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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Zufällige Gedancken über ein Thau-
Tröpfchen.
Wie ich, nach verschwundner Nacht,
Jüngst, im angestrahlten Thau,
Jn der Tropfen Meng' und Pracht
Tausend Sonnen-Spiegel schau;
Zieht, vor andern, Blick und Sinn
Ein vor andern helles Tröpfgen, durch sein Funckeln, zu sich
hin;
Da ich denn, mit Lust erfüllt,
Nicht nur ein klein Sonnen-Bild,
Auf der Ründung äussern Höhe,
Als ein blitzend Lichtgen, sehe;
Sondern, da der Thau so klar,
Wie die reinesten Cristallen;
Seh ich dieses Lichtgen gar
Durch des Tröpfchens Cörper fallen
Auf ein nah gewachsnes Blat,
Wo es denn verlängt, gespitzt,
Die Figur von einem Strahle, der in langem Strich-
blitzt,
Durch das Blat gedrückt, erhält. Wie ich solchen nun
betrachte,
Und so wol auf seine Läng', als den runden Ursprung, achte;
Fällt von ungefehr mir bey:
Ob dieß nicht vielleicht ein Bild strahlender Cometen sey?
Wie! gedacht' ich, wenn der Cörper der Cometen bey der
Ründe,
(So wie ich hier in dem Tropfen, welcher gantz durchsichtig,
finde)
Et-
Zufaͤllige Gedancken uͤber ein Thau-
Troͤpfchen.
Wie ich, nach verſchwundner Nacht,
Juͤngſt, im angeſtrahlten Thau,
Jn der Tropfen Meng’ und Pracht
Tauſend Sonnen-Spiegel ſchau;
Zieht, vor andern, Blick und Sinn
Ein vor andern helles Troͤpfgen, durch ſein Funckeln, zu ſich
hin;
Da ich denn, mit Luſt erfuͤllt,
Nicht nur ein klein Sonnen-Bild,
Auf der Ruͤndung aͤuſſern Hoͤhe,
Als ein blitzend Lichtgen, ſehe;
Sondern, da der Thau ſo klar,
Wie die reineſten Criſtallen;
Seh ich dieſes Lichtgen gar
Durch des Troͤpfchens Coͤrper fallen
Auf ein nah gewachſnes Blat,
Wo es denn verlaͤngt, geſpitzt,
Die Figur von einem Strahle, der in langem Strich-
blitzt,
Durch das Blat gedruͤckt, erhaͤlt. Wie ich ſolchen nun
betrachte,
Und ſo wol auf ſeine Laͤng’, als den runden Urſprung, achte;
Faͤllt von ungefehr mir bey:
Ob dieß nicht vielleicht ein Bild ſtrahlender Cometen ſey?
Wie! gedacht’ ich, wenn der Coͤrper der Cometen bey der
Ruͤnde,
(So wie ich hier in dem Tropfen, welcher gantz durchſichtig,
finde)
Et-
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[303/0319] Zufaͤllige Gedancken uͤber ein Thau- Troͤpfchen. Wie ich, nach verſchwundner Nacht, Juͤngſt, im angeſtrahlten Thau, Jn der Tropfen Meng’ und Pracht Tauſend Sonnen-Spiegel ſchau; Zieht, vor andern, Blick und Sinn Ein vor andern helles Troͤpfgen, durch ſein Funckeln, zu ſich hin; Da ich denn, mit Luſt erfuͤllt, Nicht nur ein klein Sonnen-Bild, Auf der Ruͤndung aͤuſſern Hoͤhe, Als ein blitzend Lichtgen, ſehe; Sondern, da der Thau ſo klar, Wie die reineſten Criſtallen; Seh ich dieſes Lichtgen gar Durch des Troͤpfchens Coͤrper fallen Auf ein nah gewachſnes Blat, Wo es denn verlaͤngt, geſpitzt, Die Figur von einem Strahle, der in langem Strich- blitzt, Durch das Blat gedruͤckt, erhaͤlt. Wie ich ſolchen nun betrachte, Und ſo wol auf ſeine Laͤng’, als den runden Urſprung, achte; Faͤllt von ungefehr mir bey: Ob dieß nicht vielleicht ein Bild ſtrahlender Cometen ſey? Wie! gedacht’ ich, wenn der Coͤrper der Cometen bey der Ruͤnde, (So wie ich hier in dem Tropfen, welcher gantz durchſichtig, finde) Et-

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/319>, abgerufen am 17.05.2024.