Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. O herrlicher Zusammen-Klang, der bloß aus einer GOtt- heit stammet, O welch ein geistig Wunder-Feur, das allgemein in Men- schen flammet! O Wunder-Band, wodurch man sich, wie man es über- zeuglich findet, Nicht nur mit andrer Menschen-Seelen, sich mit der GOtt- heit selbst verbindet! Es ist ja dieß unwiedersprechlich: wenn keine Stimm' und Sprache wär; Würd' alle Geistliche Betrachtung, Erklärung, Predigen und Lehr' Und GOttes-Dienst vernichtigt seyn. Wer würde, von dem künft'gen Leben, Von ew'ger Dauer unsrer Seelen, von GOttes Lob' und Preis' und Ehr, Von heil'ger Schrift, von GOttes Willen, uns einiges Verständnis geben; Wenn keine Rede, keine Wörter und folglich keine Schrift vorhanden, Da ja die Wunder-Kunst zu schreiben zugleich aus un- srer Red' entstanden? Zwar machet der Gewohnheit Nebel uns, anch für dieses Wunder, blind, Wie bey den mehresten geschicht, und wenn sie noch so ungemein; Dahero wird es, liebster Leser, dir, hoff' ich, nicht zuwieder seyn, Wenn ich, wie sehr die frembden Völcker durch diese Kunst gerühret sind, Dir ein Exempel zeigen werde. Ein grosser Fürst in Jndien, wie er gesehen Schriften lesen Von Europäern, ist dadurch so ungemein gerührt gewesen, Daß G g 2
Neu-Jahrs Gedichte. O herrlicher Zuſammen-Klang, der bloß aus einer GOtt- heit ſtammet, O welch ein geiſtig Wunder-Feur, das allgemein in Men- ſchen flammet! O Wunder-Band, wodurch man ſich, wie man es uͤber- zeuglich findet, Nicht nur mit andrer Menſchen-Seelen, ſich mit der GOtt- heit ſelbſt verbindet! Es iſt ja dieß unwiederſprechlich: wenn keine Stimm’ und Sprache waͤr; Wuͤrd’ alle Geiſtliche Betrachtung, Erklaͤrung, Predigen und Lehr’ Und GOttes-Dienſt vernichtigt ſeyn. Wer wuͤrde, von dem kuͤnft’gen Leben, Von ew’ger Dauer unſrer Seelen, von GOttes Lob’ und Preiſ’ und Ehr, Von heil’ger Schrift, von GOttes Willen, uns einiges Verſtaͤndnis geben; Wenn keine Rede, keine Woͤrter und folglich keine Schrift vorhanden, Da ja die Wunder-Kunſt zu ſchreiben zugleich aus un- ſrer Red’ entſtanden? Zwar machet der Gewohnheit Nebel uns, anch fuͤr dieſes Wunder, blind, Wie bey den mehreſten geſchicht, und wenn ſie noch ſo ungemein; Dahero wird es, liebſter Leſer, dir, hoff’ ich, nicht zuwieder ſeyn, Wenn ich, wie ſehr die frembden Voͤlcker durch dieſe Kunſt geruͤhret ſind, Dir ein Exempel zeigen werde. Ein groſſer Fuͤrſt in Jndien, wie er geſehen Schriften leſen Von Europaͤern, iſt dadurch ſo ungemein geruͤhrt geweſen, Daß G g 2
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Neu-Jahrs Gedichte.
O herrlicher Zuſammen-Klang, der bloß aus einer GOtt-
heit ſtammet,
O welch ein geiſtig Wunder-Feur, das allgemein in Men-
ſchen flammet!
O Wunder-Band, wodurch man ſich, wie man es uͤber-
zeuglich findet,
Nicht nur mit andrer Menſchen-Seelen, ſich mit der GOtt-
heit ſelbſt verbindet!
Es iſt ja dieß unwiederſprechlich: wenn keine Stimm’ und
Sprache waͤr;
Wuͤrd’ alle Geiſtliche Betrachtung, Erklaͤrung, Predigen
und Lehr’
Und GOttes-Dienſt vernichtigt ſeyn. Wer wuͤrde, von
dem kuͤnft’gen Leben,
Von ew’ger Dauer unſrer Seelen, von GOttes Lob’ und
Preiſ’ und Ehr,
Von heil’ger Schrift, von GOttes Willen, uns einiges
Verſtaͤndnis geben;
Wenn keine Rede, keine Woͤrter und folglich keine Schrift
vorhanden,
Da ja die Wunder-Kunſt zu ſchreiben zugleich aus un-
ſrer Red’ entſtanden?
Zwar machet der Gewohnheit Nebel uns, anch fuͤr dieſes
Wunder, blind,
Wie bey den mehreſten geſchicht, und wenn ſie noch ſo
ungemein;
Dahero wird es, liebſter Leſer, dir, hoff’ ich, nicht zuwieder
ſeyn,
Wenn ich, wie ſehr die frembden Voͤlcker durch dieſe Kunſt
geruͤhret ſind,
Dir ein Exempel zeigen werde.
Ein groſſer Fuͤrſt in Jndien, wie er geſehen Schriften
leſen
Von Europaͤern, iſt dadurch ſo ungemein geruͤhrt geweſen,
Daß
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