Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Eine Lehr-reiche Geschichte.

Nachher, fuhr er fort, begeben wir uns zu unserer
gewöhnlichen Arbeit; wobey wir uns aber gewöhnet,
an allen unsern Werkzeugen die Materie als eine
göttliche Gabe, und die Zubereitung und Zuschickung
derselben, so zum verschiedenen Gebrauche, als eine
Probe der unserm Geiste von Gott zugelegten Geschick-
lichkeit, und mannigfaltiger Fähigkeit, zu betrachten;
da wir denn zugleich einen unstreitigen Vorzug vor
andern Thieren in demselben befinden. Die bewun-
dernswürdige Zubereitung unserer Hände dienen uns
beständig, und oft bey jedweder veränderlichen Be-
wegung, zu einem Vorwurfe und Beweise eines weisen
Wesens, der uns selbige nicht allein, sondern auch
dazu unserm Geiste eine so bewundernswürdige Fähig-
keit, uns derselben nützlich zu gebrauchen, gegeben hat.

Zu Anfange kamen uns dergleichen Ueberlegungen
etwas schwer an; aber durch öftere Wiederholung
derselben, fallen sie uns gleichsam von selbst bey: und
kann ich euch nicht sagen, was für ein inniges Ver-
gnügen wir dabey empfinden, wenn wir dergleichen
Vorstellungen als Erfüllungen derjenigen Pflichten,
wozu wir gemacht seyn, und zugleich als ein Theil
eines zwar schwachen, doch schuldigen, Gottes-Dienstes
ansehen. Ja, indem wir unsere Arbeit mit unserm
Vergnügen, und mit letzterem zugleich eine dem Schöp-
fer aller Dinge zu leistende Pflicht verbinden; so ist
es mir schwer, diejenigen süßen Empfindungen aus-
zudrücken, welche bey dergleichen Betrachtungen sich
durch unser ganzes Wesen ausbreiten, und was wir
für ein inniges, sanftes und ruhiges Vergnügen da-
durch empfinden.

Bey
R r 5
Eine Lehr-reiche Geſchichte.

Nachher, fuhr er fort, begeben wir uns zu unſerer
gewoͤhnlichen Arbeit; wobey wir uns aber gewoͤhnet,
an allen unſern Werkzeugen die Materie als eine
goͤttliche Gabe, und die Zubereitung und Zuſchickung
derſelben, ſo zum verſchiedenen Gebrauche, als eine
Probe der unſerm Geiſte von Gott zugelegten Geſchick-
lichkeit, und mannigfaltiger Faͤhigkeit, zu betrachten;
da wir denn zugleich einen unſtreitigen Vorzug vor
andern Thieren in demſelben befinden. Die bewun-
dernswuͤrdige Zubereitung unſerer Haͤnde dienen uns
beſtaͤndig, und oft bey jedweder veraͤnderlichen Be-
wegung, zu einem Vorwurfe und Beweiſe eines weiſen
Weſens, der uns ſelbige nicht allein, ſondern auch
dazu unſerm Geiſte eine ſo bewundernswuͤrdige Faͤhig-
keit, uns derſelben nuͤtzlich zu gebrauchen, gegeben hat.

Zu Anfange kamen uns dergleichen Ueberlegungen
etwas ſchwer an; aber durch oͤftere Wiederholung
derſelben, fallen ſie uns gleichſam von ſelbſt bey: und
kann ich euch nicht ſagen, was fuͤr ein inniges Ver-
gnuͤgen wir dabey empfinden, wenn wir dergleichen
Vorſtellungen als Erfuͤllungen derjenigen Pflichten,
wozu wir gemacht ſeyn, und zugleich als ein Theil
eines zwar ſchwachen, doch ſchuldigen, Gottes-Dienſtes
anſehen. Ja, indem wir unſere Arbeit mit unſerm
Vergnuͤgen, und mit letzterem zugleich eine dem Schoͤp-
fer aller Dinge zu leiſtende Pflicht verbinden; ſo iſt
es mir ſchwer, diejenigen ſuͤßen Empfindungen aus-
zudruͤcken, welche bey dergleichen Betrachtungen ſich
durch unſer ganzes Weſen ausbreiten, und was wir
fuͤr ein inniges, ſanftes und ruhiges Vergnuͤgen da-
durch empfinden.

Bey
R r 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0647" n="633"/>
            <fw place="top" type="header">Eine Lehr-reiche Ge&#x017F;chichte.</fw><lb/>
            <p>Nachher, fuhr er fort, begeben wir uns zu un&#x017F;erer<lb/>
gewo&#x0364;hnlichen Arbeit; wobey wir uns aber gewo&#x0364;hnet,<lb/>
an allen un&#x017F;ern Werkzeugen die Materie als eine<lb/>
go&#x0364;ttliche Gabe, und die Zubereitung und Zu&#x017F;chickung<lb/>
der&#x017F;elben, &#x017F;o zum ver&#x017F;chiedenen Gebrauche, als eine<lb/>
Probe der un&#x017F;erm Gei&#x017F;te von Gott zugelegten Ge&#x017F;chick-<lb/>
lichkeit, und mannigfaltiger Fa&#x0364;higkeit, zu betrachten;<lb/>
da wir denn zugleich einen un&#x017F;treitigen Vorzug vor<lb/>
andern Thieren in dem&#x017F;elben befinden. Die bewun-<lb/>
dernswu&#x0364;rdige Zubereitung un&#x017F;erer Ha&#x0364;nde dienen uns<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig, und oft bey jedweder vera&#x0364;nderlichen Be-<lb/>
wegung, zu einem Vorwurfe und Bewei&#x017F;e eines wei&#x017F;en<lb/>
We&#x017F;ens, der uns &#x017F;elbige nicht allein, &#x017F;ondern auch<lb/>
dazu un&#x017F;erm Gei&#x017F;te eine &#x017F;o bewundernswu&#x0364;rdige Fa&#x0364;hig-<lb/>
keit, uns der&#x017F;elben nu&#x0364;tzlich zu gebrauchen, gegeben hat.</p><lb/>
            <p>Zu Anfange kamen uns dergleichen Ueberlegungen<lb/>
etwas &#x017F;chwer an; aber durch o&#x0364;ftere Wiederholung<lb/>
der&#x017F;elben, fallen &#x017F;ie uns gleich&#x017F;am von &#x017F;elb&#x017F;t bey: und<lb/>
kann ich euch nicht &#x017F;agen, was fu&#x0364;r ein inniges Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen wir dabey empfinden, wenn wir dergleichen<lb/>
Vor&#x017F;tellungen als Erfu&#x0364;llungen derjenigen Pflichten,<lb/>
wozu wir gemacht &#x017F;eyn, und zugleich als ein Theil<lb/>
eines zwar &#x017F;chwachen, doch &#x017F;chuldigen, Gottes-Dien&#x017F;tes<lb/>
an&#x017F;ehen. Ja, indem wir un&#x017F;ere Arbeit mit un&#x017F;erm<lb/>
Vergnu&#x0364;gen, und mit letzterem zugleich eine dem Scho&#x0364;p-<lb/>
fer aller Dinge zu lei&#x017F;tende Pflicht verbinden; &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
es mir &#x017F;chwer, diejenigen &#x017F;u&#x0364;ßen Empfindungen aus-<lb/>
zudru&#x0364;cken, welche bey dergleichen Betrachtungen &#x017F;ich<lb/>
durch un&#x017F;er ganzes We&#x017F;en ausbreiten, und was wir<lb/>
fu&#x0364;r ein inniges, &#x017F;anftes und ruhiges Vergnu&#x0364;gen da-<lb/>
durch empfinden.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">R r 5</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[633/0647] Eine Lehr-reiche Geſchichte. Nachher, fuhr er fort, begeben wir uns zu unſerer gewoͤhnlichen Arbeit; wobey wir uns aber gewoͤhnet, an allen unſern Werkzeugen die Materie als eine goͤttliche Gabe, und die Zubereitung und Zuſchickung derſelben, ſo zum verſchiedenen Gebrauche, als eine Probe der unſerm Geiſte von Gott zugelegten Geſchick- lichkeit, und mannigfaltiger Faͤhigkeit, zu betrachten; da wir denn zugleich einen unſtreitigen Vorzug vor andern Thieren in demſelben befinden. Die bewun- dernswuͤrdige Zubereitung unſerer Haͤnde dienen uns beſtaͤndig, und oft bey jedweder veraͤnderlichen Be- wegung, zu einem Vorwurfe und Beweiſe eines weiſen Weſens, der uns ſelbige nicht allein, ſondern auch dazu unſerm Geiſte eine ſo bewundernswuͤrdige Faͤhig- keit, uns derſelben nuͤtzlich zu gebrauchen, gegeben hat. Zu Anfange kamen uns dergleichen Ueberlegungen etwas ſchwer an; aber durch oͤftere Wiederholung derſelben, fallen ſie uns gleichſam von ſelbſt bey: und kann ich euch nicht ſagen, was fuͤr ein inniges Ver- gnuͤgen wir dabey empfinden, wenn wir dergleichen Vorſtellungen als Erfuͤllungen derjenigen Pflichten, wozu wir gemacht ſeyn, und zugleich als ein Theil eines zwar ſchwachen, doch ſchuldigen, Gottes-Dienſtes anſehen. Ja, indem wir unſere Arbeit mit unſerm Vergnuͤgen, und mit letzterem zugleich eine dem Schoͤp- fer aller Dinge zu leiſtende Pflicht verbinden; ſo iſt es mir ſchwer, diejenigen ſuͤßen Empfindungen aus- zudruͤcken, welche bey dergleichen Betrachtungen ſich durch unſer ganzes Weſen ausbreiten, und was wir fuͤr ein inniges, ſanftes und ruhiges Vergnuͤgen da- durch empfinden. Bey R r 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/647
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/647>, abgerufen am 10.05.2024.