Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Betrachtungen
Es bleibt so gar in der Natur,
(Da Gott uns nicht will wissen lassen,

Auf welche Weis' und Art er wirkt,) auch bey dem Glau-
ben ganz allein,

Und muß das Ende der Vernunft auch hier des Glau-
bens Anfang seyn.

Wir sind uns zu vergnügen schuldig an der Geschöpfe
Nutz und Pracht,

Und den in Demuth und Bewundrung zu ehren, welcher
sie gemacht.

Es scheint im Geist- und Leiblichen, als ob der große
Schöpfer wolle,

Daß man, vergnügt mit seiner Gnad', ihm die Ver-
nunft zum Opfer zolle.

Dieß wird am füglichsten geschehn, wenn wir derselben
rege Kraft

Auf die nebst uns geschaffner Wesen bewundernswerthe
Eigenschaft

Nach Möglichkeit vorher gelenkt, und in derselben Wun-
derwerken,

Als wie im wahren Buch' der Weisheit, ihn, als den
Jnhalt, zu bemerken,

Mit Ernst und Andacht uns bemüht; da wir zugleich
auf dieser Erden

Die Kleinheit unserer Vernunft, und seine Größ' erkennen
werden.
Wenn wir bey Thieren überhaupt die Arten ihrer Zeu-
gung sehn,

So werden wir in ihnen finden und voll Verwunderung
gestehn,

Daß, von den Menschen anzurechnen, sie gleichsam staf-
felweise gehn.
Der
Betrachtungen
Es bleibt ſo gar in der Natur,
(Da Gott uns nicht will wiſſen laſſen,

Auf welche Weiſ’ und Art er wirkt,) auch bey dem Glau-
ben ganz allein,

Und muß das Ende der Vernunft auch hier des Glau-
bens Anfang ſeyn.

Wir ſind uns zu vergnuͤgen ſchuldig an der Geſchoͤpfe
Nutz und Pracht,

Und den in Demuth und Bewundrung zu ehren, welcher
ſie gemacht.

Es ſcheint im Geiſt- und Leiblichen, als ob der große
Schoͤpfer wolle,

Daß man, vergnuͤgt mit ſeiner Gnad’, ihm die Ver-
nunft zum Opfer zolle.

Dieß wird am fuͤglichſten geſchehn, wenn wir derſelben
rege Kraft

Auf die nebſt uns geſchaffner Weſen bewundernswerthe
Eigenſchaft

Nach Moͤglichkeit vorher gelenkt, und in derſelben Wun-
derwerken,

Als wie im wahren Buch’ der Weisheit, ihn, als den
Jnhalt, zu bemerken,

Mit Ernſt und Andacht uns bemuͤht; da wir zugleich
auf dieſer Erden

Die Kleinheit unſerer Vernunft, und ſeine Groͤß’ erkennen
werden.
Wenn wir bey Thieren uͤberhaupt die Arten ihrer Zeu-
gung ſehn,

So werden wir in ihnen finden und voll Verwunderung
geſtehn,

Daß, von den Menſchen anzurechnen, ſie gleichſam ſtaf-
felweiſe gehn.
Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0252" n="232"/>
          <fw place="top" type="header">Betrachtungen</fw><lb/>
          <lg n="66">
            <l>Es bleibt &#x017F;o gar in der Natur,<lb/>
(Da Gott uns nicht will wi&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Auf welche Wei&#x017F;&#x2019; und Art er wirkt,) auch bey dem Glau-<lb/><hi rendition="#et">ben ganz allein,</hi></l><lb/>
            <l>Und muß das Ende der Vernunft auch hier des Glau-<lb/><hi rendition="#et">bens Anfang &#x017F;eyn.</hi></l><lb/>
            <l>Wir &#x017F;ind uns zu vergnu&#x0364;gen &#x017F;chuldig an der Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe<lb/><hi rendition="#et">Nutz und Pracht,</hi></l><lb/>
            <l>Und den in Demuth und Bewundrung zu ehren, welcher<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ie gemacht.</hi></l><lb/>
            <l>Es &#x017F;cheint im Gei&#x017F;t- und Leiblichen, als ob der große<lb/><hi rendition="#et">Scho&#x0364;pfer wolle,</hi></l><lb/>
            <l>Daß man, vergnu&#x0364;gt mit &#x017F;einer Gnad&#x2019;, ihm die Ver-<lb/><hi rendition="#et">nunft zum Opfer zolle.</hi></l><lb/>
            <l>Dieß wird am fu&#x0364;glich&#x017F;ten ge&#x017F;chehn, wenn wir der&#x017F;elben<lb/><hi rendition="#et">rege Kraft</hi></l><lb/>
            <l>Auf die neb&#x017F;t uns ge&#x017F;chaffner We&#x017F;en bewundernswerthe<lb/><hi rendition="#et">Eigen&#x017F;chaft</hi></l><lb/>
            <l>Nach Mo&#x0364;glichkeit vorher gelenkt, und in der&#x017F;elben Wun-<lb/><hi rendition="#et">derwerken,</hi></l><lb/>
            <l>Als wie im wahren Buch&#x2019; der Weisheit, ihn, als den<lb/><hi rendition="#et">Jnhalt, zu bemerken,</hi></l><lb/>
            <l>Mit Ern&#x017F;t und Andacht uns bemu&#x0364;ht; da wir zugleich<lb/><hi rendition="#et">auf die&#x017F;er Erden</hi></l><lb/>
            <l>Die Kleinheit un&#x017F;erer Vernunft, und &#x017F;eine Gro&#x0364;ß&#x2019; erkennen<lb/><hi rendition="#et">werden.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="67">
            <l>Wenn wir bey Thieren u&#x0364;berhaupt die Arten ihrer Zeu-<lb/><hi rendition="#et">gung &#x017F;ehn,</hi></l><lb/>
            <l>So werden wir in ihnen finden und voll Verwunderung<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;tehn,</hi></l><lb/>
            <l>Daß, von den Men&#x017F;chen anzurechnen, &#x017F;ie gleich&#x017F;am &#x017F;taf-<lb/><hi rendition="#et">felwei&#x017F;e gehn.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0252] Betrachtungen Es bleibt ſo gar in der Natur, (Da Gott uns nicht will wiſſen laſſen, Auf welche Weiſ’ und Art er wirkt,) auch bey dem Glau- ben ganz allein, Und muß das Ende der Vernunft auch hier des Glau- bens Anfang ſeyn. Wir ſind uns zu vergnuͤgen ſchuldig an der Geſchoͤpfe Nutz und Pracht, Und den in Demuth und Bewundrung zu ehren, welcher ſie gemacht. Es ſcheint im Geiſt- und Leiblichen, als ob der große Schoͤpfer wolle, Daß man, vergnuͤgt mit ſeiner Gnad’, ihm die Ver- nunft zum Opfer zolle. Dieß wird am fuͤglichſten geſchehn, wenn wir derſelben rege Kraft Auf die nebſt uns geſchaffner Weſen bewundernswerthe Eigenſchaft Nach Moͤglichkeit vorher gelenkt, und in derſelben Wun- derwerken, Als wie im wahren Buch’ der Weisheit, ihn, als den Jnhalt, zu bemerken, Mit Ernſt und Andacht uns bemuͤht; da wir zugleich auf dieſer Erden Die Kleinheit unſerer Vernunft, und ſeine Groͤß’ erkennen werden. Wenn wir bey Thieren uͤberhaupt die Arten ihrer Zeu- gung ſehn, So werden wir in ihnen finden und voll Verwunderung geſtehn, Daß, von den Menſchen anzurechnen, ſie gleichſam ſtaf- felweiſe gehn. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/252
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/252>, abgerufen am 04.05.2024.