Sie ziehet vor gethürmte Städte den sie verhüll'nden Vor- hang weg, Sie zeigt des Wildes Spuhr dem Jäger, dem Wandrer den gesuchten Steg. Die Herrlichkeit so reicher Schätze war noch vor kurzem ganz verlohren, Die Schatten hatten sie geraubt. Jtzt sind sie gleichsam neu gebohren, Erscheinen aus dem dunklen Nichts. Wie nun der Glanz des Morgen-Lichts, Ohn' unser Zuthun, wiederkehrt; So scheint uns eine neue Schöpfung, in seiner Wiederkunft, beschehrt, So daß man einen jeden Morgen, und einen jeden neuen Tag, So wohl, als wie den allerersten, betrachten und bewundern mag. Es ist, nicht minder als der erste, für uns jedwedes Tages Schein Ein neues göttliches Geschenke. Laßt uns denn täglich dankbar seyn!
Zur täglichen Gebuhrt der Erden wird, von dem neuen Morgen-Licht, Für uns noch ein Geschenk gefügt, das fast für uns geringer nicht, Als wie das erste: Wird uns nicht dadurch fast ein verneutes Leben, Jndem, als einer Art des Todes, es uns dem Schlaf entzieht, gegeben? Er giebet gleichsam uns den Geist, die Arme, Bein' und andre Glieder, Die, durch den Schlaf, nicht brauchbar waren, des Morgens uns aufs neue wieder.
Er
Die Morgen-Roͤhte.
Sie ziehet vor gethuͤrmte Staͤdte den ſie verhuͤll’nden Vor- hang weg, Sie zeigt des Wildes Spuhr dem Jaͤger, dem Wandrer den geſuchten Steg. Die Herrlichkeit ſo reicher Schaͤtze war noch vor kurzem ganz verlohren, Die Schatten hatten ſie geraubt. Jtzt ſind ſie gleichſam neu gebohren, Erſcheinen aus dem dunklen Nichts. Wie nun der Glanz des Morgen-Lichts, Ohn’ unſer Zuthun, wiederkehrt; So ſcheint uns eine neue Schoͤpfung, in ſeiner Wiederkunft, beſchehrt, So daß man einen jeden Morgen, und einen jeden neuen Tag, So wohl, als wie den allererſten, betrachten und bewundern mag. Es iſt, nicht minder als der erſte, fuͤr uns jedwedes Tages Schein Ein neues goͤttliches Geſchenke. Laßt uns denn taͤglich dankbar ſeyn!
Zur taͤglichen Gebuhrt der Erden wird, von dem neuen Morgen-Licht, Fuͤr uns noch ein Geſchenk gefuͤgt, das faſt fuͤr uns geringer nicht, Als wie das erſte: Wird uns nicht dadurch faſt ein verneutes Leben, Jndem, als einer Art des Todes, es uns dem Schlaf entzieht, gegeben? Er giebet gleichſam uns den Geiſt, die Arme, Bein’ und andre Glieder, Die, durch den Schlaf, nicht brauchbar waren, des Morgens uns aufs neue wieder.
Er
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Die Morgen-Roͤhte.
Sie ziehet vor gethuͤrmte Staͤdte den ſie verhuͤll’nden Vor-
hang weg,
Sie zeigt des Wildes Spuhr dem Jaͤger, dem Wandrer den
geſuchten Steg.
Die Herrlichkeit ſo reicher Schaͤtze war noch vor kurzem ganz
verlohren,
Die Schatten hatten ſie geraubt. Jtzt ſind ſie gleichſam neu
gebohren,
Erſcheinen aus dem dunklen Nichts.
Wie nun der Glanz des Morgen-Lichts,
Ohn’ unſer Zuthun, wiederkehrt;
So ſcheint uns eine neue Schoͤpfung, in ſeiner Wiederkunft,
beſchehrt,
So daß man einen jeden Morgen, und einen jeden neuen Tag,
So wohl, als wie den allererſten, betrachten und bewundern
mag.
Es iſt, nicht minder als der erſte, fuͤr uns jedwedes Tages
Schein
Ein neues goͤttliches Geſchenke. Laßt uns denn taͤglich
dankbar ſeyn!
Zur taͤglichen Gebuhrt der Erden wird, von dem neuen
Morgen-Licht,
Fuͤr uns noch ein Geſchenk gefuͤgt, das faſt fuͤr uns geringer
nicht,
Als wie das erſte: Wird uns nicht dadurch faſt ein verneutes
Leben,
Jndem, als einer Art des Todes, es uns dem Schlaf entzieht,
gegeben?
Er giebet gleichſam uns den Geiſt, die Arme, Bein’ und andre
Glieder,
Die, durch den Schlaf, nicht brauchbar waren, des Morgens
uns aufs neue wieder.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/222>, abgerufen am 24.11.2024.
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