Daß er den Augen selbst nicht sichtbar. Bey dieser Kleinheit fällt mir bey: "Ob nicht, die unsichtbare Kleinheit des Geistes, noch viel kleiner sey? "Ob nicht von diesem kleinen Punct der Abstand zu des Geistes Schranken "Vielleicht so groß, als wie der Abstand des Aug- Puncts von des Himmels Höhn? "Wie, oder ob vom kleinsten Körper zum Geist, der Quelle der Gedanken, "Vielleicht kein Abstand überall, und gar kein Raum ihm zuzustehn?
Hier scheinen, wie des Körpers Augen, des Geistes Augen zu erblinden: Sie können zwar was sehr beträchtlichs, doch nichts begreifliches, hier finden. Doch, da der Geist in einem Bande mit seinem Leib und Körper steht; So scheints, daß er, mit seinem Denken, noch nicht aus seinem Schranken geht, Wenn er sich dennoch Schlüss' erlaubet, Und Gränzen zwischen ihnen glaubet. Es mögen nun dieselbigen so unempfindlich, zart und klein, Ja wie ein mathematscher Punct, und, wär' es möglich, kleiner seyn: Doch, weil es meinem Blick zu tief, und ich es nicht vermag zu fassen; Will ich es eines schärfern Geists geprüftrer Meynung überlassen,
Und
Die Groͤße unſers Geiſtes.
Daß er den Augen ſelbſt nicht ſichtbar. Bey dieſer Kleinheit faͤllt mir bey: “Ob nicht, die unſichtbare Kleinheit des Geiſtes, noch viel kleiner ſey? “Ob nicht von dieſem kleinen Punct der Abſtand zu des Geiſtes Schranken “Vielleicht ſo groß, als wie der Abſtand des Aug- Puncts von des Himmels Hoͤhn? “Wie, oder ob vom kleinſten Koͤrper zum Geiſt, der Quelle der Gedanken, “Vielleicht kein Abſtand uͤberall, und gar kein Raum ihm zuzuſtehn?
Hier ſcheinen, wie des Koͤrpers Augen, des Geiſtes Augen zu erblinden: Sie koͤnnen zwar was ſehr betraͤchtlichs, doch nichts begreifliches, hier finden. Doch, da der Geiſt in einem Bande mit ſeinem Leib und Koͤrper ſteht; So ſcheints, daß er, mit ſeinem Denken, noch nicht aus ſeinem Schranken geht, Wenn er ſich dennoch Schluͤſſ’ erlaubet, Und Graͤnzen zwiſchen ihnen glaubet. Es moͤgen nun dieſelbigen ſo unempfindlich, zart und klein, Ja wie ein mathematſcher Punct, und, waͤr’ es moͤglich, kleiner ſeyn: Doch, weil es meinem Blick zu tief, und ich es nicht vermag zu faſſen; Will ich es eines ſchaͤrfern Geiſts gepruͤftrer Meynung uͤberlaſſen,
Und
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Die Groͤße unſers Geiſtes.
Daß er den Augen ſelbſt nicht ſichtbar. Bey dieſer
Kleinheit faͤllt mir bey:
“Ob nicht, die unſichtbare Kleinheit des Geiſtes, noch
viel kleiner ſey?
“Ob nicht von dieſem kleinen Punct der Abſtand zu des
Geiſtes Schranken
“Vielleicht ſo groß, als wie der Abſtand des Aug-
Puncts von des Himmels Hoͤhn?
“Wie, oder ob vom kleinſten Koͤrper zum Geiſt, der
Quelle der Gedanken,
“Vielleicht kein Abſtand uͤberall, und gar kein Raum
ihm zuzuſtehn?
Hier ſcheinen, wie des Koͤrpers Augen, des Geiſtes
Augen zu erblinden:
Sie koͤnnen zwar was ſehr betraͤchtlichs, doch nichts
begreifliches, hier finden.
Doch, da der Geiſt in einem Bande mit ſeinem Leib
und Koͤrper ſteht;
So ſcheints, daß er, mit ſeinem Denken, noch nicht aus
ſeinem Schranken geht,
Wenn er ſich dennoch Schluͤſſ’ erlaubet,
Und Graͤnzen zwiſchen ihnen glaubet.
Es moͤgen nun dieſelbigen ſo unempfindlich, zart und
klein,
Ja wie ein mathematſcher Punct, und, waͤr’ es moͤglich,
kleiner ſeyn:
Doch, weil es meinem Blick zu tief, und ich es nicht
vermag zu faſſen;
Will ich es eines ſchaͤrfern Geiſts gepruͤftrer Meynung
uͤberlaſſen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/502>, abgerufen am 16.02.2025.
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