Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Ueber die Anmuth der Wälder.
Ein jeder Wald ein Wald von Wäldern, da jeder Baum
ein kleiner Wald.

Ja, wo wir etwas weiter gehn, hat jedes Blättchen
die Gestalt

Von einem Baum: nur, daß er platt;
Jndem es einen Stamm, im Stiel, und so viel Zweig',
als Adern, hat.
Dieß führt mich auf das Reich der Pflanzen. Der
ganze Kreis der schönen Erden

Wär', ohne Pflanzen, eine Wüste, ja könnte nicht bewoh-
net werden.

Man stelle sich einst, in Gedanken, ein Bild von einer
Erde für,

Worauf nur Sand, Morast und Klippen, nur Höhlen,
Berg' und Stein zu sehn;

Welch ein betrübt- und öder Vorwurf! beraubt von allem
dem, was schön!

Beraubt von Farben und Figuren, Glanz, Ordnung,
Nutzen, Pracht und Zier!
Jn Bäumen, Bluhmen, Gras und Kraut, besteht
der Erde ganze Pracht,

Erhalt- und Nahrung aller Thiere.
Sie sind demnach die größten Proben von einer weisen
Lieb' und Macht.
Doch, wieder auf den Wald zu kommen; seht der
geraden Stämme Menge;

Betrachtet die symmetrische, den Seulen gleiche, Ründ'
und Länge:

Bemerkt, was sich, in allen Zweigen,
Für holde Lieblichkeiten zeigen;
Die
Ueber die Anmuth der Waͤlder.
Ein jeder Wald ein Wald von Waͤldern, da jeder Baum
ein kleiner Wald.

Ja, wo wir etwas weiter gehn, hat jedes Blaͤttchen
die Geſtalt

Von einem Baum: nur, daß er platt;
Jndem es einen Stamm, im Stiel, und ſo viel Zweig’,
als Adern, hat.
Dieß fuͤhrt mich auf das Reich der Pflanzen. Der
ganze Kreis der ſchoͤnen Erden

Waͤr’, ohne Pflanzen, eine Wuͤſte, ja koͤnnte nicht bewoh-
net werden.

Man ſtelle ſich einſt, in Gedanken, ein Bild von einer
Erde fuͤr,

Worauf nur Sand, Moraſt und Klippen, nur Hoͤhlen,
Berg’ und Stein zu ſehn;

Welch ein betruͤbt- und oͤder Vorwurf! beraubt von allem
dem, was ſchoͤn!

Beraubt von Farben und Figuren, Glanz, Ordnung,
Nutzen, Pracht und Zier!
Jn Baͤumen, Bluhmen, Gras und Kraut, beſteht
der Erde ganze Pracht,

Erhalt- und Nahrung aller Thiere.
Sie ſind demnach die groͤßten Proben von einer weiſen
Lieb’ und Macht.
Doch, wieder auf den Wald zu kommen; ſeht der
geraden Staͤmme Menge;

Betrachtet die ſymmetriſche, den Seulen gleiche, Ruͤnd’
und Laͤnge:

Bemerkt, was ſich, in allen Zweigen,
Fuͤr holde Lieblichkeiten zeigen;
Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0182" n="168"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Ueber die Anmuth der Wa&#x0364;lder.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="4">
                <l>Ein jeder Wald ein Wald von Wa&#x0364;ldern, da jeder Baum<lb/><hi rendition="#et">ein kleiner Wald.</hi></l><lb/>
                <l>Ja, wo wir etwas weiter gehn, hat jedes Bla&#x0364;ttchen<lb/><hi rendition="#et">die Ge&#x017F;talt</hi></l><lb/>
                <l>Von einem Baum: nur, daß er platt;</l><lb/>
                <l>Jndem es einen Stamm, im Stiel, und &#x017F;o viel Zweig&#x2019;,<lb/><hi rendition="#et">als Adern, hat.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="5">
                <l>Dieß fu&#x0364;hrt mich auf das Reich der Pflanzen. Der<lb/><hi rendition="#et">ganze Kreis der &#x017F;cho&#x0364;nen Erden</hi></l><lb/>
                <l>Wa&#x0364;r&#x2019;, ohne Pflanzen, eine Wu&#x0364;&#x017F;te, ja ko&#x0364;nnte nicht bewoh-<lb/><hi rendition="#et">net werden.</hi></l><lb/>
                <l>Man &#x017F;telle &#x017F;ich ein&#x017F;t, in Gedanken, ein Bild von einer<lb/><hi rendition="#et">Erde fu&#x0364;r,</hi></l><lb/>
                <l>Worauf nur Sand, Mora&#x017F;t und Klippen, nur Ho&#x0364;hlen,<lb/><hi rendition="#et">Berg&#x2019; und Stein zu &#x017F;ehn;</hi></l><lb/>
                <l>Welch ein betru&#x0364;bt- und o&#x0364;der Vorwurf! beraubt von allem<lb/><hi rendition="#et">dem, was &#x017F;cho&#x0364;n!</hi></l><lb/>
                <l>Beraubt von Farben und Figuren, Glanz, Ordnung,<lb/><hi rendition="#et">Nutzen, Pracht und Zier!</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="6">
                <l>Jn Ba&#x0364;umen, Bluhmen, Gras und Kraut, be&#x017F;teht<lb/><hi rendition="#et">der Erde ganze Pracht,</hi></l><lb/>
                <l>Erhalt- und Nahrung aller Thiere.</l><lb/>
                <l>Sie &#x017F;ind demnach die gro&#x0364;ßten Proben von einer wei&#x017F;en<lb/><hi rendition="#et">Lieb&#x2019; und Macht.</hi></l>
              </lg><lb/>
              <lg n="7">
                <l>Doch, wieder auf den Wald zu kommen; &#x017F;eht der<lb/><hi rendition="#et">geraden Sta&#x0364;mme Menge;</hi></l><lb/>
                <l>Betrachtet die &#x017F;ymmetri&#x017F;che, den Seulen gleiche, Ru&#x0364;nd&#x2019;<lb/><hi rendition="#et">und La&#x0364;nge:</hi></l><lb/>
                <l>Bemerkt, was &#x017F;ich, in allen Zweigen,</l><lb/>
                <l>Fu&#x0364;r holde Lieblichkeiten zeigen;</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0182] Ueber die Anmuth der Waͤlder. Ein jeder Wald ein Wald von Waͤldern, da jeder Baum ein kleiner Wald. Ja, wo wir etwas weiter gehn, hat jedes Blaͤttchen die Geſtalt Von einem Baum: nur, daß er platt; Jndem es einen Stamm, im Stiel, und ſo viel Zweig’, als Adern, hat. Dieß fuͤhrt mich auf das Reich der Pflanzen. Der ganze Kreis der ſchoͤnen Erden Waͤr’, ohne Pflanzen, eine Wuͤſte, ja koͤnnte nicht bewoh- net werden. Man ſtelle ſich einſt, in Gedanken, ein Bild von einer Erde fuͤr, Worauf nur Sand, Moraſt und Klippen, nur Hoͤhlen, Berg’ und Stein zu ſehn; Welch ein betruͤbt- und oͤder Vorwurf! beraubt von allem dem, was ſchoͤn! Beraubt von Farben und Figuren, Glanz, Ordnung, Nutzen, Pracht und Zier! Jn Baͤumen, Bluhmen, Gras und Kraut, beſteht der Erde ganze Pracht, Erhalt- und Nahrung aller Thiere. Sie ſind demnach die groͤßten Proben von einer weiſen Lieb’ und Macht. Doch, wieder auf den Wald zu kommen; ſeht der geraden Staͤmme Menge; Betrachtet die ſymmetriſche, den Seulen gleiche, Ruͤnd’ und Laͤnge: Bemerkt, was ſich, in allen Zweigen, Fuͤr holde Lieblichkeiten zeigen; Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/182
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/182>, abgerufen am 21.11.2024.