Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Betrachtungen über die Natur
Der Nutzen wird nicht früh und spät, in unsrer Dämm-
rung nur, verspühret;

Auch wenn die Sonn' am höchsten steht, verschafft die
Luft uns, und gebieret,

Die stärksten Wirkungen des Lichts. Der Strahl selbst,
den die Erd' erhält,

Schlägt wieder rückwärts in die Luft; wo er aufs neu
herunter fällt,

Und alle Vorwürf' helle macht, durch ihr stets nieder-
schlagend regen,

Wodurch sie uns erwärmt und leuchtet, durch ein bestän-
diges Bewegen.

Denn daß die Luft, zusamt dem Licht, zugleich uns auch
die Wärm' erhält,

Sie bald vermehret, bald vermindert, hat die Erfahrung
festgestellt.

Der Luft-Kreiß macht und unterhält um uns den allge-
meinen Tag,

Durch den man alles, was erschaffen, und körperlich,
zu sehn vermag;

Der aber, wenn mans recht bedenkt, und sich nicht, wie
bishero, irrt,

Weit minder noch durchs Sonnen-Licht, als durch die
Luft, verursacht wird.
Dieß wird man nicht so leichtlich glauben. Wie?
wird man sagen, wenn die Luft,

Da sie der Sonnen Licht vereint, den Tag verursacht;
(laß den Duft

Einst, in Gedanken, sich verlieren)
Wird man sodann die Sonne sehn, und dennoch keinen
Tag verspühren?
Jch
Betrachtungen uͤber die Natur
Der Nutzen wird nicht fruͤh und ſpaͤt, in unſrer Daͤmm-
rung nur, verſpuͤhret;

Auch wenn die Sonn’ am hoͤchſten ſteht, verſchafft die
Luft uns, und gebieret,

Die ſtaͤrkſten Wirkungen des Lichts. Der Strahl ſelbſt,
den die Erd’ erhaͤlt,

Schlaͤgt wieder ruͤckwaͤrts in die Luft; wo er aufs neu
herunter faͤllt,

Und alle Vorwuͤrf’ helle macht, durch ihr ſtets nieder-
ſchlagend regen,

Wodurch ſie uns erwaͤrmt und leuchtet, durch ein beſtaͤn-
diges Bewegen.

Denn daß die Luft, zuſamt dem Licht, zugleich uns auch
die Waͤrm’ erhaͤlt,

Sie bald vermehret, bald vermindert, hat die Erfahrung
feſtgeſtellt.

Der Luft-Kreiß macht und unterhaͤlt um uns den allge-
meinen Tag,

Durch den man alles, was erſchaffen, und koͤrperlich,
zu ſehn vermag;

Der aber, wenn mans recht bedenkt, und ſich nicht, wie
bishero, irrt,

Weit minder noch durchs Sonnen-Licht, als durch die
Luft, verurſacht wird.
Dieß wird man nicht ſo leichtlich glauben. Wie?
wird man ſagen, wenn die Luft,

Da ſie der Sonnen Licht vereint, den Tag verurſacht;
(laß den Duft

Einſt, in Gedanken, ſich verlieren)
Wird man ſodann die Sonne ſehn, und dennoch keinen
Tag verſpuͤhren?
Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0380" n="366"/>
              <fw place="top" type="header">Betrachtungen u&#x0364;ber die Natur</fw><lb/>
              <lg n="12">
                <l>Der Nutzen wird nicht fru&#x0364;h und &#x017F;pa&#x0364;t, in un&#x017F;rer Da&#x0364;mm-<lb/><hi rendition="#et">rung nur, ver&#x017F;pu&#x0364;hret;</hi></l><lb/>
                <l>Auch wenn die Sonn&#x2019; am ho&#x0364;ch&#x017F;ten &#x017F;teht, ver&#x017F;chafft die<lb/><hi rendition="#et">Luft uns, und gebieret,</hi></l><lb/>
                <l>Die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Wirkungen des Lichts. Der Strahl &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/><hi rendition="#et">den die Erd&#x2019; erha&#x0364;lt,</hi></l><lb/>
                <l>Schla&#x0364;gt wieder ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts in die Luft; wo er aufs neu<lb/><hi rendition="#et">herunter fa&#x0364;llt,</hi></l><lb/>
                <l>Und alle Vorwu&#x0364;rf&#x2019; helle macht, durch ihr &#x017F;tets nieder-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chlagend regen,</hi></l><lb/>
                <l>Wodurch &#x017F;ie uns erwa&#x0364;rmt und leuchtet, durch ein be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/><hi rendition="#et">diges Bewegen.</hi></l><lb/>
                <l>Denn daß die Luft, zu&#x017F;amt dem Licht, zugleich uns auch<lb/><hi rendition="#et">die Wa&#x0364;rm&#x2019; erha&#x0364;lt,</hi></l><lb/>
                <l>Sie bald vermehret, bald vermindert, hat die Erfahrung<lb/><hi rendition="#et">fe&#x017F;tge&#x017F;tellt.</hi></l><lb/>
                <l>Der Luft-Kreiß macht und unterha&#x0364;lt um uns den allge-<lb/><hi rendition="#et">meinen Tag,</hi></l><lb/>
                <l>Durch den man alles, was er&#x017F;chaffen, und ko&#x0364;rperlich,<lb/><hi rendition="#et">zu &#x017F;ehn vermag;</hi></l><lb/>
                <l>Der aber, wenn mans recht bedenkt, und &#x017F;ich nicht, wie<lb/><hi rendition="#et">bishero, irrt,</hi></l><lb/>
                <l>Weit minder noch durchs Sonnen-Licht, als durch die<lb/><hi rendition="#et">Luft, verur&#x017F;acht wird.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="13">
                <l>Dieß wird man nicht &#x017F;o leichtlich glauben. Wie?<lb/><hi rendition="#et">wird man &#x017F;agen, wenn die Luft,</hi></l><lb/>
                <l>Da &#x017F;ie der Sonnen Licht vereint, den Tag verur&#x017F;acht;<lb/><hi rendition="#et">(laß den Duft</hi></l><lb/>
                <l>Ein&#x017F;t, in Gedanken, &#x017F;ich verlieren)</l><lb/>
                <l>Wird man &#x017F;odann die Sonne &#x017F;ehn, und dennoch keinen<lb/><hi rendition="#et">Tag ver&#x017F;pu&#x0364;hren?</hi></l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0380] Betrachtungen uͤber die Natur Der Nutzen wird nicht fruͤh und ſpaͤt, in unſrer Daͤmm- rung nur, verſpuͤhret; Auch wenn die Sonn’ am hoͤchſten ſteht, verſchafft die Luft uns, und gebieret, Die ſtaͤrkſten Wirkungen des Lichts. Der Strahl ſelbſt, den die Erd’ erhaͤlt, Schlaͤgt wieder ruͤckwaͤrts in die Luft; wo er aufs neu herunter faͤllt, Und alle Vorwuͤrf’ helle macht, durch ihr ſtets nieder- ſchlagend regen, Wodurch ſie uns erwaͤrmt und leuchtet, durch ein beſtaͤn- diges Bewegen. Denn daß die Luft, zuſamt dem Licht, zugleich uns auch die Waͤrm’ erhaͤlt, Sie bald vermehret, bald vermindert, hat die Erfahrung feſtgeſtellt. Der Luft-Kreiß macht und unterhaͤlt um uns den allge- meinen Tag, Durch den man alles, was erſchaffen, und koͤrperlich, zu ſehn vermag; Der aber, wenn mans recht bedenkt, und ſich nicht, wie bishero, irrt, Weit minder noch durchs Sonnen-Licht, als durch die Luft, verurſacht wird. Dieß wird man nicht ſo leichtlich glauben. Wie? wird man ſagen, wenn die Luft, Da ſie der Sonnen Licht vereint, den Tag verurſacht; (laß den Duft Einſt, in Gedanken, ſich verlieren) Wird man ſodann die Sonne ſehn, und dennoch keinen Tag verſpuͤhren? Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/380
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/380>, abgerufen am 25.11.2024.