Wie herrlich stralt es gleichfalls nicht, Jn ihrer Formen und Figur So unterschiedner Pracht nicht nur, Auch in derselbigen Statur, Und äusserlichem Anstand, den er ihnen, So wunderwürdig dargereicht, Daß auch darin sie unterschieden schienen, Wie denn kein' einzige der andern gleicht. Verschiedne heben sich vor andern hoch empor, Ein majestätisch Wesen scheint, Mit ihrem prächtigen Gewächs vereint, Jhr Anstand bringt sie mehr, als ihre Höh, hervor. Wenn andre gegentheils in holder Niedrigkeit, Sich, gleichsam voller Demuth, neigen, Und doch nicht weniger Vollkommenheit, Jn ihrem sittsamen und sanften Wesen zeigen. Was für ein adlicher und prächtger Anstand schmückt, Die Tulpen, Lilgen, Kaiserkronen! Wogegen man, am Fuß von ihren Thronen, Der niedern Veilchen Zier, nicht minder schön, erblickt, Die nicht allein, Jn einem purpurfarbnen Schein, Den Balsamreichen Geist, der aus ihr quillet, Und rings um sie die Luft erfüllet, Auf eine Art, die nicht begreiflich, hüllet; Nein, die so zart gewebt, daß aller Sammt ihr weicht, Und, im Vergleich mit ihr, fast härnem Tuche gleicht.
Wie sehr wir die Verändrung lieben, So sind die Blumen doch so schön, Daß, ob sie gleich dieselben stets geblieben, Verlangt man sie doch anders nicht zu sehn.
Die
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Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Wie herrlich ſtralt es gleichfalls nicht, Jn ihrer Formen und Figur So unterſchiedner Pracht nicht nur, Auch in derſelbigen Statur, Und aͤuſſerlichem Anſtand, den er ihnen, So wunderwuͤrdig dargereicht, Daß auch darin ſie unterſchieden ſchienen, Wie denn kein’ einzige der andern gleicht. Verſchiedne heben ſich vor andern hoch empor, Ein majeſtaͤtiſch Weſen ſcheint, Mit ihrem praͤchtigen Gewaͤchs vereint, Jhr Anſtand bringt ſie mehr, als ihre Hoͤh, hervor. Wenn andre gegentheils in holder Niedrigkeit, Sich, gleichſam voller Demuth, neigen, Und doch nicht weniger Vollkommenheit, Jn ihrem ſittſamen und ſanften Weſen zeigen. Was fuͤr ein adlicher und praͤchtger Anſtand ſchmuͤckt, Die Tulpen, Lilgen, Kaiſerkronen! Wogegen man, am Fuß von ihren Thronen, Der niedern Veilchen Zier, nicht minder ſchoͤn, erblickt, Die nicht allein, Jn einem purpurfarbnen Schein, Den Balſamreichen Geiſt, der aus ihr quillet, Und rings um ſie die Luft erfuͤllet, Auf eine Art, die nicht begreiflich, huͤllet; Nein, die ſo zart gewebt, daß aller Sammt ihr weicht, Und, im Vergleich mit ihr, faſt haͤrnem Tuche gleicht.
Wie ſehr wir die Veraͤndrung lieben, So ſind die Blumen doch ſo ſchoͤn, Daß, ob ſie gleich dieſelben ſtets geblieben, Verlangt man ſie doch anders nicht zu ſehn.
Die
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[85/0109]
Nuͤtzliche Blumen-Betrachtung.
Wie herrlich ſtralt es gleichfalls nicht,
Jn ihrer Formen und Figur
So unterſchiedner Pracht nicht nur,
Auch in derſelbigen Statur,
Und aͤuſſerlichem Anſtand, den er ihnen,
So wunderwuͤrdig dargereicht,
Daß auch darin ſie unterſchieden ſchienen,
Wie denn kein’ einzige der andern gleicht.
Verſchiedne heben ſich vor andern hoch empor,
Ein majeſtaͤtiſch Weſen ſcheint,
Mit ihrem praͤchtigen Gewaͤchs vereint,
Jhr Anſtand bringt ſie mehr, als ihre Hoͤh, hervor.
Wenn andre gegentheils in holder Niedrigkeit,
Sich, gleichſam voller Demuth, neigen,
Und doch nicht weniger Vollkommenheit,
Jn ihrem ſittſamen und ſanften Weſen zeigen.
Was fuͤr ein adlicher und praͤchtger Anſtand ſchmuͤckt,
Die Tulpen, Lilgen, Kaiſerkronen!
Wogegen man, am Fuß von ihren Thronen,
Der niedern Veilchen Zier, nicht minder ſchoͤn, erblickt,
Die nicht allein,
Jn einem purpurfarbnen Schein,
Den Balſamreichen Geiſt, der aus ihr quillet,
Und rings um ſie die Luft erfuͤllet,
Auf eine Art, die nicht begreiflich, huͤllet;
Nein, die ſo zart gewebt, daß aller Sammt ihr weicht,
Und, im Vergleich mit ihr, faſt haͤrnem Tuche gleicht.
Wie ſehr wir die Veraͤndrung lieben,
So ſind die Blumen doch ſo ſchoͤn,
Daß, ob ſie gleich dieſelben ſtets geblieben,
Verlangt man ſie doch anders nicht zu ſehn.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/109>, abgerufen am 24.11.2024.
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