Ach laß, o weisester Regierer! von meinem Dir geweih- ten Singen, Den Ausdruck, wie die Absicht, Dir gefallen, und mein Thun gelingen!
Daß diese Welt ganz unbegreiflich, so manchen ganz verschiednen Staat, Und jeder Stand und Staat aufs neue so viele Reich' und Arme, hat; Daß manche glücklich, wenn viel andre hingegen unglück- selig, scheinen: Jst (wie vielleicht die allermeisten es in der That nicht anders meynen) Gar nicht ein ungefährer Zufall. Vielmehr hat alles seinen Grund, Jn einer Göttlich-weisen Ordnung; die aber bloß nur denen kund, Die es, in Demuth, überlegen. Man wird, wenn dieß geschicht, befinden, Daß die Verschiedenheit der Stände, auch nach den allerstrengsten Gründen Der menschlichen Regierungs-Kunst, nicht nur von allen Mängeln frey; Nein, daß sie gar, zum Heil des Ganzen, unwidersprech- lich nöthig sey: So daß, wenn man dieß scheinend Uebel, das aber, in der That, ein Gut, Wodurch des Höchsten weise Vorsicht besondre Wunder an uns thut, Vermögend wären, wegzunehmen, und es zu ändern; auf der Erden Ein' unglückselige Verwirrung, die unerträglich, würde werden.
Was
T 2
in einem Neu-Jahrs-Gedichte.
Ach laß, o weiſeſter Regierer! von meinem Dir geweih- ten Singen, Den Ausdruck, wie die Abſicht, Dir gefallen, und mein Thun gelingen!
Daß dieſe Welt ganz unbegreiflich, ſo manchen ganz verſchiednen Staat, Und jeder Stand und Staat aufs neue ſo viele Reich’ und Arme, hat; Daß manche gluͤcklich, wenn viel andre hingegen ungluͤck- ſelig, ſcheinen: Jſt (wie vielleicht die allermeiſten es in der That nicht anders meynen) Gar nicht ein ungefaͤhrer Zufall. Vielmehr hat alles ſeinen Grund, Jn einer Goͤttlich-weiſen Ordnung; die aber bloß nur denen kund, Die es, in Demuth, uͤberlegen. Man wird, wenn dieß geſchicht, befinden, Daß die Verſchiedenheit der Staͤnde, auch nach den allerſtrengſten Gruͤnden Der menſchlichen Regierungs-Kunſt, nicht nur von allen Maͤngeln frey; Nein, daß ſie gar, zum Heil des Ganzen, unwiderſprech- lich noͤthig ſey: So daß, wenn man dieß ſcheinend Uebel, das aber, in der That, ein Gut, Wodurch des Hoͤchſten weiſe Vorſicht beſondre Wunder an uns thut, Vermoͤgend waͤren, wegzunehmen, und es zu aͤndern; auf der Erden Ein’ ungluͤckſelige Verwirrung, die unertraͤglich, wuͤrde werden.
Was
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in einem Neu-Jahrs-Gedichte.
Ach laß, o weiſeſter Regierer! von meinem Dir geweih-
ten Singen,
Den Ausdruck, wie die Abſicht, Dir gefallen, und mein
Thun gelingen!
Daß dieſe Welt ganz unbegreiflich, ſo manchen ganz
verſchiednen Staat,
Und jeder Stand und Staat aufs neue ſo viele Reich’
und Arme, hat;
Daß manche gluͤcklich, wenn viel andre hingegen ungluͤck-
ſelig, ſcheinen:
Jſt (wie vielleicht die allermeiſten es in der That nicht
anders meynen)
Gar nicht ein ungefaͤhrer Zufall. Vielmehr hat alles
ſeinen Grund,
Jn einer Goͤttlich-weiſen Ordnung; die aber bloß nur
denen kund,
Die es, in Demuth, uͤberlegen. Man wird, wenn dieß
geſchicht, befinden,
Daß die Verſchiedenheit der Staͤnde, auch nach den
allerſtrengſten Gruͤnden
Der menſchlichen Regierungs-Kunſt, nicht nur von allen
Maͤngeln frey;
Nein, daß ſie gar, zum Heil des Ganzen, unwiderſprech-
lich noͤthig ſey:
So daß, wenn man dieß ſcheinend Uebel, das aber, in
der That, ein Gut,
Wodurch des Hoͤchſten weiſe Vorſicht beſondre Wunder
an uns thut,
Vermoͤgend waͤren, wegzunehmen, und es zu aͤndern;
auf der Erden
Ein’ ungluͤckſelige Verwirrung, die unertraͤglich, wuͤrde
werden.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/305>, abgerufen am 15.08.2024.
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