſie von einer Baͤrinn geſaͤuget worden, wie ſie ſich aber hernach erhalten hat, das wird ſo lange ein Geheimniß bleiben, bis ſie reden und es erzaͤh- len lernt. Nachdem ich eine Bedeckung von 20 Koſaken erhalten hatte, die mich 70 Werſte bis nach Sa- ranski begleiten ſollten, und meine Reiſegefaͤhrten Willens waren, noch einige Zeit hier zu bleiben, ſo reiſete

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Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/414>, abgerufen am 22.11.2024.