Die Ros' ist, wie sie war, vom Anbeginn der Welt, Und wer ist, dem nicht noch die Rose wohlgefällt?
Die menschlichen Erfindungen vergehn, Und dauren nicht, weil wir das wahre Wesen Des Stoffs, und die Beschaffenheit Von der Materie nicht kennen, nicht verstehn. Der Schöpfer zeigt in dem, was er erlesen, Zur Richtschnur dessen, welches schön, Ein' unveränderlich und feste Richtigkeit. Was er gemacht, gefällt uns allezeit. Man findet überall die Spur, Daß Er der Herr und Meister der Natur, Daß Er, was Er in sie gesenket, Nach Seinem Willen kehrt und lenket.
Der weiche Stoff ist fertig und bereit, Des großen Schöpfers weisen Willen, Ohn allen Widerstand und Sperren, zu erfüllen, Nimmt alle Formen an, so bald er es befiehlt.
Er weis in ihnen zu vereinen, Beschaffenheiten, welche sich Fast widersprechen innerlich, Und welche nicht vereinbar scheinen. Er weis, des Tiegerthiers und Leuen Blicken So freche Mischungen von Zügen einzudrücken, Daß auch die Tapfersten in ihnen Grimm und Schrecken, Von Furcht erfüllt, entdecken. Wann aber seine weise Hand, Aus eben diesem Stoff, die Blumen will formiren, Um unsern Blick, durch ihren Schmuck, zu rühren:
Weis
Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Die Roſ’ iſt, wie ſie war, vom Anbeginn der Welt, Und wer iſt, dem nicht noch die Roſe wohlgefaͤllt?
Die menſchlichen Erfindungen vergehn, Und dauren nicht, weil wir das wahre Weſen Des Stoffs, und die Beſchaffenheit Von der Materie nicht kennen, nicht verſtehn. Der Schoͤpfer zeigt in dem, was er erleſen, Zur Richtſchnur deſſen, welches ſchoͤn, Ein’ unveraͤnderlich und feſte Richtigkeit. Was er gemacht, gefaͤllt uns allezeit. Man findet uͤberall die Spur, Daß Er der Herr und Meiſter der Natur, Daß Er, was Er in ſie geſenket, Nach Seinem Willen kehrt und lenket.
Der weiche Stoff iſt fertig und bereit, Des großen Schoͤpfers weiſen Willen, Ohn allen Widerſtand und Sperren, zu erfuͤllen, Nimmt alle Formen an, ſo bald er es befiehlt.
Er weis in ihnen zu vereinen, Beſchaffenheiten, welche ſich Faſt widerſprechen innerlich, Und welche nicht vereinbar ſcheinen. Er weis, des Tiegerthiers und Leuen Blicken So freche Miſchungen von Zuͤgen einzudruͤcken, Daß auch die Tapferſten in ihnen Grimm und Schrecken, Von Furcht erfuͤllt, entdecken. Wann aber ſeine weiſe Hand, Aus eben dieſem Stoff, die Blumen will formiren, Um unſern Blick, durch ihren Schmuck, zu ruͤhren:
Weis
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Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Die Roſ’ iſt, wie ſie war, vom Anbeginn der Welt,
Und wer iſt, dem nicht noch die Roſe wohlgefaͤllt?
Die menſchlichen Erfindungen vergehn,
Und dauren nicht, weil wir das wahre Weſen
Des Stoffs, und die Beſchaffenheit
Von der Materie nicht kennen, nicht verſtehn.
Der Schoͤpfer zeigt in dem, was er erleſen,
Zur Richtſchnur deſſen, welches ſchoͤn,
Ein’ unveraͤnderlich und feſte Richtigkeit.
Was er gemacht, gefaͤllt uns allezeit.
Man findet uͤberall die Spur,
Daß Er der Herr und Meiſter der Natur,
Daß Er, was Er in ſie geſenket,
Nach Seinem Willen kehrt und lenket.
Der weiche Stoff iſt fertig und bereit,
Des großen Schoͤpfers weiſen Willen,
Ohn allen Widerſtand und Sperren, zu erfuͤllen,
Nimmt alle Formen an, ſo bald er es befiehlt.
Er weis in ihnen zu vereinen,
Beſchaffenheiten, welche ſich
Faſt widerſprechen innerlich,
Und welche nicht vereinbar ſcheinen.
Er weis, des Tiegerthiers und Leuen Blicken
So freche Miſchungen von Zuͤgen einzudruͤcken,
Daß auch die Tapferſten in ihnen Grimm und Schrecken,
Von Furcht erfuͤllt, entdecken.
Wann aber ſeine weiſe Hand,
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Um unſern Blick, durch ihren Schmuck, zu ruͤhren:
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/110>, abgerufen am 24.11.2024.
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