Wir in dem Werke der Vermehrung die wahre Bildung der Gestalten Nicht bloß für Wege der Natur, für etwas Göttliches zu halten, Uns mit Gewalt gezwungen finden, indem die Seelen doch allein, So viel wir es begreifen können, für sich dazu nicht fähig seyn. Nach dem Begriff, den Gott der Herr auf dieser Welt in unserm Leben Dem menschlichen Verstand und Geist aus Huld gewür- diget zu geben, Scheints, dieser Bilderchen Formirung, so weit wir unsern Witz auch treiben, Sey bloß dem Willen eines Schöpfers, sonst keiner Sache, zuzuschreiben. Wir beten denn mit allem Recht, da man nicht weiter gehen kann, Jn diesem Wunderwerk, mit Demuth den Willen unsers Schöpfers an.
Ja, ja! es ist mehr als zu wahr: wohin ich meine Blicke drehe, Was ich im Reiche der Natur auch höre, rieche, schmeck' und sehe, So weist mir alles, was vorhanden, so zeigt mir alles, was sich zeigt, Daß etwas überall verborgen, so die Vernunft weit übersteigt, Und daß, mit unterdrücktem Witz, in der Religion nicht nur Man glauben muß, was nicht zu fassen.
Es
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uͤber das Reich der Thiere.
Wir in dem Werke der Vermehrung die wahre Bildung der Geſtalten Nicht bloß fuͤr Wege der Natur, fuͤr etwas Goͤttliches zu halten, Uns mit Gewalt gezwungen finden, indem die Seelen doch allein, So viel wir es begreifen koͤnnen, fuͤr ſich dazu nicht faͤhig ſeyn. Nach dem Begriff, den Gott der Herr auf dieſer Welt in unſerm Leben Dem menſchlichen Verſtand und Geiſt aus Huld gewuͤr- diget zu geben, Scheints, dieſer Bilderchen Formirung, ſo weit wir unſern Witz auch treiben, Sey bloß dem Willen eines Schoͤpfers, ſonſt keiner Sache, zuzuſchreiben. Wir beten denn mit allem Recht, da man nicht weiter gehen kann, Jn dieſem Wunderwerk, mit Demuth den Willen unſers Schoͤpfers an.
Ja, ja! es iſt mehr als zu wahr: wohin ich meine Blicke drehe, Was ich im Reiche der Natur auch hoͤre, rieche, ſchmeck’ und ſehe, So weiſt mir alles, was vorhanden, ſo zeigt mir alles, was ſich zeigt, Daß etwas uͤberall verborgen, ſo die Vernunft weit uͤberſteigt, Und daß, mit unterdruͤcktem Witz, in der Religion nicht nur Man glauben muß, was nicht zu faſſen.
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uͤber das Reich der Thiere.
Wir in dem Werke der Vermehrung die wahre Bildung
der Geſtalten
Nicht bloß fuͤr Wege der Natur, fuͤr etwas Goͤttliches
zu halten,
Uns mit Gewalt gezwungen finden, indem die Seelen
doch allein,
So viel wir es begreifen koͤnnen, fuͤr ſich dazu nicht
faͤhig ſeyn.
Nach dem Begriff, den Gott der Herr auf dieſer Welt
in unſerm Leben
Dem menſchlichen Verſtand und Geiſt aus Huld gewuͤr-
diget zu geben,
Scheints, dieſer Bilderchen Formirung, ſo weit wir
unſern Witz auch treiben,
Sey bloß dem Willen eines Schoͤpfers, ſonſt keiner
Sache, zuzuſchreiben.
Wir beten denn mit allem Recht, da man nicht weiter
gehen kann,
Jn dieſem Wunderwerk, mit Demuth den Willen unſers
Schoͤpfers an.
Ja, ja! es iſt mehr als zu wahr: wohin ich meine
Blicke drehe,
Was ich im Reiche der Natur auch hoͤre, rieche,
ſchmeck’ und ſehe,
So weiſt mir alles, was vorhanden, ſo zeigt mir alles,
was ſich zeigt,
Daß etwas uͤberall verborgen, ſo die Vernunft weit
uͤberſteigt,
Und daß, mit unterdruͤcktem Witz, in der Religion
nicht nur
Man glauben muß, was nicht zu faſſen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/251>, abgerufen am 16.07.2024.
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