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Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748.

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über das Reich der Pflanzen.
Es ist warlich nicht zu glauben,
Wie ein Kirschenbaum so schön,
Wenn wir seine Frücht', als Trauben,
An den Stengeln hangen sehn;
Jn dem angenehmen Grünen
Glühen sie recht wie Rubinen,
Von so heller Färben Brand
Jst kein' andre Frucht bekannt.
Ja, wie sind in einem Garten
Jhrer doch so vielerley,
Von so sehr verschiednen Arten!
Wie so groß die Anzahl sey,
Jst vorhin schon angezeiget,
Daß sie über funfzehn steiget.
Die nicht roth und schwarz allein;
Nein, auch weiß und leibfarb seyn.
Wie so vielerley Morellen
Werden uns im Munde nicht
Recht zu süßen Anmuthsquellen,
Draus ein Saft so lieblich bricht,
Daß er, wenn der Mund sich netzet,
Lippen, Zung und Gaum ergetzet,
Der, wenn man ihn niederschlingt,
Nebst der Lust Erfrischung bringt.
Wunderlieblich ist gemischet
Der beliebten Kirschen Saft,
Welcher Gaum und Blut erfrischet.
Man vermag die Eigenschaft
Durch die Zunge zwar zu schmecken,
Aber nimmer zu entdecken,
Wie sich in so hohem Grad
Saur und Süß gemischet hat.
Wie
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uͤber das Reich der Pflanzen.
Es iſt warlich nicht zu glauben,
Wie ein Kirſchenbaum ſo ſchoͤn,
Wenn wir ſeine Fruͤcht’, als Trauben,
An den Stengeln hangen ſehn;
Jn dem angenehmen Gruͤnen
Gluͤhen ſie recht wie Rubinen,
Von ſo heller Faͤrben Brand
Jſt kein’ andre Frucht bekannt.
Ja, wie ſind in einem Garten
Jhrer doch ſo vielerley,
Von ſo ſehr verſchiednen Arten!
Wie ſo groß die Anzahl ſey,
Jſt vorhin ſchon angezeiget,
Daß ſie uͤber funfzehn ſteiget.
Die nicht roth und ſchwarz allein;
Nein, auch weiß und leibfarb ſeyn.
Wie ſo vielerley Morellen
Werden uns im Munde nicht
Recht zu ſuͤßen Anmuthsquellen,
Draus ein Saft ſo lieblich bricht,
Daß er, wenn der Mund ſich netzet,
Lippen, Zung und Gaum ergetzet,
Der, wenn man ihn niederſchlingt,
Nebſt der Luſt Erfriſchung bringt.
Wunderlieblich iſt gemiſchet
Der beliebten Kirſchen Saft,
Welcher Gaum und Blut erfriſchet.
Man vermag die Eigenſchaft
Durch die Zunge zwar zu ſchmecken,
Aber nimmer zu entdecken,
Wie ſich in ſo hohem Grad
Saur und Suͤß gemiſchet hat.
Wie
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[165/0185] uͤber das Reich der Pflanzen. Es iſt warlich nicht zu glauben, Wie ein Kirſchenbaum ſo ſchoͤn, Wenn wir ſeine Fruͤcht’, als Trauben, An den Stengeln hangen ſehn; Jn dem angenehmen Gruͤnen Gluͤhen ſie recht wie Rubinen, Von ſo heller Faͤrben Brand Jſt kein’ andre Frucht bekannt. Ja, wie ſind in einem Garten Jhrer doch ſo vielerley, Von ſo ſehr verſchiednen Arten! Wie ſo groß die Anzahl ſey, Jſt vorhin ſchon angezeiget, Daß ſie uͤber funfzehn ſteiget. Die nicht roth und ſchwarz allein; Nein, auch weiß und leibfarb ſeyn. Wie ſo vielerley Morellen Werden uns im Munde nicht Recht zu ſuͤßen Anmuthsquellen, Draus ein Saft ſo lieblich bricht, Daß er, wenn der Mund ſich netzet, Lippen, Zung und Gaum ergetzet, Der, wenn man ihn niederſchlingt, Nebſt der Luſt Erfriſchung bringt. Wunderlieblich iſt gemiſchet Der beliebten Kirſchen Saft, Welcher Gaum und Blut erfriſchet. Man vermag die Eigenſchaft Durch die Zunge zwar zu ſchmecken, Aber nimmer zu entdecken, Wie ſich in ſo hohem Grad Saur und Suͤß gemiſchet hat. Wie L 3

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Physikalische und moralische Gedanken über die drey Reiche der Natur. Bd. 9. Hamburg u. a., 1748, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen09_1748/185>, abgerufen am 26.04.2024.