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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

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Die Größe unsers Geistes.
Welch ein bewundernswürdigs Wunder, daß solche
körperliche Größe

Jn solche körperliche Kleinheit sich senken, sich verschrän-
ken kann!

Je mehr ich dieß erstaunliche geheime Wunder-Werk
ermesse;

Je mehr treff ich, von Gottes Allmacht und Weisheit,
darinn, Proben an,

Nicht weniger von Seiner Liebe: da Er dieß Mittel
ausgefunden,

Und solche große Creaturen mit unsrer Kleinheit hat
verbunden;

Da Er, durch unsrer Augen Spiegel, dem Geist der Men-
schen deutlich zeigt

Den Ausbruch Seiner weisen Macht, der alles Denken
übersteigt,

Worinn man Gott als Gott erkennt. All' andre Werke
haben Schranken;

Hier aber schwinden alle Kräfte der ausgespanntesten
Gedanken:

Sie finden weder Maß noch Ende; sie stocken, sie ver-
lieren sich,

Und sehen, in dem weiten Raum der Ewigkeit, Herr!
nichts, als Dich.
Weil wir denn in der Gottheit Tiefen, uns selbst ver-
lierend, uns versenken;

So laßt uns wenigstens die Kleinheit vom menschlichen
Gesicht bedenken.

Wir finden ein so kleines Pünctchen, worein so manche
Sonn' und Welt,

Worein zugleich der Raum des Himmels, der sonder
Ziel und Gränzen, fällt;

Daß
H h 4
Die Groͤße unſers Geiſtes.
Welch ein bewundernswuͤrdigs Wunder, daß ſolche
koͤrperliche Groͤße

Jn ſolche koͤrperliche Kleinheit ſich ſenken, ſich verſchraͤn-
ken kann!

Je mehr ich dieß erſtaunliche geheime Wunder-Werk
ermeſſe;

Je mehr treff ich, von Gottes Allmacht und Weisheit,
darinn, Proben an,

Nicht weniger von Seiner Liebe: da Er dieß Mittel
ausgefunden,

Und ſolche große Creaturen mit unſrer Kleinheit hat
verbunden;

Da Er, durch unſrer Augen Spiegel, dem Geiſt der Men-
ſchen deutlich zeigt

Den Ausbruch Seiner weiſen Macht, der alles Denken
uͤberſteigt,

Worinn man Gott als Gott erkennt. All’ andre Werke
haben Schranken;

Hier aber ſchwinden alle Kraͤfte der ausgeſpannteſten
Gedanken:

Sie finden weder Maß noch Ende; ſie ſtocken, ſie ver-
lieren ſich,

Und ſehen, in dem weiten Raum der Ewigkeit, Herr!
nichts, als Dich.
Weil wir denn in der Gottheit Tiefen, uns ſelbſt ver-
lierend, uns verſenken;

So laßt uns wenigſtens die Kleinheit vom menſchlichen
Geſicht bedenken.

Wir finden ein ſo kleines Puͤnctchen, worein ſo manche
Sonn’ und Welt,

Worein zugleich der Raum des Himmels, der ſonder
Ziel und Graͤnzen, faͤllt;

Daß
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[487/0501] Die Groͤße unſers Geiſtes. Welch ein bewundernswuͤrdigs Wunder, daß ſolche koͤrperliche Groͤße Jn ſolche koͤrperliche Kleinheit ſich ſenken, ſich verſchraͤn- ken kann! Je mehr ich dieß erſtaunliche geheime Wunder-Werk ermeſſe; Je mehr treff ich, von Gottes Allmacht und Weisheit, darinn, Proben an, Nicht weniger von Seiner Liebe: da Er dieß Mittel ausgefunden, Und ſolche große Creaturen mit unſrer Kleinheit hat verbunden; Da Er, durch unſrer Augen Spiegel, dem Geiſt der Men- ſchen deutlich zeigt Den Ausbruch Seiner weiſen Macht, der alles Denken uͤberſteigt, Worinn man Gott als Gott erkennt. All’ andre Werke haben Schranken; Hier aber ſchwinden alle Kraͤfte der ausgeſpannteſten Gedanken: Sie finden weder Maß noch Ende; ſie ſtocken, ſie ver- lieren ſich, Und ſehen, in dem weiten Raum der Ewigkeit, Herr! nichts, als Dich. Weil wir denn in der Gottheit Tiefen, uns ſelbſt ver- lierend, uns verſenken; So laßt uns wenigſtens die Kleinheit vom menſchlichen Geſicht bedenken. Wir finden ein ſo kleines Puͤnctchen, worein ſo manche Sonn’ und Welt, Worein zugleich der Raum des Himmels, der ſonder Ziel und Graͤnzen, faͤllt; Daß H h 4

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/501>, abgerufen am 10.05.2024.