wider ihn bewies. Der Fürst, der bisher nicht wußte, daß sein Secretair sein Angeber sey, wurde so bestürzt, daß er auf die Knie niederfiel, und sagte, daß er ein verstockter Sünder gewesen, und keine Gnade verdiene.
Dieses unverantwortliche Bezeigen des Fürsten Gagarin, nachdem er völlig Pardon erhalten hatte, setz- te jedermann in großes Erstaunen; einige hielten ihn für unsinnig, andere glaubten, daß er sich geschämet, vor der ganzen Welt so öffentlich zu bekennen, daß er so schreckliche Verbrechen begangen habe, indem er beständig für einen frommen und tugendhaften Mann war gehalten worden. Er war in einem hohen Gra- de mildthätig, und die Gefangenen in Siberien ver- loren einen sehr warmen Freund an ihm, besonders aber die Schwedischen Officiers, die seine Freygebig- keit gegen sie nicht genugsam erheben konnten. Bey seiner Ankunft in Petersburg war er mit seinen Ge- schenken sehr verschwenderisch, besonders gegen die Czarinn, der er einige nicht nur seltene sondern auch kostbare Gefchenke machte, wie er es denn auch dem mächtigen Vorspruche dieser Dame zu danken hatte, daß er Pardon erhielt. Nachdem er aber den Czar so öffentlich im vollen Senate beschimpfet hatte, un- terstand sich niemand mehr, ein einziges Wort für ihn zu reden. Der Czar, der im höchsten Grade wider den Fürsten aufgebracht war, befahl daher, daß, nach dem Beyspiele Hamans, ein 50 Ellen hoher Galgen vor dem Senathause aufgerichtet wer- den, und er in Gegenwart aller Senatoren, unter welchen er mit den meisten verwandt oder auf andere Art verbunden war, daran gehänget werden sollte.
Sein
wider ihn bewies. Der Fuͤrſt, der bisher nicht wußte, daß ſein Secretair ſein Angeber ſey, wurde ſo beſtuͤrzt, daß er auf die Knie niederfiel, und ſagte, daß er ein verſtockter Suͤnder geweſen, und keine Gnade verdiene.
Dieſes unverantwortliche Bezeigen des Fuͤrſten Gagarin, nachdem er voͤllig Pardon erhalten hatte, ſetz- te jedermann in großes Erſtaunen; einige hielten ihn fuͤr unſinnig, andere glaubten, daß er ſich geſchaͤmet, vor der ganzen Welt ſo oͤffentlich zu bekennen, daß er ſo ſchreckliche Verbrechen begangen habe, indem er beſtaͤndig fuͤr einen frommen und tugendhaften Mann war gehalten worden. Er war in einem hohen Gra- de mildthaͤtig, und die Gefangenen in Siberien ver- loren einen ſehr warmen Freund an ihm, beſonders aber die Schwediſchen Officiers, die ſeine Freygebig- keit gegen ſie nicht genugſam erheben konnten. Bey ſeiner Ankunft in Petersburg war er mit ſeinen Ge- ſchenken ſehr verſchwenderiſch, beſonders gegen die Czarinn, der er einige nicht nur ſeltene ſondern auch koſtbare Gefchenke machte, wie er es denn auch dem maͤchtigen Vorſpruche dieſer Dame zu danken hatte, daß er Pardon erhielt. Nachdem er aber den Czar ſo oͤffentlich im vollen Senate beſchimpfet hatte, un- terſtand ſich niemand mehr, ein einziges Wort fuͤr ihn zu reden. Der Czar, der im hoͤchſten Grade wider den Fuͤrſten aufgebracht war, befahl daher, daß, nach dem Beyſpiele Hamans, ein 50 Ellen hoher Galgen vor dem Senathauſe aufgerichtet wer- den, und er in Gegenwart aller Senatoren, unter welchen er mit den meiſten verwandt oder auf andere Art verbunden war, daran gehaͤnget werden ſollte.
Sein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0238"n="228"/>
wider ihn bewies. Der Fuͤrſt, der bisher nicht<lb/>
wußte, daß ſein Secretair ſein Angeber ſey, wurde<lb/>ſo beſtuͤrzt, daß er auf die Knie niederfiel, und ſagte,<lb/>
daß er ein verſtockter Suͤnder geweſen, und keine<lb/>
Gnade verdiene.</p><lb/><p>Dieſes unverantwortliche Bezeigen des Fuͤrſten<lb/>
Gagarin, nachdem er voͤllig Pardon erhalten hatte, ſetz-<lb/>
te jedermann in großes Erſtaunen; einige hielten ihn<lb/>
fuͤr unſinnig, andere glaubten, daß er ſich geſchaͤmet,<lb/>
vor der ganzen Welt ſo oͤffentlich zu bekennen, daß er<lb/>ſo ſchreckliche Verbrechen begangen habe, indem er<lb/>
beſtaͤndig fuͤr einen frommen und tugendhaften Mann<lb/>
war gehalten worden. Er war in einem hohen Gra-<lb/>
de mildthaͤtig, und die Gefangenen in Siberien ver-<lb/>
loren einen ſehr warmen Freund an ihm, beſonders<lb/>
aber die Schwediſchen Officiers, die ſeine Freygebig-<lb/>
keit gegen ſie nicht genugſam erheben konnten. Bey<lb/>ſeiner Ankunft in Petersburg war er mit ſeinen Ge-<lb/>ſchenken ſehr verſchwenderiſch, beſonders gegen die<lb/>
Czarinn, der er einige nicht nur ſeltene ſondern auch<lb/>
koſtbare Gefchenke machte, wie er es denn auch dem<lb/>
maͤchtigen Vorſpruche dieſer Dame zu danken hatte,<lb/>
daß er Pardon erhielt. Nachdem er aber den Czar<lb/>ſo oͤffentlich im vollen Senate beſchimpfet hatte, un-<lb/>
terſtand ſich niemand mehr, ein einziges Wort fuͤr<lb/>
ihn zu reden. Der Czar, der im hoͤchſten Grade<lb/>
wider den Fuͤrſten aufgebracht war, befahl daher,<lb/>
daß, nach dem Beyſpiele Hamans, ein 50 Ellen<lb/>
hoher Galgen vor dem Senathauſe aufgerichtet wer-<lb/>
den, und er in Gegenwart aller Senatoren, unter<lb/>
welchen er mit den meiſten verwandt oder auf andere<lb/>
Art verbunden war, daran gehaͤnget werden ſollte.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sein</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[228/0238]
wider ihn bewies. Der Fuͤrſt, der bisher nicht
wußte, daß ſein Secretair ſein Angeber ſey, wurde
ſo beſtuͤrzt, daß er auf die Knie niederfiel, und ſagte,
daß er ein verſtockter Suͤnder geweſen, und keine
Gnade verdiene.
Dieſes unverantwortliche Bezeigen des Fuͤrſten
Gagarin, nachdem er voͤllig Pardon erhalten hatte, ſetz-
te jedermann in großes Erſtaunen; einige hielten ihn
fuͤr unſinnig, andere glaubten, daß er ſich geſchaͤmet,
vor der ganzen Welt ſo oͤffentlich zu bekennen, daß er
ſo ſchreckliche Verbrechen begangen habe, indem er
beſtaͤndig fuͤr einen frommen und tugendhaften Mann
war gehalten worden. Er war in einem hohen Gra-
de mildthaͤtig, und die Gefangenen in Siberien ver-
loren einen ſehr warmen Freund an ihm, beſonders
aber die Schwediſchen Officiers, die ſeine Freygebig-
keit gegen ſie nicht genugſam erheben konnten. Bey
ſeiner Ankunft in Petersburg war er mit ſeinen Ge-
ſchenken ſehr verſchwenderiſch, beſonders gegen die
Czarinn, der er einige nicht nur ſeltene ſondern auch
koſtbare Gefchenke machte, wie er es denn auch dem
maͤchtigen Vorſpruche dieſer Dame zu danken hatte,
daß er Pardon erhielt. Nachdem er aber den Czar
ſo oͤffentlich im vollen Senate beſchimpfet hatte, un-
terſtand ſich niemand mehr, ein einziges Wort fuͤr
ihn zu reden. Der Czar, der im hoͤchſten Grade
wider den Fuͤrſten aufgebracht war, befahl daher,
daß, nach dem Beyſpiele Hamans, ein 50 Ellen
hoher Galgen vor dem Senathauſe aufgerichtet wer-
den, und er in Gegenwart aller Senatoren, unter
welchen er mit den meiſten verwandt oder auf andere
Art verbunden war, daran gehaͤnget werden ſollte.
Sein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bruce, Peter Henry: Des Herrn Peter Heinrich Bruce [...] Nachrichten von seinen Reisen in Deutschland, Rußland, die Tartarey, Türkey, Westindien u. s. f. Leipzig, 1784, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bruce_reisen_1784/238>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.