Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
in einem Neu-Jahrs-Gedichte.
Um nun, von dieser großen Wahrheit, ein deutlichs
Ebenbild zu geben,

Will ich, was einst Chrysostomus, zu diesem Endzweck,
von der Welt

Für ein vortreff lichs Bild gezeigt, euch auch zu zeigen,
mich bestreben.
Er spricht: Es ward, vor vielen Jahren, zu einer
recht glückselgen Stadt,

Ein unvergleichlich fruchtbarer und schöner Boden aus-
ersehen,

Der alles, was nur die Natur, an Pracht und Lustig-
keiten, hatt',

Jn seiner Lag' in sich beschloß. Die allerzierlichsten Alleen,
Die allerherrlichsten Palläste, von Marmor, Jaspis und
Porphier,

Die allerschönsten Lust-Fontainen, Bosquetten, Gärten,
waren hier;

Parterren, Wälder von Laurier, Orangerien, große Teiche.
Die Bürger dieses Lust-Reviers, sind lauter Edle, lauter
Reiche,

Jn Purpur und Drap d'or gekleidet, mit Perlen und
Rubin behangen.

Man sahe nichts, als güldne Meublen, in ungemeßnen
Zimmern, prangen.
Um nun, mit sich allein vergnügt, in Ruh' und Sicher-
heit zu seyn;

So gruben sie die Ueberschrift, auf allen ihren Thoren, ein:
"Kein Armer nahe sich herzu! kein polternd Hand-
werk, Hunger, Noth!
"Kein grämlichs Sorgen! keine Bauren! kein'
Arbeit! keine Sucht nach Brodt!
Hin-
T 3
in einem Neu-Jahrs-Gedichte.
Um nun, von dieſer großen Wahrheit, ein deutlichs
Ebenbild zu geben,

Will ich, was einſt Chryſoſtomus, zu dieſem Endzweck,
von der Welt

Fuͤr ein vortreff lichs Bild gezeigt, euch auch zu zeigen,
mich beſtreben.
Er ſpricht: Es ward, vor vielen Jahren, zu einer
recht gluͤckſelgen Stadt,

Ein unvergleichlich fruchtbarer und ſchoͤner Boden aus-
erſehen,

Der alles, was nur die Natur, an Pracht und Luſtig-
keiten, hatt’,

Jn ſeiner Lag’ in ſich beſchloß. Die allerzierlichſten Alleen,
Die allerherrlichſten Pallaͤſte, von Marmor, Jaſpis und
Porphier,

Die allerſchoͤnſten Luſt-Fontainen, Boſquetten, Gaͤrten,
waren hier;

Parterren, Waͤlder von Laurier, Orangerien, große Teiche.
Die Buͤrger dieſes Luſt-Reviers, ſind lauter Edle, lauter
Reiche,

Jn Purpur und Drap d’or gekleidet, mit Perlen und
Rubin behangen.

Man ſahe nichts, als guͤldne Meublen, in ungemeßnen
Zimmern, prangen.
Um nun, mit ſich allein vergnuͤgt, in Ruh’ und Sicher-
heit zu ſeyn;

So gruben ſie die Ueberſchrift, auf allen ihren Thoren, ein:
Kein Armer nahe ſich herzu! kein polternd Hand-
werk, Hunger, Noth!
“Kein graͤmlichs Sorgen! keine Bauren! kein’
Arbeit! keine Sucht nach Brodt!
Hin-
T 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0307" n="293"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in einem Neu-Jahrs-Gedichte.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="11">
                <l>Um nun, von die&#x017F;er großen Wahrheit, ein deutlichs<lb/><hi rendition="#et">Ebenbild zu geben,</hi></l><lb/>
                <l>Will ich, was ein&#x017F;t <hi rendition="#fr">Chry&#x017F;o&#x017F;tomus,</hi> zu die&#x017F;em Endzweck,<lb/><hi rendition="#et">von der Welt</hi></l><lb/>
                <l>Fu&#x0364;r ein vortreff lichs Bild gezeigt, euch auch zu zeigen,<lb/><hi rendition="#et">mich be&#x017F;treben.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="12">
                <l>Er &#x017F;pricht: Es ward, vor vielen Jahren, zu einer<lb/><hi rendition="#et">recht glu&#x0364;ck&#x017F;elgen Stadt,</hi></l><lb/>
                <l>Ein unvergleichlich fruchtbarer und &#x017F;cho&#x0364;ner Boden aus-<lb/><hi rendition="#et">er&#x017F;ehen,</hi></l><lb/>
                <l>Der alles, was nur die Natur, an Pracht und Lu&#x017F;tig-<lb/><hi rendition="#et">keiten, hatt&#x2019;,</hi></l><lb/>
                <l>Jn &#x017F;einer Lag&#x2019; in &#x017F;ich be&#x017F;chloß. Die allerzierlich&#x017F;ten Alleen,</l><lb/>
                <l>Die allerherrlich&#x017F;ten Palla&#x0364;&#x017F;te, von Marmor, Ja&#x017F;pis und<lb/><hi rendition="#et">Porphier,</hi></l><lb/>
                <l>Die aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Lu&#x017F;t-Fontainen, Bo&#x017F;quetten, Ga&#x0364;rten,<lb/><hi rendition="#et">waren hier;</hi></l><lb/>
                <l>Parterren, Wa&#x0364;lder von Laurier, Orangerien, große Teiche.</l><lb/>
                <l>Die Bu&#x0364;rger die&#x017F;es Lu&#x017F;t-Reviers, &#x017F;ind lauter Edle, lauter<lb/><hi rendition="#et">Reiche,</hi></l><lb/>
                <l>Jn Purpur und Drap d&#x2019;or gekleidet, mit Perlen und<lb/><hi rendition="#et">Rubin behangen.</hi></l><lb/>
                <l>Man &#x017F;ahe nichts, als gu&#x0364;ldne Meublen, in ungemeßnen<lb/><hi rendition="#et">Zimmern, prangen.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="13">
                <l>Um nun, mit &#x017F;ich allein vergnu&#x0364;gt, in Ruh&#x2019; und Sicher-<lb/><hi rendition="#et">heit zu &#x017F;eyn;</hi></l><lb/>
                <l>So gruben &#x017F;ie die Ueber&#x017F;chrift, auf allen ihren Thoren, ein:</l><lb/>
                <l>&#x201C;<hi rendition="#fr">Kein Armer nahe &#x017F;ich herzu! kein polternd Hand-</hi></l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">werk, Hunger, Noth!</hi> </hi><lb/> <hi rendition="#et">&#x201C;Kein gra&#x0364;mlichs Sorgen! keine Bauren! kein&#x2019;<lb/><hi rendition="#et">Arbeit! keine Sucht nach Brodt!</hi></hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">T 3</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Hin-</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0307] in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Um nun, von dieſer großen Wahrheit, ein deutlichs Ebenbild zu geben, Will ich, was einſt Chryſoſtomus, zu dieſem Endzweck, von der Welt Fuͤr ein vortreff lichs Bild gezeigt, euch auch zu zeigen, mich beſtreben. Er ſpricht: Es ward, vor vielen Jahren, zu einer recht gluͤckſelgen Stadt, Ein unvergleichlich fruchtbarer und ſchoͤner Boden aus- erſehen, Der alles, was nur die Natur, an Pracht und Luſtig- keiten, hatt’, Jn ſeiner Lag’ in ſich beſchloß. Die allerzierlichſten Alleen, Die allerherrlichſten Pallaͤſte, von Marmor, Jaſpis und Porphier, Die allerſchoͤnſten Luſt-Fontainen, Boſquetten, Gaͤrten, waren hier; Parterren, Waͤlder von Laurier, Orangerien, große Teiche. Die Buͤrger dieſes Luſt-Reviers, ſind lauter Edle, lauter Reiche, Jn Purpur und Drap d’or gekleidet, mit Perlen und Rubin behangen. Man ſahe nichts, als guͤldne Meublen, in ungemeßnen Zimmern, prangen. Um nun, mit ſich allein vergnuͤgt, in Ruh’ und Sicher- heit zu ſeyn; So gruben ſie die Ueberſchrift, auf allen ihren Thoren, ein: “Kein Armer nahe ſich herzu! kein polternd Hand- werk, Hunger, Noth! “Kein graͤmlichs Sorgen! keine Bauren! kein’ Arbeit! keine Sucht nach Brodt! Hin- T 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/307
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/307>, abgerufen am 23.11.2024.