Was alles auf der Welt erhält, was alles auf der Welt verbindet, Jst die nothwendge Wechsel-Hülfe, die einer an dem andern findet; Weil keiner lebt auf dieser Erden, er fang' es, wie er will auch, an, Der keines andern nöthig hat, und sonder alle leben kann. Wer vieles kann, hat selten viel: Wer viel besitzt, wird nicht viel können. Daher entsteht, da dieser hat, und jener kann, ein Gleich- gewicht, Wenn der, der hat, dem, welcher kann, und der, so kann, nach seiner Pflicht, Das, was er kann, dem, der da hat, für das, was er hat, gern wird gönnen: Wodurch die Reichen und die Armen, die Klugen, Dum- men, Starken, Schwachen, Die tapfer sind, und die, so furchtsam, ein Bündniß mit einander machen, Und sich, ohn beyderseits Verderben, nicht können von einander trennen.
Nun muß zwar (wie in vielen Dingen) von vielen, welche dieß nicht fassen, Auch hier die allerhöchste Weisheit Sich, von der Thor- heit, meistern lassen; Wenn fast die meisten sich beschwehren, daß Gott der Herr, in diesem Leben, Nicht allen Menschen, Seine Güter, in einem gleichen Maß gegeben: Allein, wenn sie es untersuchten, so würde jedermann gestehn, Daß alle Dinge, die geschehen, zu ihrer aller Heil geschehn.
Um
Nutzen des Mangels,
Was alles auf der Welt erhaͤlt, was alles auf der Welt verbindet, Jſt die nothwendge Wechſel-Huͤlfe, die einer an dem andern findet; Weil keiner lebt auf dieſer Erden, er fang’ es, wie er will auch, an, Der keines andern noͤthig hat, und ſonder alle leben kann. Wer vieles kann, hat ſelten viel: Wer viel beſitzt, wird nicht viel koͤnnen. Daher entſteht, da dieſer hat, und jener kann, ein Gleich- gewicht, Wenn der, der hat, dem, welcher kann, und der, ſo kann, nach ſeiner Pflicht, Das, was er kann, dem, der da hat, fuͤr das, was er hat, gern wird goͤnnen: Wodurch die Reichen und die Armen, die Klugen, Dum- men, Starken, Schwachen, Die tapfer ſind, und die, ſo furchtſam, ein Buͤndniß mit einander machen, Und ſich, ohn beyderſeits Verderben, nicht koͤnnen von einander trennen.
Nun muß zwar (wie in vielen Dingen) von vielen, welche dieß nicht faſſen, Auch hier die allerhoͤchſte Weisheit Sich, von der Thor- heit, meiſtern laſſen; Wenn faſt die meiſten ſich beſchwehren, daß Gott der Herr, in dieſem Leben, Nicht allen Menſchen, Seine Guͤter, in einem gleichen Maß gegeben: Allein, wenn ſie es unterſuchten, ſo wuͤrde jedermann geſtehn, Daß alle Dinge, die geſchehen, zu ihrer aller Heil geſchehn.
Um
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Nutzen des Mangels,
Was alles auf der Welt erhaͤlt, was alles auf der
Welt verbindet,
Jſt die nothwendge Wechſel-Huͤlfe, die einer an dem
andern findet;
Weil keiner lebt auf dieſer Erden, er fang’ es, wie er
will auch, an,
Der keines andern noͤthig hat, und ſonder alle leben kann.
Wer vieles kann, hat ſelten viel: Wer viel beſitzt, wird
nicht viel koͤnnen.
Daher entſteht, da dieſer hat, und jener kann, ein Gleich-
gewicht,
Wenn der, der hat, dem, welcher kann, und der, ſo kann,
nach ſeiner Pflicht,
Das, was er kann, dem, der da hat, fuͤr das, was er hat,
gern wird goͤnnen:
Wodurch die Reichen und die Armen, die Klugen, Dum-
men, Starken, Schwachen,
Die tapfer ſind, und die, ſo furchtſam, ein Buͤndniß
mit einander machen,
Und ſich, ohn beyderſeits Verderben, nicht koͤnnen von
einander trennen.
Nun muß zwar (wie in vielen Dingen) von vielen,
welche dieß nicht faſſen,
Auch hier die allerhoͤchſte Weisheit Sich, von der Thor-
heit, meiſtern laſſen;
Wenn faſt die meiſten ſich beſchwehren, daß Gott der Herr,
in dieſem Leben,
Nicht allen Menſchen, Seine Guͤter, in einem gleichen
Maß gegeben:
Allein, wenn ſie es unterſuchten, ſo wuͤrde jedermann
geſtehn,
Daß alle Dinge, die geſchehen, zu ihrer aller Heil geſchehn.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/306>, abgerufen am 20.06.2024.
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