Wohin ist jetzt das Segens-Meer, Das auf dem Felde wallete? Jch sehe ja, so weit ich seh, Ein ungewohntes großes Leer. Die scharfen Blicke schauen nichts; Sie mögen noch so weit sich strecken. Die vorge Freude des Gesichts Jst nirgend weiter zu entdecken. Doch o gesegnet Leer! wie schön Jst dein erwünschtes Nichts zu sehn! Die schöne Frucht, des Blicks Ergetzen, Der reiche Schatz, der nichts zu schätzen, Der uns so lange Zeit erfreut, Jst nicht nur glücklich abgemeyt; Man kunnt ihn, ohne Sturm und Regen, Gottlob in unsre Scheuren legen! Daher das Feld, auch ohne Pracht, Den Augen neue Freude macht. Was unser Gott uns nun bescheert, Jst fernern Denkens ja wohl werth. Auf recht bewundernswerthe Weise, Jst aus der Erde Korn, die Speise, Wodurch wir uns ernähren sollen, Dem Schein nach recht hervor gequollen. Der Saft ist, durch so manche Röhre, Von unten auf bis zu der Aehre, Jm holen Halm, empor geführt. Er hat beständig zirkulirt,
Wie
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Nach der Erndte.
Nach der Erndte.
Wohin iſt jetzt das Segens-Meer, Das auf dem Felde wallete? Jch ſehe ja, ſo weit ich ſeh, Ein ungewohntes großes Leer. Die ſcharfen Blicke ſchauen nichts; Sie moͤgen noch ſo weit ſich ſtrecken. Die vorge Freude des Geſichts Jſt nirgend weiter zu entdecken. Doch o geſegnet Leer! wie ſchoͤn Jſt dein erwuͤnſchtes Nichts zu ſehn! Die ſchoͤne Frucht, des Blicks Ergetzen, Der reiche Schatz, der nichts zu ſchaͤtzen, Der uns ſo lange Zeit erfreut, Jſt nicht nur gluͤcklich abgemeyt; Man kunnt ihn, ohne Sturm und Regen, Gottlob in unſre Scheuren legen! Daher das Feld, auch ohne Pracht, Den Augen neue Freude macht. Was unſer Gott uns nun beſcheert, Jſt fernern Denkens ja wohl werth. Auf recht bewundernswerthe Weiſe, Jſt aus der Erde Korn, die Speiſe, Wodurch wir uns ernaͤhren ſollen, Dem Schein nach recht hervor gequollen. Der Saft iſt, durch ſo manche Roͤhre, Von unten auf bis zu der Aehre, Jm holen Halm, empor gefuͤhrt. Er hat beſtaͤndig zirkulirt,
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Nach der Erndte.
Nach der Erndte.
Wohin iſt jetzt das Segens-Meer,
Das auf dem Felde wallete?
Jch ſehe ja, ſo weit ich ſeh,
Ein ungewohntes großes Leer.
Die ſcharfen Blicke ſchauen nichts;
Sie moͤgen noch ſo weit ſich ſtrecken.
Die vorge Freude des Geſichts
Jſt nirgend weiter zu entdecken.
Doch o geſegnet Leer! wie ſchoͤn
Jſt dein erwuͤnſchtes Nichts zu ſehn!
Die ſchoͤne Frucht, des Blicks Ergetzen,
Der reiche Schatz, der nichts zu ſchaͤtzen,
Der uns ſo lange Zeit erfreut,
Jſt nicht nur gluͤcklich abgemeyt;
Man kunnt ihn, ohne Sturm und Regen,
Gottlob in unſre Scheuren legen!
Daher das Feld, auch ohne Pracht,
Den Augen neue Freude macht.
Was unſer Gott uns nun beſcheert,
Jſt fernern Denkens ja wohl werth.
Auf recht bewundernswerthe Weiſe,
Jſt aus der Erde Korn, die Speiſe,
Wodurch wir uns ernaͤhren ſollen,
Dem Schein nach recht hervor gequollen.
Der Saft iſt, durch ſo manche Roͤhre,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/175>, abgerufen am 03.12.2024.
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