Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Wie treflich Seelen seyn, ja noch erst werden müssen, Wenn sie von ird'scher Last nun völlig erst befreyt. Noch einen Grund sucht uns Alemäon vorzulegen: Er schließt: daß unsre Seel' unsterblich sey, deswegen, Weil sie den Dingen gleich, die unvergänglich seyn. Die Gleichheit nun trift darin ein, Daß die Bewegung sich nie von der Seel entferne Und daß, was Göttlich ist, die Sonne, Mond und Sterne, Ja aller Himmel Kreise Sich regen auf dieselbe Weise. Noch giebt ein andrer uns den Unterricht, Wenn er, wie folget, spricht: Die Seelen haben nur die Eigenschaft allein, Daß sie stets jünger sind, je älter daß sie seyn. A. Die Gründe haben zwar von Wahrheit einen Schein;Allein, Wenn man sie näher überleget, Und ihre Würcklichkeit erweget; Verlieren sie von ihrem Schimmer viel. Sie sind mir wol bekannt, ich habe sie gelesen, Sie sind mir lange nicht mehr unbewust gewesen; Doch sind' ich jetzt, sie gehn nur gar zu weit vom Ziel. Wir wollen, nach der Reihe, gehn, Und sie mit Fleiß und Achtsamkeit besehn. Dein ersterer Beweis wär' herrlich, wär es nur Von ihr, als einer Creatur, Erweißlich, daß der Seelen Kraft Und der Bewegung Eigenschaft Bloß von ihr selbst, und nicht vielmehr Von GOTT unmittelbar Entstanden und erhalten wär. Denn E e 2
Neu-Jahrs Gedichte. Wie treflich Seelen ſeyn, ja noch erſt werden muͤſſen, Wenn ſie von ird’ſcher Laſt nun voͤllig erſt befreyt. Noch einen Grund ſucht uns Alemaͤon vorzulegen: Er ſchließt: daß unſre Seel’ unſterblich ſey, deswegen, Weil ſie den Dingen gleich, die unvergaͤnglich ſeyn. Die Gleichheit nun trift darin ein, Daß die Bewegung ſich nie von der Seel entferne Und daß, was Goͤttlich iſt, die Sonne, Mond und Sterne, Ja aller Himmel Kreiſe Sich regen auf dieſelbe Weiſe. Noch giebt ein andrer uns den Unterricht, Wenn er, wie folget, ſpricht: Die Seelen haben nur die Eigenſchaft allein, Daß ſie ſtets juͤnger ſind, je aͤlter daß ſie ſeyn. A. Die Gruͤnde haben zwar von Wahrheit einen Schein;Allein, Wenn man ſie naͤher uͤberleget, Und ihre Wuͤrcklichkeit erweget; Verlieren ſie von ihrem Schimmer viel. Sie ſind mir wol bekannt, ich habe ſie geleſen, Sie ſind mir lange nicht mehr unbewuſt geweſen; Doch ſind’ ich jetzt, ſie gehn nur gar zu weit vom Ziel. Wir wollen, nach der Reihe, gehn, Und ſie mit Fleiß und Achtſamkeit beſehn. Dein erſterer Beweis waͤr’ herrlich, waͤr es nur Von ihr, als einer Creatur, Erweißlich, daß der Seelen Kraft Und der Bewegung Eigenſchaft Bloß von ihr ſelbſt, und nicht vielmehr Von GOTT unmittelbar Entſtanden und erhalten waͤr. Denn E e 2
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Neu-Jahrs Gedichte.
Wie treflich Seelen ſeyn, ja noch erſt werden muͤſſen,
Wenn ſie von ird’ſcher Laſt nun voͤllig erſt befreyt.
Noch einen Grund ſucht uns Alemaͤon vorzulegen:
Er ſchließt: daß unſre Seel’ unſterblich ſey, deswegen,
Weil ſie den Dingen gleich, die unvergaͤnglich ſeyn.
Die Gleichheit nun trift darin ein,
Daß die Bewegung ſich nie von der Seel entferne
Und daß, was Goͤttlich iſt, die Sonne, Mond und
Sterne,
Ja aller Himmel Kreiſe
Sich regen auf dieſelbe Weiſe.
Noch giebt ein andrer uns den Unterricht,
Wenn er, wie folget, ſpricht:
Die Seelen haben nur die Eigenſchaft allein,
Daß ſie ſtets juͤnger ſind, je aͤlter daß ſie ſeyn.
A. Die Gruͤnde haben zwar von Wahrheit einen Schein;
Allein,
Wenn man ſie naͤher uͤberleget,
Und ihre Wuͤrcklichkeit erweget;
Verlieren ſie von ihrem Schimmer viel.
Sie ſind mir wol bekannt, ich habe ſie geleſen,
Sie ſind mir lange nicht mehr unbewuſt geweſen;
Doch ſind’ ich jetzt, ſie gehn nur gar zu weit vom Ziel.
Wir wollen, nach der Reihe, gehn,
Und ſie mit Fleiß und Achtſamkeit beſehn.
Dein erſterer Beweis waͤr’ herrlich, waͤr es nur
Von ihr, als einer Creatur,
Erweißlich, daß der Seelen Kraft
Und der Bewegung Eigenſchaft
Bloß von ihr ſelbſt, und nicht vielmehr
Von GOTT unmittelbar
Entſtanden und erhalten waͤr.
Denn
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