Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Ein Wesen, das sich selbst beweget, Dem wird die Kraft, daß es sich reget, Weil es sich selbst nicht wird entstehn, Auch nimmermehr vergehn. Noch einen andern Grund Legt Cicero Catoni in den Mund: Da, spricht er, unser Geist so viel Geschwindigkeit Auch die Erinn'rung hat von Dingen, die vergehen, Da er voraus ersieht die Dinge künftger Zeit, Die noch zu seyn nicht angefangen, Da so viel Kunst und Wissenschaften, So manch' Erfindung an ihr haften; So stimmt ja dieß mit ihr am meisten überein, Sie müsse von Natur unsterblich seyn. Es spricht derselbe noch an einem andern Ort: Jch fühl' in meiner Seel, wie sie sich selbst erhöhet, Und wie die Nachwelt ihr also vor Augen stehet, Als ob sie allererst, wenn sie von dieser Erde Wird abgeschieden seyn, aufs neue leben werde. Wenn unsre Seele nicht unsterblich wäre; So würden wackrer Leute Seelen, Mit solcher Mühe, nicht des Nachruhms Ehre Und die Unsterblichkeit zu ihrem Zweck erwehlen. Noch einen andern Grund bringt Xenophon uns bey: Jhr seht, spricht er, wie nichts so ähnlich sey Dem Tod', als wie der Schlaff; nun zeigen Seelen, Die schlaffen, ihre Göttlichkeit Vortreflich an. Jndem sie frey; Sieht jede, von der künftgen Zeit, Verschiednes schon vorher. Daraus ist leicht zu schliessen, Wie
Neu-Jahrs Gedichte. Ein Weſen, das ſich ſelbſt beweget, Dem wird die Kraft, daß es ſich reget, Weil es ſich ſelbſt nicht wird entſtehn, Auch nimmermehr vergehn. Noch einen andern Grund Legt Cicero Catoni in den Mund: Da, ſpricht er, unſer Geiſt ſo viel Geſchwindigkeit Auch die Erinn’rung hat von Dingen, die vergehen, Da er voraus erſieht die Dinge kuͤnftger Zeit, Die noch zu ſeyn nicht angefangen, Da ſo viel Kunſt und Wiſſenſchaften, So manch’ Erfindung an ihr haften; So ſtimmt ja dieß mit ihr am meiſten uͤberein, Sie muͤſſe von Natur unſterblich ſeyn. Es ſpricht derſelbe noch an einem andern Ort: Jch fuͤhl’ in meiner Seel, wie ſie ſich ſelbſt erhoͤhet, Und wie die Nachwelt ihr alſo vor Augen ſtehet, Als ob ſie allererſt, wenn ſie von dieſer Erde Wird abgeſchieden ſeyn, aufs neue leben werde. Wenn unſre Seele nicht unſterblich waͤre; So wuͤrden wackrer Leute Seelen, Mit ſolcher Muͤhe, nicht des Nachruhms Ehre Und die Unſterblichkeit zu ihrem Zweck erwehlen. Noch einen andern Grund bringt Xenophon uns bey: Jhr ſeht, ſpricht er, wie nichts ſo aͤhnlich ſey Dem Tod’, als wie der Schlaff; nun zeigen Seelen, Die ſchlaffen, ihre Goͤttlichkeit Vortreflich an. Jndem ſie frey; Sieht jede, von der kuͤnftgen Zeit, Verſchiednes ſchon vorher. Daraus iſt leicht zu ſchlieſſen, Wie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0450" n="434"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs Gedichte.</hi> </fw><lb/> <lg n="75"> <l>Ein Weſen, das ſich ſelbſt beweget,</l><lb/> <l>Dem wird die Kraft, daß es ſich reget,</l><lb/> <l>Weil es ſich ſelbſt nicht wird entſtehn,</l><lb/> <l>Auch nimmermehr vergehn.</l> </lg><lb/> <lg n="76"> <l>Noch einen andern Grund</l><lb/> <l>Legt Cicero Catoni in den Mund:</l> </lg><lb/> <lg n="77"> <l>Da, ſpricht er, unſer Geiſt ſo viel Geſchwindigkeit</l><lb/> <l>Auch die Erinn’rung hat von Dingen, die vergehen,</l><lb/> <l>Da er voraus erſieht die Dinge kuͤnftger Zeit,</l><lb/> <l>Die noch zu ſeyn nicht angefangen,</l><lb/> <l>Da ſo viel Kunſt und Wiſſenſchaften,</l><lb/> <l>So manch’ Erfindung an ihr haften;</l><lb/> <l>So ſtimmt ja dieß mit ihr am meiſten uͤberein,</l><lb/> <l>Sie muͤſſe von Natur unſterblich ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg n="78"> <l>Es ſpricht derſelbe noch an einem andern Ort:</l> </lg><lb/> <lg n="79"> <l>Jch fuͤhl’ in meiner Seel, wie ſie ſich ſelbſt erhoͤhet,</l><lb/> <l>Und wie die Nachwelt ihr alſo vor Augen ſtehet,</l><lb/> <l>Als ob ſie allererſt, wenn ſie von dieſer Erde</l><lb/> <l>Wird abgeſchieden ſeyn, aufs neue leben werde.</l><lb/> <l>Wenn unſre Seele nicht unſterblich waͤre;</l><lb/> <l>So wuͤrden wackrer Leute Seelen,</l><lb/> <l>Mit ſolcher Muͤhe, nicht des Nachruhms Ehre</l><lb/> <l>Und die Unſterblichkeit zu ihrem Zweck erwehlen.</l> </lg><lb/> <lg n="80"> <l>Noch einen andern Grund bringt Xenophon uns bey:</l> </lg><lb/> <lg n="81"> <l>Jhr ſeht, ſpricht er, wie nichts ſo aͤhnlich ſey</l><lb/> <l>Dem Tod’, als wie der Schlaff; nun zeigen Seelen,</l><lb/> <l>Die ſchlaffen, ihre Goͤttlichkeit</l><lb/> <l>Vortreflich an. Jndem ſie frey;</l><lb/> <l>Sieht jede, von der kuͤnftgen Zeit,</l><lb/> <l>Verſchiednes ſchon vorher. Daraus iſt leicht zu<lb/><hi rendition="#et">ſchlieſſen,</hi></l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [434/0450]
Neu-Jahrs Gedichte.
Ein Weſen, das ſich ſelbſt beweget,
Dem wird die Kraft, daß es ſich reget,
Weil es ſich ſelbſt nicht wird entſtehn,
Auch nimmermehr vergehn.
Noch einen andern Grund
Legt Cicero Catoni in den Mund:
Da, ſpricht er, unſer Geiſt ſo viel Geſchwindigkeit
Auch die Erinn’rung hat von Dingen, die vergehen,
Da er voraus erſieht die Dinge kuͤnftger Zeit,
Die noch zu ſeyn nicht angefangen,
Da ſo viel Kunſt und Wiſſenſchaften,
So manch’ Erfindung an ihr haften;
So ſtimmt ja dieß mit ihr am meiſten uͤberein,
Sie muͤſſe von Natur unſterblich ſeyn.
Es ſpricht derſelbe noch an einem andern Ort:
Jch fuͤhl’ in meiner Seel, wie ſie ſich ſelbſt erhoͤhet,
Und wie die Nachwelt ihr alſo vor Augen ſtehet,
Als ob ſie allererſt, wenn ſie von dieſer Erde
Wird abgeſchieden ſeyn, aufs neue leben werde.
Wenn unſre Seele nicht unſterblich waͤre;
So wuͤrden wackrer Leute Seelen,
Mit ſolcher Muͤhe, nicht des Nachruhms Ehre
Und die Unſterblichkeit zu ihrem Zweck erwehlen.
Noch einen andern Grund bringt Xenophon uns bey:
Jhr ſeht, ſpricht er, wie nichts ſo aͤhnlich ſey
Dem Tod’, als wie der Schlaff; nun zeigen Seelen,
Die ſchlaffen, ihre Goͤttlichkeit
Vortreflich an. Jndem ſie frey;
Sieht jede, von der kuͤnftgen Zeit,
Verſchiednes ſchon vorher. Daraus iſt leicht zu
ſchlieſſen,
Wie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |