Die Einwohner erzählten von sich folgendes: Jn den sehr unruhigen Zeiten, nach dem Tode des Czars Jwan Wasilewitz, des Tyrannen, bis zu der Re- gierung des Czars Michael Feodorewitz, (des jetzigen Kaisers Großvater,) hatten sich eine große Anzahl Räuber versammelt, und große Verwüstungen im Lande angerichtet. Jhr Anführer war ein abgedank- ter Oberster und erfahrner Officier; sie waren in ihren Räubereyen so verwegen, daß der Czar Mi- chael Feodorewitz nöthig fand, starke Detaschements von Soldaten abzuschicken, die aber von den Räu- bern angegriffen und geschlagen wurden. Hierauf setzte der Czar eine große Belohnung auf die Köpfe ihrer Anführer, und versprach allen übrigen Pardon. Da sich nun die Anführer fürchteten, daß sie von ih- ren eigenen Anhängern möchten verrathen werden, so beschlossen sie, eine Generalplünderung zu unter- nehmen, welches sie auch thaten, sehr vieles Korn, Pferde, Vieh, alle Arten von Feldgeräthe, und so viel Weiber als sie bekommen konnten, wegnahmen, und sich in diese unwegsamen Gehölze begaben, wo sie sich niederließen, den Boden reinigten, bebauten, und seit der Zeit nach ihren eigenen Gesetzen daselbst lebten, ohne daß sie jemanden mehr beschwerlich ge- wesen oder den geringsten Umgang mit einigen von ih- ren entfernten Nachbarn gehabt hätten.
Jch erfuhr auch, daß ein wildes Mädchen vonEin wildes Mädchen. ohngefähr 18 Jahren unlängst in der Gegend von dieser Stadt war gefangen worden. Eine Frau, die daselbst wohnte, sagte, es sey ihr Kind, und führte zum Beweise an, daß sie vor ohngefähr 18 Jahren eine kranke Schwester zu besuchen durch dieses Holz
gegangen
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Die Einwohner erzaͤhlten von ſich folgendes: Jn den ſehr unruhigen Zeiten, nach dem Tode des Czars Jwan Waſilewitz, des Tyrannen, bis zu der Re- gierung des Czars Michael Feodorewitz, (des jetzigen Kaiſers Großvater,) hatten ſich eine große Anzahl Raͤuber verſammelt, und große Verwuͤſtungen im Lande angerichtet. Jhr Anfuͤhrer war ein abgedank- ter Oberſter und erfahrner Officier; ſie waren in ihren Raͤubereyen ſo verwegen, daß der Czar Mi- chael Feodorewitz noͤthig fand, ſtarke Detaſchements von Soldaten abzuſchicken, die aber von den Raͤu- bern angegriffen und geſchlagen wurden. Hierauf ſetzte der Czar eine große Belohnung auf die Koͤpfe ihrer Anfuͤhrer, und verſprach allen uͤbrigen Pardon. Da ſich nun die Anfuͤhrer fuͤrchteten, daß ſie von ih- ren eigenen Anhaͤngern moͤchten verrathen werden, ſo beſchloſſen ſie, eine Generalpluͤnderung zu unter- nehmen, welches ſie auch thaten, ſehr vieles Korn, Pferde, Vieh, alle Arten von Feldgeraͤthe, und ſo viel Weiber als ſie bekommen konnten, wegnahmen, und ſich in dieſe unwegſamen Gehoͤlze begaben, wo ſie ſich niederließen, den Boden reinigten, bebauten, und ſeit der Zeit nach ihren eigenen Geſetzen daſelbſt lebten, ohne daß ſie jemanden mehr beſchwerlich ge- weſen oder den geringſten Umgang mit einigen von ih- ren entfernten Nachbarn gehabt haͤtten.
Jch erfuhr auch, daß ein wildes Maͤdchen vonEin wildes Maͤdchen. ohngefaͤhr 18 Jahren unlaͤngſt in der Gegend von dieſer Stadt war gefangen worden. Eine Frau, die daſelbſt wohnte, ſagte, es ſey ihr Kind, und fuͤhrte zum Beweiſe an, daß ſie vor ohngefaͤhr 18 Jahren eine kranke Schweſter zu beſuchen durch dieſes Holz
gegangen
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Die Einwohner erzaͤhlten von ſich folgendes: Jn
den ſehr unruhigen Zeiten, nach dem Tode des Czars
Jwan Waſilewitz, des Tyrannen, bis zu der Re-
gierung des Czars Michael Feodorewitz, (des jetzigen
Kaiſers Großvater,) hatten ſich eine große Anzahl
Raͤuber verſammelt, und große Verwuͤſtungen im
Lande angerichtet. Jhr Anfuͤhrer war ein abgedank-
ter Oberſter und erfahrner Officier; ſie waren in
ihren Raͤubereyen ſo verwegen, daß der Czar Mi-
chael Feodorewitz noͤthig fand, ſtarke Detaſchements
von Soldaten abzuſchicken, die aber von den Raͤu-
bern angegriffen und geſchlagen wurden. Hierauf
ſetzte der Czar eine große Belohnung auf die Koͤpfe
ihrer Anfuͤhrer, und verſprach allen uͤbrigen Pardon.
Da ſich nun die Anfuͤhrer fuͤrchteten, daß ſie von ih-
ren eigenen Anhaͤngern moͤchten verrathen werden,
ſo beſchloſſen ſie, eine Generalpluͤnderung zu unter-
nehmen, welches ſie auch thaten, ſehr vieles Korn,
Pferde, Vieh, alle Arten von Feldgeraͤthe, und ſo
viel Weiber als ſie bekommen konnten, wegnahmen,
und ſich in dieſe unwegſamen Gehoͤlze begaben, wo
ſie ſich niederließen, den Boden reinigten, bebauten,
und ſeit der Zeit nach ihren eigenen Geſetzen daſelbſt
lebten, ohne daß ſie jemanden mehr beſchwerlich ge-
weſen oder den geringſten Umgang mit einigen von ih-
ren entfernten Nachbarn gehabt haͤtten.
Jch erfuhr auch, daß ein wildes Maͤdchen von
ohngefaͤhr 18 Jahren unlaͤngſt in der Gegend von
dieſer Stadt war gefangen worden. Eine Frau, die
daſelbſt wohnte, ſagte, es ſey ihr Kind, und fuͤhrte
zum Beweiſe an, daß ſie vor ohngefaͤhr 18 Jahren
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Ein wildes
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Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/413>, abgerufen am 22.11.2024.
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