So folgte zwar daraus, daß, an Beschaffenheit Sie gar vortreflich, herrlich, schön; Doch könnte man ihr die Unsterblichkeit, Allein hieraus, jedoch nicht zugestehn. Dein Fünfter setzt voraus der Alten Lehren, Die Aristoteles absonderlich gegläubt, Daß alles Himmlische beständig bleibt, Und daß die himmlischen Geschöpf' ohn' Ende währen; So aber doch nicht zu erweisen. Ja, wenn auch endlich diese Lehre Erweißlich wäre; So würde doch, was sie dahero schliessen, Daraus nicht fliessen. Denn, hätten gleich mit jenen Himmels-Kreisen, Die Seelen die Bewegungs-Kraft gemein; So folget doch noch nicht, Sie müsten all gleich unvergänglich seyn. Es fehlt der Schluß ja weit, Und ist durchaus nicht einerley, Daß die Bewegungs-Kraft das erste Wesen, Und daß die Unvergänglichkeit Desselben Wesens Wirckung sey. Dein sechster Schluß hat auch viel minder Kraft, als Schein, Mit der Erfahrung stimmt zwar dieses überein: Je länger Seelen hier im Leib' und auf der Erden; Je reicher sie, an Witz und an Erfahrung, werden. Hieraus nun scheint zu folgen, daß die Seelen Vor sich nicht können untergehn, Denn alles, was verdirbt (wie wir an Cörpern sehn) Dem fängt es allgemach an Kräften an zu fehlen.
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Neu-Jahrs Gedichte.
So folgte zwar daraus, daß, an Beſchaffenheit Sie gar vortreflich, herrlich, ſchoͤn; Doch koͤnnte man ihr die Unſterblichkeit, Allein hieraus, jedoch nicht zugeſtehn. Dein Fuͤnfter ſetzt voraus der Alten Lehren, Die Ariſtoteles abſonderlich geglaͤubt, Daß alles Himmliſche beſtaͤndig bleibt, Und daß die himmliſchen Geſchoͤpf’ ohn’ Ende waͤhren; So aber doch nicht zu erweiſen. Ja, wenn auch endlich dieſe Lehre Erweißlich waͤre; So wuͤrde doch, was ſie dahero ſchlieſſen, Daraus nicht flieſſen. Denn, haͤtten gleich mit jenen Himmels-Kreiſen, Die Seelen die Bewegungs-Kraft gemein; So folget doch noch nicht, Sie muͤſten all gleich unvergaͤnglich ſeyn. Es fehlt der Schluß ja weit, Und iſt durchaus nicht einerley, Daß die Bewegungs-Kraft das erſte Weſen, Und daß die Unvergaͤnglichkeit Deſſelben Weſens Wirckung ſey. Dein ſechſter Schluß hat auch viel minder Kraft, als Schein, Mit der Erfahrung ſtimmt zwar dieſes uͤberein: Je laͤnger Seelen hier im Leib’ und auf der Erden; Je reicher ſie, an Witz und an Erfahrung, werden. Hieraus nun ſcheint zu folgen, daß die Seelen Vor ſich nicht koͤnnen untergehn, Denn alles, was verdirbt (wie wir an Coͤrpern ſehn) Dem faͤngt es allgemach an Kraͤften an zu fehlen.
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Neu-Jahrs Gedichte.
So folgte zwar daraus, daß, an Beſchaffenheit
Sie gar vortreflich, herrlich, ſchoͤn;
Doch koͤnnte man ihr die Unſterblichkeit,
Allein hieraus, jedoch nicht zugeſtehn.
Dein Fuͤnfter ſetzt voraus der Alten Lehren,
Die Ariſtoteles abſonderlich geglaͤubt,
Daß alles Himmliſche beſtaͤndig bleibt,
Und daß die himmliſchen Geſchoͤpf’ ohn’ Ende waͤhren;
So aber doch nicht zu erweiſen.
Ja, wenn auch endlich dieſe Lehre
Erweißlich waͤre;
So wuͤrde doch, was ſie dahero ſchlieſſen,
Daraus nicht flieſſen.
Denn, haͤtten gleich mit jenen Himmels-Kreiſen,
Die Seelen die Bewegungs-Kraft gemein;
So folget doch noch nicht,
Sie muͤſten all gleich unvergaͤnglich ſeyn.
Es fehlt der Schluß ja weit,
Und iſt durchaus nicht einerley,
Daß die Bewegungs-Kraft das erſte Weſen,
Und daß die Unvergaͤnglichkeit
Deſſelben Weſens Wirckung ſey.
Dein ſechſter Schluß hat auch viel minder Kraft, als
Schein,
Mit der Erfahrung ſtimmt zwar dieſes uͤberein:
Je laͤnger Seelen hier im Leib’ und auf der Erden;
Je reicher ſie, an Witz und an Erfahrung, werden.
Hieraus nun ſcheint zu folgen, daß die Seelen
Vor ſich nicht koͤnnen untergehn,
Denn alles, was verdirbt (wie wir an Coͤrpern ſehn)
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/453>, abgerufen am 22.11.2024.
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