Mit einem ausgezehrten Körper. Du hättest unbequem gelebt, Und wärst doch nicht bequem verschieden. Nun hast du aber mit Vergnügen So viele Jahre zugebracht. Soll dieses dann nicht so viel tügen, Daß man, mit etwas mehrerm Schmerzen, des Körpers Bau dir untergräbt? Und ist die göttliche Erfindung der Krankheit nicht be- wundernswerth, Der eine daurende Gesundheit auf so viel Jahre dir be- schert, Der auch, daß du nicht länger lebtest, der Krankheit Kraft bey dir verbunden, Und das mit kürzern Plagen wirkt, was du so stark zwar nicht empfunden, Doch so viel länger leiden müssen? Jch bleib hier aber noch nicht stehn, Und muß der Krankheit herrliches Erfinden ferner noch besehn.
Du klagst: "dein Leib sey so gequält, es drückten dich von allen Seiten "Die Schmerzen, die fast unerträglich, ohn Aufschub und zu allen Zeiten." Allein begreifst du auch den Grund, warum Gott solche Plagen sende? Hier ist er: daß sich deine Seel zufriedner von dem Kör- per wende, Worinn man ihr so übel wartet. Die wahre Tapferkeit bestcht Nur darinn, daß wir willig sterben, daß man aus seinem Körper geht,
Zu
Anleitung
Mit einem ausgezehrten Koͤrper. Du haͤtteſt unbequem gelebt, Und waͤrſt doch nicht bequem verſchieden. Nun haſt du aber mit Vergnuͤgen So viele Jahre zugebracht. Soll dieſes dann nicht ſo viel tuͤgen, Daß man, mit etwas mehrerm Schmerzen, des Koͤrpers Bau dir untergraͤbt? Und iſt die goͤttliche Erfindung der Krankheit nicht be- wundernswerth, Der eine daurende Geſundheit auf ſo viel Jahre dir be- ſchert, Der auch, daß du nicht laͤnger lebteſt, der Krankheit Kraft bey dir verbunden, Und das mit kuͤrzern Plagen wirkt, was du ſo ſtark zwar nicht empfunden, Doch ſo viel laͤnger leiden muͤſſen? Jch bleib hier aber noch nicht ſtehn, Und muß der Krankheit herrliches Erfinden ferner noch beſehn.
Du klagſt: „dein Leib ſey ſo gequaͤlt, es druͤckten dich von allen Seiten „Die Schmerzen, die faſt unertraͤglich, ohn Aufſchub und zu allen Zeiten.“ Allein begreifſt du auch den Grund, warum Gott ſolche Plagen ſende? Hier iſt er: daß ſich deine Seel zufriedner von dem Koͤr- per wende, Worinn man ihr ſo uͤbel wartet. Die wahre Tapferkeit beſtcht Nur darinn, daß wir willig ſterben, daß man aus ſeinem Koͤrper geht,
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Mit einem ausgezehrten Koͤrper. Du haͤtteſt unbequem
gelebt,
Und waͤrſt doch nicht bequem verſchieden. Nun haſt du
aber mit Vergnuͤgen
So viele Jahre zugebracht. Soll dieſes dann nicht ſo
viel tuͤgen,
Daß man, mit etwas mehrerm Schmerzen, des Koͤrpers
Bau dir untergraͤbt?
Und iſt die goͤttliche Erfindung der Krankheit nicht be-
wundernswerth,
Der eine daurende Geſundheit auf ſo viel Jahre dir be-
ſchert,
Der auch, daß du nicht laͤnger lebteſt, der Krankheit
Kraft bey dir verbunden,
Und das mit kuͤrzern Plagen wirkt, was du ſo ſtark zwar
nicht empfunden,
Doch ſo viel laͤnger leiden muͤſſen? Jch bleib hier aber
noch nicht ſtehn,
Und muß der Krankheit herrliches Erfinden ferner noch
beſehn.
Du klagſt: „dein Leib ſey ſo gequaͤlt, es druͤckten dich
von allen Seiten
„Die Schmerzen, die faſt unertraͤglich, ohn Aufſchub und
zu allen Zeiten.“
Allein begreifſt du auch den Grund, warum Gott ſolche
Plagen ſende?
Hier iſt er: daß ſich deine Seel zufriedner von dem Koͤr-
per wende,
Worinn man ihr ſo uͤbel wartet. Die wahre Tapferkeit
beſtcht
Nur darinn, daß wir willig ſterben, daß man aus ſeinem
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/618>, abgerufen am 23.11.2024.
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