Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

Wunde, daher sie sich auch vor dem Feuergewehre
sehr fürchten. Jhr Gewehr bestehet in einem Säbel,
einer Lanze, Bogen und Pfeilen; sie fangen aber
schon an, sich der Feuergewehre zu bedienen, welche
sie mit der Zeit furchtbarer machen werden. Jhr
Vieh ist groß; ihre Schaafe sind von der größten
Art, und haben große fette Schwänze, die 26 bis
30 Pfund wiegen. Jhre Ohren hängen herunter
wie bey unsern Hunden; sie haben anstatt der Wolle
weiches krauses Haar, daher ihre Häute insgesammt
zu Futtern unter die Kleider gebraucht werden. Jh-
re Pferde sind klein und haben ein schlechtes Ansehen,
sind aber flüchtig, munter und stark; viele gehen von
Natur einen Paß, und trottiren unglaublich geschwin-
de. Sie essen Kameele, Kühe und Schaafe, ziehen
aber das Pferdefleisch allen andern vor.

Sie sind in ihrer Einbildung die glücklichsten
Menschen von der Welt, weil sie sich mit keiner Ar-
beit ermüden, sondern sich mit Fischen und Jagen
vergnügen. Jch kann mir auch nichts angenehmers
vorstellen, als ihre Lebensart im Sommer; allein im
Winter müssen sie sich über den Fluß begeben, und
auf der dürren Ebene von Astrakan wohnen, wo sie
nichts als den Mist ihres Viehes zu brennen haben,
und das Vieh bey dem wenigen Grafe einer unfrucht-
baren Wüsteney beynahe verhungert. Hier bleiben
sie bis auf den Frühling, da ihre vorige Wohnung,
auf der östlichen Seite des Flusses, fast einen ganzen
Monat von dem geschmolzenen Schneewasser über-
schwemmt ist, und ihr Land wie eine mit Bäumen
bewachsene See aussiehet. Sobald dieses Wasser
fällt, gehen sie mit vieler Freude zurück, lassen ihre

beladenen

Wunde, daher ſie ſich auch vor dem Feuergewehre
ſehr fuͤrchten. Jhr Gewehr beſtehet in einem Saͤbel,
einer Lanze, Bogen und Pfeilen; ſie fangen aber
ſchon an, ſich der Feuergewehre zu bedienen, welche
ſie mit der Zeit furchtbarer machen werden. Jhr
Vieh iſt groß; ihre Schaafe ſind von der groͤßten
Art, und haben große fette Schwaͤnze, die 26 bis
30 Pfund wiegen. Jhre Ohren haͤngen herunter
wie bey unſern Hunden; ſie haben anſtatt der Wolle
weiches krauſes Haar, daher ihre Haͤute insgeſammt
zu Futtern unter die Kleider gebraucht werden. Jh-
re Pferde ſind klein und haben ein ſchlechtes Anſehen,
ſind aber fluͤchtig, munter und ſtark; viele gehen von
Natur einen Paß, und trottiren unglaublich geſchwin-
de. Sie eſſen Kameele, Kuͤhe und Schaafe, ziehen
aber das Pferdefleiſch allen andern vor.

Sie ſind in ihrer Einbildung die gluͤcklichſten
Menſchen von der Welt, weil ſie ſich mit keiner Ar-
beit ermuͤden, ſondern ſich mit Fiſchen und Jagen
vergnuͤgen. Jch kann mir auch nichts angenehmers
vorſtellen, als ihre Lebensart im Sommer; allein im
Winter muͤſſen ſie ſich uͤber den Fluß begeben, und
auf der duͤrren Ebene von Aſtrakan wohnen, wo ſie
nichts als den Miſt ihres Viehes zu brennen haben,
und das Vieh bey dem wenigen Grafe einer unfrucht-
baren Wuͤſteney beynahe verhungert. Hier bleiben
ſie bis auf den Fruͤhling, da ihre vorige Wohnung,
auf der oͤſtlichen Seite des Fluſſes, faſt einen ganzen
Monat von dem geſchmolzenen Schneewaſſer uͤber-
ſchwemmt iſt, und ihr Land wie eine mit Baͤumen
bewachſene See ausſiehet. Sobald dieſes Waſſer
faͤllt, gehen ſie mit vieler Freude zuruͤck, laſſen ihre

beladenen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0295" n="285"/>
Wunde, daher &#x017F;ie &#x017F;ich auch vor dem Feuergewehre<lb/>
&#x017F;ehr fu&#x0364;rchten. Jhr Gewehr be&#x017F;tehet in einem Sa&#x0364;bel,<lb/>
einer Lanze, Bogen und Pfeilen; &#x017F;ie fangen aber<lb/>
&#x017F;chon an, &#x017F;ich der Feuergewehre zu bedienen, welche<lb/>
&#x017F;ie mit der Zeit furchtbarer machen werden. Jhr<lb/>
Vieh i&#x017F;t groß; ihre Schaafe &#x017F;ind von der gro&#x0364;ßten<lb/>
Art, und haben große fette Schwa&#x0364;nze, die 26 bis<lb/>
30 Pfund wiegen. Jhre Ohren ha&#x0364;ngen herunter<lb/>
wie bey un&#x017F;ern Hunden; &#x017F;ie haben an&#x017F;tatt der Wolle<lb/>
weiches krau&#x017F;es Haar, daher ihre Ha&#x0364;ute insge&#x017F;ammt<lb/>
zu Futtern unter die Kleider gebraucht werden. Jh-<lb/>
re Pferde &#x017F;ind klein und haben ein &#x017F;chlechtes An&#x017F;ehen,<lb/>
&#x017F;ind aber flu&#x0364;chtig, munter und &#x017F;tark; viele gehen von<lb/>
Natur einen Paß, und trottiren unglaublich ge&#x017F;chwin-<lb/>
de. Sie e&#x017F;&#x017F;en Kameele, Ku&#x0364;he und Schaafe, ziehen<lb/>
aber das Pferdeflei&#x017F;ch allen andern vor.</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;ind in ihrer Einbildung die glu&#x0364;cklich&#x017F;ten<lb/>
Men&#x017F;chen von der Welt, weil &#x017F;ie &#x017F;ich mit keiner Ar-<lb/>
beit ermu&#x0364;den, &#x017F;ondern &#x017F;ich mit Fi&#x017F;chen und Jagen<lb/>
vergnu&#x0364;gen. Jch kann mir auch nichts angenehmers<lb/>
vor&#x017F;tellen, als ihre Lebensart im Sommer; allein im<lb/>
Winter mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber den Fluß begeben, und<lb/>
auf der du&#x0364;rren Ebene von A&#x017F;trakan wohnen, wo &#x017F;ie<lb/>
nichts als den Mi&#x017F;t ihres Viehes zu brennen haben,<lb/>
und das Vieh bey dem wenigen Grafe einer unfrucht-<lb/>
baren Wu&#x0364;&#x017F;teney beynahe verhungert. Hier bleiben<lb/>
&#x017F;ie bis auf den Fru&#x0364;hling, da ihre vorige Wohnung,<lb/>
auf der o&#x0364;&#x017F;tlichen Seite des Flu&#x017F;&#x017F;es, fa&#x017F;t einen ganzen<lb/>
Monat von dem ge&#x017F;chmolzenen Schneewa&#x017F;&#x017F;er u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chwemmt i&#x017F;t, und ihr Land wie eine mit Ba&#x0364;umen<lb/>
bewach&#x017F;ene See aus&#x017F;iehet. Sobald die&#x017F;es Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
fa&#x0364;llt, gehen &#x017F;ie mit vieler Freude zuru&#x0364;ck, la&#x017F;&#x017F;en ihre<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">beladenen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0295] Wunde, daher ſie ſich auch vor dem Feuergewehre ſehr fuͤrchten. Jhr Gewehr beſtehet in einem Saͤbel, einer Lanze, Bogen und Pfeilen; ſie fangen aber ſchon an, ſich der Feuergewehre zu bedienen, welche ſie mit der Zeit furchtbarer machen werden. Jhr Vieh iſt groß; ihre Schaafe ſind von der groͤßten Art, und haben große fette Schwaͤnze, die 26 bis 30 Pfund wiegen. Jhre Ohren haͤngen herunter wie bey unſern Hunden; ſie haben anſtatt der Wolle weiches krauſes Haar, daher ihre Haͤute insgeſammt zu Futtern unter die Kleider gebraucht werden. Jh- re Pferde ſind klein und haben ein ſchlechtes Anſehen, ſind aber fluͤchtig, munter und ſtark; viele gehen von Natur einen Paß, und trottiren unglaublich geſchwin- de. Sie eſſen Kameele, Kuͤhe und Schaafe, ziehen aber das Pferdefleiſch allen andern vor. Sie ſind in ihrer Einbildung die gluͤcklichſten Menſchen von der Welt, weil ſie ſich mit keiner Ar- beit ermuͤden, ſondern ſich mit Fiſchen und Jagen vergnuͤgen. Jch kann mir auch nichts angenehmers vorſtellen, als ihre Lebensart im Sommer; allein im Winter muͤſſen ſie ſich uͤber den Fluß begeben, und auf der duͤrren Ebene von Aſtrakan wohnen, wo ſie nichts als den Miſt ihres Viehes zu brennen haben, und das Vieh bey dem wenigen Grafe einer unfrucht- baren Wuͤſteney beynahe verhungert. Hier bleiben ſie bis auf den Fruͤhling, da ihre vorige Wohnung, auf der oͤſtlichen Seite des Fluſſes, faſt einen ganzen Monat von dem geſchmolzenen Schneewaſſer uͤber- ſchwemmt iſt, und ihr Land wie eine mit Baͤumen bewachſene See ausſiehet. Sobald dieſes Waſſer faͤllt, gehen ſie mit vieler Freude zuruͤck, laſſen ihre beladenen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/295
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/295>, abgerufen am 22.11.2024.