Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite

wider ihn bewies. Der Fürst, der bisher nicht
wußte, daß sein Secretair sein Angeber sey, wurde
so bestürzt, daß er auf die Knie niederfiel, und sagte,
daß er ein verstockter Sünder gewesen, und keine
Gnade verdiene.

Dieses unverantwortliche Bezeigen des Fürsten
Gagarin, nachdem er völlig Pardon erhalten hatte, setz-
te jedermann in großes Erstaunen; einige hielten ihn
für unsinnig, andere glaubten, daß er sich geschämet,
vor der ganzen Welt so öffentlich zu bekennen, daß er
so schreckliche Verbrechen begangen habe, indem er
beständig für einen frommen und tugendhaften Mann
war gehalten worden. Er war in einem hohen Gra-
de mildthätig, und die Gefangenen in Siberien ver-
loren einen sehr warmen Freund an ihm, besonders
aber die Schwedischen Officiers, die seine Freygebig-
keit gegen sie nicht genugsam erheben konnten. Bey
seiner Ankunft in Petersburg war er mit seinen Ge-
schenken sehr verschwenderisch, besonders gegen die
Czarinn, der er einige nicht nur seltene sondern auch
kostbare Gefchenke machte, wie er es denn auch dem
mächtigen Vorspruche dieser Dame zu danken hatte,
daß er Pardon erhielt. Nachdem er aber den Czar
so öffentlich im vollen Senate beschimpfet hatte, un-
terstand sich niemand mehr, ein einziges Wort für
ihn zu reden. Der Czar, der im höchsten Grade
wider den Fürsten aufgebracht war, befahl daher,
daß, nach dem Beyspiele Hamans, ein 50 Ellen
hoher Galgen vor dem Senathause aufgerichtet wer-
den, und er in Gegenwart aller Senatoren, unter
welchen er mit den meisten verwandt oder auf andere
Art verbunden war, daran gehänget werden sollte.

Sein

wider ihn bewies. Der Fuͤrſt, der bisher nicht
wußte, daß ſein Secretair ſein Angeber ſey, wurde
ſo beſtuͤrzt, daß er auf die Knie niederfiel, und ſagte,
daß er ein verſtockter Suͤnder geweſen, und keine
Gnade verdiene.

Dieſes unverantwortliche Bezeigen des Fuͤrſten
Gagarin, nachdem er voͤllig Pardon erhalten hatte, ſetz-
te jedermann in großes Erſtaunen; einige hielten ihn
fuͤr unſinnig, andere glaubten, daß er ſich geſchaͤmet,
vor der ganzen Welt ſo oͤffentlich zu bekennen, daß er
ſo ſchreckliche Verbrechen begangen habe, indem er
beſtaͤndig fuͤr einen frommen und tugendhaften Mann
war gehalten worden. Er war in einem hohen Gra-
de mildthaͤtig, und die Gefangenen in Siberien ver-
loren einen ſehr warmen Freund an ihm, beſonders
aber die Schwediſchen Officiers, die ſeine Freygebig-
keit gegen ſie nicht genugſam erheben konnten. Bey
ſeiner Ankunft in Petersburg war er mit ſeinen Ge-
ſchenken ſehr verſchwenderiſch, beſonders gegen die
Czarinn, der er einige nicht nur ſeltene ſondern auch
koſtbare Gefchenke machte, wie er es denn auch dem
maͤchtigen Vorſpruche dieſer Dame zu danken hatte,
daß er Pardon erhielt. Nachdem er aber den Czar
ſo oͤffentlich im vollen Senate beſchimpfet hatte, un-
terſtand ſich niemand mehr, ein einziges Wort fuͤr
ihn zu reden. Der Czar, der im hoͤchſten Grade
wider den Fuͤrſten aufgebracht war, befahl daher,
daß, nach dem Beyſpiele Hamans, ein 50 Ellen
hoher Galgen vor dem Senathauſe aufgerichtet wer-
den, und er in Gegenwart aller Senatoren, unter
welchen er mit den meiſten verwandt oder auf andere
Art verbunden war, daran gehaͤnget werden ſollte.

Sein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0238" n="228"/>
wider ihn bewies. Der Fu&#x0364;r&#x017F;t, der bisher nicht<lb/>
wußte, daß &#x017F;ein Secretair &#x017F;ein Angeber &#x017F;ey, wurde<lb/>
&#x017F;o be&#x017F;tu&#x0364;rzt, daß er auf die Knie niederfiel, und &#x017F;agte,<lb/>
daß er ein ver&#x017F;tockter Su&#x0364;nder gewe&#x017F;en, und keine<lb/>
Gnade verdiene.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es unverantwortliche Bezeigen des Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
Gagarin, nachdem er vo&#x0364;llig Pardon erhalten hatte, &#x017F;etz-<lb/>
te jedermann in großes Er&#x017F;taunen; einige hielten ihn<lb/>
fu&#x0364;r un&#x017F;innig, andere glaubten, daß er &#x017F;ich ge&#x017F;cha&#x0364;met,<lb/>
vor der ganzen Welt &#x017F;o o&#x0364;ffentlich zu bekennen, daß er<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chreckliche Verbrechen begangen habe, indem er<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig fu&#x0364;r einen frommen und tugendhaften Mann<lb/>
war gehalten worden. Er war in einem hohen Gra-<lb/>
de mildtha&#x0364;tig, und die Gefangenen in Siberien ver-<lb/>
loren einen &#x017F;ehr warmen Freund an ihm, be&#x017F;onders<lb/>
aber die Schwedi&#x017F;chen Officiers, die &#x017F;eine Freygebig-<lb/>
keit gegen &#x017F;ie nicht genug&#x017F;am erheben konnten. Bey<lb/>
&#x017F;einer Ankunft in Petersburg war er mit &#x017F;einen Ge-<lb/>
&#x017F;chenken &#x017F;ehr ver&#x017F;chwenderi&#x017F;ch, be&#x017F;onders gegen die<lb/>
Czarinn, der er einige nicht nur &#x017F;eltene &#x017F;ondern auch<lb/>
ko&#x017F;tbare Gefchenke machte, wie er es denn auch dem<lb/>
ma&#x0364;chtigen Vor&#x017F;pruche die&#x017F;er Dame zu danken hatte,<lb/>
daß er Pardon erhielt. Nachdem er aber den Czar<lb/>
&#x017F;o o&#x0364;ffentlich im vollen Senate be&#x017F;chimpfet hatte, un-<lb/>
ter&#x017F;tand &#x017F;ich niemand mehr, ein einziges Wort fu&#x0364;r<lb/>
ihn zu reden. Der Czar, der im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade<lb/>
wider den Fu&#x0364;r&#x017F;ten aufgebracht war, befahl daher,<lb/>
daß, nach dem Bey&#x017F;piele Hamans, ein 50 Ellen<lb/>
hoher Galgen vor dem Senathau&#x017F;e aufgerichtet wer-<lb/>
den, und er in Gegenwart aller Senatoren, unter<lb/>
welchen er mit den mei&#x017F;ten verwandt oder auf andere<lb/>
Art verbunden war, daran geha&#x0364;nget werden &#x017F;ollte.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sein</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0238] wider ihn bewies. Der Fuͤrſt, der bisher nicht wußte, daß ſein Secretair ſein Angeber ſey, wurde ſo beſtuͤrzt, daß er auf die Knie niederfiel, und ſagte, daß er ein verſtockter Suͤnder geweſen, und keine Gnade verdiene. Dieſes unverantwortliche Bezeigen des Fuͤrſten Gagarin, nachdem er voͤllig Pardon erhalten hatte, ſetz- te jedermann in großes Erſtaunen; einige hielten ihn fuͤr unſinnig, andere glaubten, daß er ſich geſchaͤmet, vor der ganzen Welt ſo oͤffentlich zu bekennen, daß er ſo ſchreckliche Verbrechen begangen habe, indem er beſtaͤndig fuͤr einen frommen und tugendhaften Mann war gehalten worden. Er war in einem hohen Gra- de mildthaͤtig, und die Gefangenen in Siberien ver- loren einen ſehr warmen Freund an ihm, beſonders aber die Schwediſchen Officiers, die ſeine Freygebig- keit gegen ſie nicht genugſam erheben konnten. Bey ſeiner Ankunft in Petersburg war er mit ſeinen Ge- ſchenken ſehr verſchwenderiſch, beſonders gegen die Czarinn, der er einige nicht nur ſeltene ſondern auch koſtbare Gefchenke machte, wie er es denn auch dem maͤchtigen Vorſpruche dieſer Dame zu danken hatte, daß er Pardon erhielt. Nachdem er aber den Czar ſo oͤffentlich im vollen Senate beſchimpfet hatte, un- terſtand ſich niemand mehr, ein einziges Wort fuͤr ihn zu reden. Der Czar, der im hoͤchſten Grade wider den Fuͤrſten aufgebracht war, befahl daher, daß, nach dem Beyſpiele Hamans, ein 50 Ellen hoher Galgen vor dem Senathauſe aufgerichtet wer- den, und er in Gegenwart aller Senatoren, unter welchen er mit den meiſten verwandt oder auf andere Art verbunden war, daran gehaͤnget werden ſollte. Sein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/238
Zitationshilfe: Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/238>, abgerufen am 28.04.2024.