Ein Wesen aber, das sich stets an Kräften mehret, Je länger daß es währet, Scheint, weil es immer wächst und nimmer ab- genommen, Zum Ende nie zu kommen. Allein es zeigt sich auch, Daß bey Veralteten die Kraft verrauch', Und sich verringere durch allerley Beschwehrden, Da alte Leute kindisch werden. Man spreche nicht, Es kömmt, wenn dieß geschicht, Bloß von Veränderung der Lebens-Geister her, Nicht von Verändrung unsrer Seelen. Denn wenn dem also wär; So könnte dieß nicht fehlen: Es sey, wenn Seelen zugenommen, Von Aenderung der Lebens-Geister auch, Nicht von der Aenderung der Seelen, hergekommen.
B.
Jch muß es zwar gestehn, Von diesen Gründen, giebt Ein jeder zwar insonderheit, Nicht gültigen Beweiß von der Unsterblichkeit. Doch, wenn man sie zusammen bindet, Und, als Erfahrungen betrachtet; so befindet Jn ihr, ohn' alle Dunckelheit, Sich mehr doch als Wahrscheinlichkeit. Absonderlich, wenn man noch andre dazu füget, Als nemlich: man muß ja gestehen, Daß Cörper nicht einmahl vergehen. Zu nichts wird nichts, und mit Verändrung Vergnügt sich die Natur, nicht mit Vernichtigung.
Ver-
Neu-Jahrs Gedichte.
Ein Weſen aber, das ſich ſtets an Kraͤften mehret, Je laͤnger daß es waͤhret, Scheint, weil es immer waͤchſt und nimmer ab- genommen, Zum Ende nie zu kommen. Allein es zeigt ſich auch, Daß bey Veralteten die Kraft verrauch’, Und ſich verringere durch allerley Beſchwehrden, Da alte Leute kindiſch werden. Man ſpreche nicht, Es koͤmmt, wenn dieß geſchicht, Bloß von Veraͤnderung der Lebens-Geiſter her, Nicht von Veraͤndrung unſrer Seelen. Denn wenn dem alſo waͤr; So koͤnnte dieß nicht fehlen: Es ſey, wenn Seelen zugenommen, Von Aenderung der Lebens-Geiſter auch, Nicht von der Aenderung der Seelen, hergekommen.
B.
Jch muß es zwar geſtehn, Von dieſen Gruͤnden, giebt Ein jeder zwar inſonderheit, Nicht guͤltigen Beweiß von der Unſterblichkeit. Doch, wenn man ſie zuſammen bindet, Und, als Erfahrungen betrachtet; ſo befindet Jn ihr, ohn’ alle Dunckelheit, Sich mehr doch als Wahrſcheinlichkeit. Abſonderlich, wenn man noch andre dazu fuͤget, Als nemlich: man muß ja geſtehen, Daß Coͤrper nicht einmahl vergehen. Zu nichts wird nichts, und mit Veraͤndrung Vergnuͤgt ſich die Natur, nicht mit Vernichtigung.
Ver-
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Neu-Jahrs Gedichte.
Ein Weſen aber, das ſich ſtets an Kraͤften mehret,
Je laͤnger daß es waͤhret,
Scheint, weil es immer waͤchſt und nimmer ab-
genommen,
Zum Ende nie zu kommen.
Allein es zeigt ſich auch,
Daß bey Veralteten die Kraft verrauch’,
Und ſich verringere durch allerley Beſchwehrden,
Da alte Leute kindiſch werden.
Man ſpreche nicht,
Es koͤmmt, wenn dieß geſchicht,
Bloß von Veraͤnderung der Lebens-Geiſter her,
Nicht von Veraͤndrung unſrer Seelen.
Denn wenn dem alſo waͤr;
So koͤnnte dieß nicht fehlen:
Es ſey, wenn Seelen zugenommen,
Von Aenderung der Lebens-Geiſter auch,
Nicht von der Aenderung der Seelen, hergekommen.
B. Jch muß es zwar geſtehn,
Von dieſen Gruͤnden, giebt
Ein jeder zwar inſonderheit,
Nicht guͤltigen Beweiß von der Unſterblichkeit.
Doch, wenn man ſie zuſammen bindet,
Und, als Erfahrungen betrachtet; ſo befindet
Jn ihr, ohn’ alle Dunckelheit,
Sich mehr doch als Wahrſcheinlichkeit.
Abſonderlich, wenn man noch andre dazu fuͤget,
Als nemlich: man muß ja geſtehen,
Daß Coͤrper nicht einmahl vergehen.
Zu nichts wird nichts, und mit Veraͤndrung
Vergnuͤgt ſich die Natur, nicht mit Vernichtigung.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/454>, abgerufen am 26.11.2024.
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