Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
auf das 1745ste Jahr.
Die Sonne war nun untergangen, der Abend brach
gemach herein,

Als Silvius den Cernamir, beym Essen, ein paar
Gläser Wein

Mehr, als gewöhnlich, trinken ließ: wobey er einen
weissen Saft,

Von einer schläfrig machenden und opiatschen Eigenschaft,
Ganz unvermerkt, zu mischen wußte, daß Cernamir,
durch diesen Trank

Benebelt, und gemach betäubt, in einen tiefen Schlum-
mer sank.

Sie brachten ihn hierauf so gleich in das bestellte Boot,
und legten

Die Reis', in etwan einer Stunde, weil sie die Ruder
kräftig regten,

Bis an die Stadt beglückt zurück. Den Cernamiro
brachte man

So gleich in ein geputztes Bette, ließ ihn allein, und
gab sodann,

Des Morgens, Acht auf sein Betragen. Wie selbiger
nun früh erwachte,

Und sich die Menge neuer Vorwürf' ihm, unvermuthet,
sichtbar machte;

Jst leicht zu glauben, daß ihn alles in gänzliche Ver-
wirrung brachte.

Erst blieb er eine lange Zeit, und ohne sich zu rühren, liegen;
Ließ aber die erstaunten Blicke auf alles, was im Zim-
mer, fliegen,

So daß er fast, in seinen Augen, allein zu leben schien.
Er fiel

Von einem Vorwurf auf den andern: Bald war dieß
seiner Augen Ziel,
Bald
8 Theil. D d
auf das 1745ſte Jahr.
Die Sonne war nun untergangen, der Abend brach
gemach herein,

Als Silvius den Cernamir, beym Eſſen, ein paar
Glaͤſer Wein

Mehr, als gewoͤhnlich, trinken ließ: wobey er einen
weiſſen Saft,

Von einer ſchlaͤfrig machenden und opiatſchen Eigenſchaft,
Ganz unvermerkt, zu miſchen wußte, daß Cernamir,
durch dieſen Trank

Benebelt, und gemach betaͤubt, in einen tiefen Schlum-
mer ſank.

Sie brachten ihn hierauf ſo gleich in das beſtellte Boot,
und legten

Die Reiſ’, in etwan einer Stunde, weil ſie die Ruder
kraͤftig regten,

Bis an die Stadt begluͤckt zuruͤck. Den Cernamiro
brachte man

So gleich in ein geputztes Bette, ließ ihn allein, und
gab ſodann,

Des Morgens, Acht auf ſein Betragen. Wie ſelbiger
nun fruͤh erwachte,

Und ſich die Menge neuer Vorwuͤrf’ ihm, unvermuthet,
ſichtbar machte;

Jſt leicht zu glauben, daß ihn alles in gaͤnzliche Ver-
wirrung brachte.

Erſt blieb er eine lange Zeit, und ohne ſich zu ruͤhren, liegen;
Ließ aber die erſtaunten Blicke auf alles, was im Zim-
mer, fliegen,

So daß er faſt, in ſeinen Augen, allein zu leben ſchien.
Er fiel

Von einem Vorwurf auf den andern: Bald war dieß
ſeiner Augen Ziel,
Bald
8 Theil. D d
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <lg type="poem">
                <pb facs="#f0431" n="417"/>
                <fw place="top" type="header">auf das 1745&#x017F;te Jahr.</fw><lb/>
                <lg n="9">
                  <l>Die Sonne war nun untergangen, der Abend brach<lb/><hi rendition="#et">gemach herein,</hi></l><lb/>
                  <l>Als <hi rendition="#fr">Silvius</hi> den <hi rendition="#fr">Cernamir,</hi> beym E&#x017F;&#x017F;en, ein paar<lb/><hi rendition="#et">Gla&#x0364;&#x017F;er Wein</hi></l><lb/>
                  <l>Mehr, als gewo&#x0364;hnlich, trinken ließ: wobey er einen<lb/><hi rendition="#et">wei&#x017F;&#x017F;en Saft,</hi></l><lb/>
                  <l>Von einer &#x017F;chla&#x0364;frig machenden und opiat&#x017F;chen Eigen&#x017F;chaft,</l><lb/>
                  <l>Ganz unvermerkt, zu mi&#x017F;chen wußte, daß <hi rendition="#fr">Cernamir,</hi><lb/><hi rendition="#et">durch die&#x017F;en Trank</hi></l><lb/>
                  <l>Benebelt, und gemach beta&#x0364;ubt, in einen tiefen Schlum-<lb/><hi rendition="#et">mer &#x017F;ank.</hi></l><lb/>
                  <l>Sie brachten ihn hierauf &#x017F;o gleich in das be&#x017F;tellte Boot,<lb/><hi rendition="#et">und legten</hi></l><lb/>
                  <l>Die Rei&#x017F;&#x2019;, in etwan einer Stunde, weil &#x017F;ie die Ruder<lb/><hi rendition="#et">kra&#x0364;ftig regten,</hi></l><lb/>
                  <l>Bis an die Stadt beglu&#x0364;ckt zuru&#x0364;ck. Den <hi rendition="#fr">Cernamiro</hi><lb/><hi rendition="#et">brachte man</hi></l><lb/>
                  <l>So gleich in ein geputztes Bette, ließ ihn allein, und<lb/><hi rendition="#et">gab &#x017F;odann,</hi></l><lb/>
                  <l>Des Morgens, Acht auf &#x017F;ein Betragen. Wie &#x017F;elbiger<lb/><hi rendition="#et">nun fru&#x0364;h erwachte,</hi></l><lb/>
                  <l>Und &#x017F;ich die Menge neuer Vorwu&#x0364;rf&#x2019; ihm, unvermuthet,<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ichtbar machte;</hi></l><lb/>
                  <l>J&#x017F;t leicht zu glauben, daß ihn alles in ga&#x0364;nzliche Ver-<lb/><hi rendition="#et">wirrung brachte.</hi></l><lb/>
                  <l>Er&#x017F;t blieb er eine lange Zeit, und ohne &#x017F;ich zu ru&#x0364;hren, liegen;</l><lb/>
                  <l>Ließ aber die er&#x017F;taunten Blicke auf alles, was im Zim-<lb/><hi rendition="#et">mer, fliegen,</hi></l><lb/>
                  <l>So daß er fa&#x017F;t, in &#x017F;einen Augen, allein zu leben &#x017F;chien.<lb/><hi rendition="#et">Er fiel</hi></l><lb/>
                  <l>Von einem Vorwurf auf den andern: Bald war dieß<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;einer Augen Ziel,</hi></l>
                </lg><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig">8 Theil. D d</fw>
                <fw place="bottom" type="catch">Bald</fw><lb/>
              </lg>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[417/0431] auf das 1745ſte Jahr. Die Sonne war nun untergangen, der Abend brach gemach herein, Als Silvius den Cernamir, beym Eſſen, ein paar Glaͤſer Wein Mehr, als gewoͤhnlich, trinken ließ: wobey er einen weiſſen Saft, Von einer ſchlaͤfrig machenden und opiatſchen Eigenſchaft, Ganz unvermerkt, zu miſchen wußte, daß Cernamir, durch dieſen Trank Benebelt, und gemach betaͤubt, in einen tiefen Schlum- mer ſank. Sie brachten ihn hierauf ſo gleich in das beſtellte Boot, und legten Die Reiſ’, in etwan einer Stunde, weil ſie die Ruder kraͤftig regten, Bis an die Stadt begluͤckt zuruͤck. Den Cernamiro brachte man So gleich in ein geputztes Bette, ließ ihn allein, und gab ſodann, Des Morgens, Acht auf ſein Betragen. Wie ſelbiger nun fruͤh erwachte, Und ſich die Menge neuer Vorwuͤrf’ ihm, unvermuthet, ſichtbar machte; Jſt leicht zu glauben, daß ihn alles in gaͤnzliche Ver- wirrung brachte. Erſt blieb er eine lange Zeit, und ohne ſich zu ruͤhren, liegen; Ließ aber die erſtaunten Blicke auf alles, was im Zim- mer, fliegen, So daß er faſt, in ſeinen Augen, allein zu leben ſchien. Er fiel Von einem Vorwurf auf den andern: Bald war dieß ſeiner Augen Ziel, Bald 8 Theil. D d

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/431
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/431>, abgerufen am 19.05.2024.