Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Atheist.
Zu einer nicht gemeinen Ehre, er sucht was sonderlichs zu seyn.
Mit andern was gemein zu haben, ist ihm zu niedrig, zu ge-
mein.

Wenn aber er erwegen möchte, daß er verkehrte Wege wählet,
Und daß er die gesuchte Ehre, auf diese Weise, ganz verliehrt,
Da er, wenn er es recht erwegt, daß Schande, Schimpf
und Haß ihn quälet,

Ja daß er recht verabscheut wird, von allen Menschen fast,
verspürt,

So aus der Sache selber fließet. Wie kann ich doch mit
Recht begehren,

Es soll mich jemand lieben, schätzen, und mehr, als alle Men-
schen, ehren,

Den ich vor einen Narren halt, und der es weis, daß ich es thu?
Es kömmt zu dieser unverschämten und stolzen Furcht, noch
dieß hinzu,

Daß, da zur menschlichen Gesellschaft, und der dazu gehöri-
gen Pflicht,

Versprechen, Bund und Treu zu halten, gewiß ein Atheiste nicht
Geschickt noch jemals fähig ist, durch ihrer Furcht verwegne
Schlüsse,

Man sie, an statt sie zu verehren, nur vor Betrieger halten müsse.

Wann kein Verstand nun, bloß die Furcht, die armen
Atheisten macht:

So ist von eurer stolzen Furcht, auch hierin unser Schluß
gegründet,

Daß hier so wohl, als auch dereinst, ihr Ehre sucht und Schan-
de findet.

Nicht minder, daß es klar und wahr, wie wir es oben schon ge-
dacht:

Daß kein Verstand, kein Grund, kein Recht, die Furcht nur
Atheisten macht.
Der

Der Atheiſt.
Zu einer nicht gemeinen Ehre, er ſucht was ſonderlichs zu ſeyn.
Mit andern was gemein zu haben, iſt ihm zu niedrig, zu ge-
mein.

Wenn aber er erwegen moͤchte, daß er verkehrte Wege waͤhlet,
Und daß er die geſuchte Ehre, auf dieſe Weiſe, ganz verliehrt,
Da er, wenn er es recht erwegt, daß Schande, Schimpf
und Haß ihn quaͤlet,

Ja daß er recht verabſcheut wird, von allen Menſchen faſt,
verſpuͤrt,

So aus der Sache ſelber fließet. Wie kann ich doch mit
Recht begehren,

Es ſoll mich jemand lieben, ſchaͤtzen, und mehr, als alle Men-
ſchen, ehren,

Den ich vor einen Narren halt, und der es weis, daß ich es thu?
Es koͤmmt zu dieſer unverſchaͤmten und ſtolzen Furcht, noch
dieß hinzu,

Daß, da zur menſchlichen Geſellſchaft, und der dazu gehoͤri-
gen Pflicht,

Verſprechen, Bund und Treu zu halten, gewiß ein Atheiſte nicht
Geſchickt noch jemals faͤhig iſt, durch ihrer Furcht verwegne
Schluͤſſe,

Man ſie, an ſtatt ſie zu verehren, nur vor Betrieger halten muͤſſe.

Wann kein Verſtand nun, bloß die Furcht, die armen
Atheiſten macht:

So iſt von eurer ſtolzen Furcht, auch hierin unſer Schluß
gegruͤndet,

Daß hier ſo wohl, als auch dereinſt, ihr Ehre ſucht und Schan-
de findet.

Nicht minder, daß es klar und wahr, wie wir es oben ſchon ge-
dacht:

Daß kein Verſtand, kein Grund, kein Recht, die Furcht nur
Atheiſten macht.
Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="11">
            <l><pb facs="#f0400" n="376"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Athei&#x017F;t.</hi></fw><lb/>
Zu einer nicht gemeinen Ehre, er &#x017F;ucht was &#x017F;onderlichs zu &#x017F;eyn.</l><lb/>
            <l>Mit andern was gemein zu haben, i&#x017F;t ihm zu niedrig, zu ge-<lb/><hi rendition="#et">mein.</hi></l><lb/>
            <l>Wenn aber er erwegen mo&#x0364;chte, daß er verkehrte Wege wa&#x0364;hlet,</l><lb/>
            <l>Und daß er die ge&#x017F;uchte Ehre, auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e, ganz verliehrt,</l><lb/>
            <l>Da er, wenn er es recht erwegt, daß Schande, Schimpf<lb/><hi rendition="#et">und Haß ihn qua&#x0364;let,</hi></l><lb/>
            <l>Ja daß er recht verab&#x017F;cheut wird, von allen Men&#x017F;chen fa&#x017F;t,<lb/><hi rendition="#et">ver&#x017F;pu&#x0364;rt,</hi></l><lb/>
            <l>So aus der Sache &#x017F;elber fließet. Wie kann ich doch mit<lb/><hi rendition="#et">Recht begehren,</hi></l><lb/>
            <l>Es &#x017F;oll mich jemand lieben, &#x017F;cha&#x0364;tzen, und mehr, als alle Men-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chen, ehren,</hi></l><lb/>
            <l>Den ich vor einen Narren halt, und der es weis, daß ich es thu?</l><lb/>
            <l>Es ko&#x0364;mmt zu die&#x017F;er unver&#x017F;cha&#x0364;mten und &#x017F;tolzen Furcht, noch<lb/><hi rendition="#et">dieß hinzu,</hi></l><lb/>
            <l>Daß, da zur men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, und der dazu geho&#x0364;ri-<lb/><hi rendition="#et">gen Pflicht,</hi></l><lb/>
            <l>Ver&#x017F;prechen, Bund und Treu zu halten, gewiß ein Athei&#x017F;te nicht</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;chickt noch jemals fa&#x0364;hig i&#x017F;t, durch ihrer Furcht verwegne<lb/><hi rendition="#et">Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,</hi></l><lb/>
            <l>Man &#x017F;ie, an &#x017F;tatt &#x017F;ie zu verehren, nur vor Betrieger halten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="12">
            <l>Wann kein Ver&#x017F;tand nun, bloß die <hi rendition="#fr">Furcht</hi>, die armen<lb/><hi rendition="#et">Athei&#x017F;ten macht:</hi></l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t von eurer &#x017F;tolzen Furcht, auch hierin un&#x017F;er Schluß<lb/><hi rendition="#et">gegru&#x0364;ndet,</hi></l><lb/>
            <l>Daß hier &#x017F;o wohl, als auch derein&#x017F;t, ihr Ehre &#x017F;ucht und Schan-<lb/><hi rendition="#et">de findet.</hi></l><lb/>
            <l>Nicht minder, daß es klar und wahr, wie wir es oben &#x017F;chon ge-<lb/><hi rendition="#et">dacht:</hi></l><lb/>
            <l>Daß kein Ver&#x017F;tand, kein Grund, kein Recht, die Furcht nur<lb/><hi rendition="#et">Athei&#x017F;ten macht.</hi></l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Der</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0400] Der Atheiſt. Zu einer nicht gemeinen Ehre, er ſucht was ſonderlichs zu ſeyn. Mit andern was gemein zu haben, iſt ihm zu niedrig, zu ge- mein. Wenn aber er erwegen moͤchte, daß er verkehrte Wege waͤhlet, Und daß er die geſuchte Ehre, auf dieſe Weiſe, ganz verliehrt, Da er, wenn er es recht erwegt, daß Schande, Schimpf und Haß ihn quaͤlet, Ja daß er recht verabſcheut wird, von allen Menſchen faſt, verſpuͤrt, So aus der Sache ſelber fließet. Wie kann ich doch mit Recht begehren, Es ſoll mich jemand lieben, ſchaͤtzen, und mehr, als alle Men- ſchen, ehren, Den ich vor einen Narren halt, und der es weis, daß ich es thu? Es koͤmmt zu dieſer unverſchaͤmten und ſtolzen Furcht, noch dieß hinzu, Daß, da zur menſchlichen Geſellſchaft, und der dazu gehoͤri- gen Pflicht, Verſprechen, Bund und Treu zu halten, gewiß ein Atheiſte nicht Geſchickt noch jemals faͤhig iſt, durch ihrer Furcht verwegne Schluͤſſe, Man ſie, an ſtatt ſie zu verehren, nur vor Betrieger halten muͤſſe. Wann kein Verſtand nun, bloß die Furcht, die armen Atheiſten macht: So iſt von eurer ſtolzen Furcht, auch hierin unſer Schluß gegruͤndet, Daß hier ſo wohl, als auch dereinſt, ihr Ehre ſucht und Schan- de findet. Nicht minder, daß es klar und wahr, wie wir es oben ſchon ge- dacht: Daß kein Verſtand, kein Grund, kein Recht, die Furcht nur Atheiſten macht. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/400
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/400>, abgerufen am 16.07.2024.