Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Neu-Jahrs Gedichte.
Auch andre Geister zu bewegen. Ein recht vergnügter Geist
wird können

Jn eines andren Seel erregen ein kaltes Eis, ein feurig
Brennen.

Er theilet einem andern mit der eignen Triebe Art und
Kraft,

Und zeugt in einer andern Seele, durch Wörter, seine
Leidenschaft.

Es scheint als wenn wir unsre Nede, und zwar im eigent-
lichen Sinn,

Ein Bild des Geistes, einen Dolmetsch der Seelen, ihre
Lehrerin,

Mit allem Rechte, nennen könnte. Denn obgleich unser
Geist für sich

Von solchem Adel, solcher Kraft, daß er, am Werckzeug
nicht gebunden,

Als unmaterialisch, einfach, unsterblich und uncörperlich;
Weil es jedoch der grosse Schöpfer, wie wir es spüren,
gut gefunden,

Jhn mit des Cörpers ird'schen Hütten, und durch, sie, mit
der gantzen Welt

So wunderwürdig zu vereinen: so kann er, ohn der Sinnen
Kraft,

Zu keiner ihm hier zugetheilten Erkänntniß, Witz und
Wissenschaft,

Und keiner Wahrheit hier gelangen. Dahero wir die
Sinnen können,

Mit Recht, Bedienten unsrer Seelen, und Thüren unsers
Geistes nennen.
Von allen nun sind ins besondre die Zwo: die Augen
und die Ohren

Zu unsrer Lehr' und Unterweisung vom weisen Schöpfer
auserkohren,
Zu
G g
Neu-Jahrs Gedichte.
Auch andre Geiſter zu bewegen. Ein recht vergnuͤgter Geiſt
wird koͤnnen

Jn eines andren Seel erregen ein kaltes Eis, ein feurig
Brennen.

Er theilet einem andern mit der eignen Triebe Art und
Kraft,

Und zeugt in einer andern Seele, durch Woͤrter, ſeine
Leidenſchaft.

Es ſcheint als wenn wir unſre Nede, und zwar im eigent-
lichen Sinn,

Ein Bild des Geiſtes, einen Dolmetſch der Seelen, ihre
Lehrerin,

Mit allem Rechte, nennen koͤnnte. Denn obgleich unſer
Geiſt fuͤr ſich

Von ſolchem Adel, ſolcher Kraft, daß er, am Werckzeug
nicht gebunden,

Als unmaterialiſch, einfach, unſterblich und uncoͤrperlich;
Weil es jedoch der groſſe Schoͤpfer, wie wir es ſpuͤren,
gut gefunden,

Jhn mit des Coͤrpers ird’ſchen Huͤtten, und durch, ſie, mit
der gantzen Welt

So wunderwuͤrdig zu vereinen: ſo kann er, ohn der Sinnen
Kraft,

Zu keiner ihm hier zugetheilten Erkaͤnntniß, Witz und
Wiſſenſchaft,

Und keiner Wahrheit hier gelangen. Dahero wir die
Sinnen koͤnnen,

Mit Recht, Bedienten unſrer Seelen, und Thuͤren unſers
Geiſtes nennen.
Von allen nun ſind ins beſondre die Zwo: die Augen
und die Ohren

Zu unſrer Lehr’ und Unterweiſung vom weiſen Schoͤpfer
auserkohren,
Zu
G g
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0481" n="465"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="124">
            <l>Auch andre Gei&#x017F;ter zu bewegen. Ein recht vergnu&#x0364;gter Gei&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">wird ko&#x0364;nnen</hi></l><lb/>
            <l>Jn eines andren Seel erregen ein kaltes Eis, ein feurig<lb/><hi rendition="#et">Brennen.</hi></l><lb/>
            <l>Er theilet einem andern mit der eignen Triebe Art und<lb/><hi rendition="#et">Kraft,</hi></l><lb/>
            <l>Und zeugt in einer andern Seele, durch Wo&#x0364;rter, &#x017F;eine<lb/><hi rendition="#et">Leiden&#x017F;chaft.</hi></l><lb/>
            <l>Es &#x017F;cheint als wenn wir un&#x017F;re Nede, und zwar im eigent-<lb/><hi rendition="#et">lichen Sinn,</hi></l><lb/>
            <l>Ein Bild des Gei&#x017F;tes, einen Dolmet&#x017F;ch der Seelen, ihre<lb/><hi rendition="#et">Lehrerin,</hi></l><lb/>
            <l>Mit allem Rechte, nennen ko&#x0364;nnte. Denn obgleich un&#x017F;er<lb/><hi rendition="#et">Gei&#x017F;t fu&#x0364;r &#x017F;ich</hi></l><lb/>
            <l>Von &#x017F;olchem Adel, &#x017F;olcher Kraft, daß er, am Werckzeug<lb/><hi rendition="#et">nicht gebunden,</hi></l><lb/>
            <l>Als unmateriali&#x017F;ch, einfach, un&#x017F;terblich und unco&#x0364;rperlich;</l><lb/>
            <l>Weil es jedoch der gro&#x017F;&#x017F;e Scho&#x0364;pfer, wie wir es &#x017F;pu&#x0364;ren,<lb/><hi rendition="#et">gut gefunden,</hi></l><lb/>
            <l>Jhn mit des Co&#x0364;rpers ird&#x2019;&#x017F;chen Hu&#x0364;tten, und durch, &#x017F;ie, mit<lb/><hi rendition="#et">der gantzen Welt</hi></l><lb/>
            <l>So wunderwu&#x0364;rdig zu vereinen: &#x017F;o kann er, ohn der Sinnen<lb/><hi rendition="#et">Kraft,</hi></l><lb/>
            <l>Zu keiner ihm hier zugetheilten Erka&#x0364;nntniß, Witz und<lb/><hi rendition="#et">Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft,</hi></l><lb/>
            <l>Und keiner Wahrheit hier gelangen. Dahero wir die<lb/><hi rendition="#et">Sinnen ko&#x0364;nnen,</hi></l><lb/>
            <l>Mit Recht, Bedienten un&#x017F;rer Seelen, und Thu&#x0364;ren un&#x017F;ers<lb/><hi rendition="#et">Gei&#x017F;tes nennen.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="125">
            <l>Von allen nun &#x017F;ind ins be&#x017F;ondre die Zwo: <hi rendition="#fr">die Augen<lb/><hi rendition="#et">und die Ohren</hi></hi></l><lb/>
            <l>Zu un&#x017F;rer Lehr&#x2019; und Unterwei&#x017F;ung vom wei&#x017F;en Scho&#x0364;pfer<lb/><hi rendition="#et">auserkohren,</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G g</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Zu</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[465/0481] Neu-Jahrs Gedichte. Auch andre Geiſter zu bewegen. Ein recht vergnuͤgter Geiſt wird koͤnnen Jn eines andren Seel erregen ein kaltes Eis, ein feurig Brennen. Er theilet einem andern mit der eignen Triebe Art und Kraft, Und zeugt in einer andern Seele, durch Woͤrter, ſeine Leidenſchaft. Es ſcheint als wenn wir unſre Nede, und zwar im eigent- lichen Sinn, Ein Bild des Geiſtes, einen Dolmetſch der Seelen, ihre Lehrerin, Mit allem Rechte, nennen koͤnnte. Denn obgleich unſer Geiſt fuͤr ſich Von ſolchem Adel, ſolcher Kraft, daß er, am Werckzeug nicht gebunden, Als unmaterialiſch, einfach, unſterblich und uncoͤrperlich; Weil es jedoch der groſſe Schoͤpfer, wie wir es ſpuͤren, gut gefunden, Jhn mit des Coͤrpers ird’ſchen Huͤtten, und durch, ſie, mit der gantzen Welt So wunderwuͤrdig zu vereinen: ſo kann er, ohn der Sinnen Kraft, Zu keiner ihm hier zugetheilten Erkaͤnntniß, Witz und Wiſſenſchaft, Und keiner Wahrheit hier gelangen. Dahero wir die Sinnen koͤnnen, Mit Recht, Bedienten unſrer Seelen, und Thuͤren unſers Geiſtes nennen. Von allen nun ſind ins beſondre die Zwo: die Augen und die Ohren Zu unſrer Lehr’ und Unterweiſung vom weiſen Schoͤpfer auserkohren, Zu G g

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/481
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/481>, abgerufen am 22.11.2024.