Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Das Sonnen-Reich. Da, wo die gedehnte Luft, die den Erden-Kreis um- ringt, Und durch unaufhörlichs Düften aus der Erd' und Fluth entspringt, Jhre Gräntzen hat, sich endet, und zuletzt sich so verdünnt, Daß derselben Wesen selbst unsers Geists Begriff entrinnt; Dahin soll sich jetzt mein Geist, und des Denckens Kraft erstrecken, Um, wo möglich, neue Wahrheit, GOtt zum Preise, zu entdecken. HERR, ich suche, laß mich hier Jn den unermeßlichen nur durch dich erfüllten Gründen, Spuren deiner ew'gen Liebe, ew'gen Macht und Weis- heit finden! Welch ein Boden-loser Abgrund, welche weite sonder Schrancken, Welch ein ungeheuret Raum, welch ein unaufhörend Meer Oefnet seine tieffe Weite, zeiget sein unendlichs Leer Den darüber gantz erstaunten und verwirreten Gedancken! Alle Gräntzen ziehen sich unbegreiflich weit zurück; Es erstaunt ob dieser Tieffe selbst der Seelen reger Blick; Jhre Kräfte werden hier schwindelnd gleichsam umge- chwungen; Ja es wird ihr denckend Wesen fast gehemmet, fast ver- schlungen! So viel man ermessen kann, scheinet diese Tieffe rein, Und von allem irdischem Stoff und Wesen leer zu seyn. Ein' ununterbrochne Ruh', eine nie gestöhrte Stille Herscht in diesem tieffen Raum. Blos von einem zarten Licht Voller
Das Sonnen-Reich. Da, wo die gedehnte Luft, die den Erden-Kreis um- ringt, Und durch unaufhoͤrlichs Duͤften aus der Erd’ und Fluth entſpringt, Jhre Graͤntzen hat, ſich endet, und zuletzt ſich ſo verduͤnnt, Daß derſelben Weſen ſelbſt unſers Geiſts Begriff entrinnt; Dahin ſoll ſich jetzt mein Geiſt, und des Denckens Kraft erſtrecken, Um, wo moͤglich, neue Wahrheit, GOtt zum Preiſe, zu entdecken. HERR, ich ſuche, laß mich hier Jn den unermeßlichen nur durch dich erfuͤllten Gruͤnden, Spuren deiner ew’gen Liebe, ew’gen Macht und Weis- heit finden! Welch ein Boden-loſer Abgrund, welche weite ſonder Schrancken, Welch ein ungeheuret Raum, welch ein unaufhoͤrend Meer Oefnet ſeine tieffe Weite, zeiget ſein unendlichs Leer Den daruͤber gantz erſtaunten und verwirreten Gedancken! Alle Graͤntzen ziehen ſich unbegreiflich weit zuruͤck; Es erſtaunt ob dieſer Tieffe ſelbſt der Seelen reger Blick; Jhre Kraͤfte werden hier ſchwindelnd gleichſam umge- chwungen; Ja es wird ihr denckend Weſen faſt gehemmet, faſt ver- ſchlungen! So viel man ermeſſen kann, ſcheinet dieſe Tieffe rein, Und von allem irdiſchem Stoff und Weſen leer zu ſeyn. Ein’ ununterbrochne Ruh’, eine nie geſtoͤhrte Stille Herſcht in dieſem tieffen Raum. Blos von einem zarten Licht Voller
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Das Sonnen-Reich.
Da, wo die gedehnte Luft, die den Erden-Kreis um-
ringt,
Und durch unaufhoͤrlichs Duͤften aus der Erd’ und Fluth
entſpringt,
Jhre Graͤntzen hat, ſich endet, und zuletzt ſich ſo verduͤnnt,
Daß derſelben Weſen ſelbſt unſers Geiſts Begriff entrinnt;
Dahin ſoll ſich jetzt mein Geiſt, und des Denckens Kraft
erſtrecken,
Um, wo moͤglich, neue Wahrheit, GOtt zum Preiſe, zu
entdecken.
HERR, ich ſuche, laß mich hier
Jn den unermeßlichen nur durch dich erfuͤllten Gruͤnden,
Spuren deiner ew’gen Liebe, ew’gen Macht und Weis-
heit finden!
Welch ein Boden-loſer Abgrund, welche weite ſonder
Schrancken,
Welch ein ungeheuret Raum, welch ein unaufhoͤrend Meer
Oefnet ſeine tieffe Weite, zeiget ſein unendlichs Leer
Den daruͤber gantz erſtaunten und verwirreten Gedancken!
Alle Graͤntzen ziehen ſich unbegreiflich weit zuruͤck;
Es erſtaunt ob dieſer Tieffe ſelbſt der Seelen reger Blick;
Jhre Kraͤfte werden hier ſchwindelnd gleichſam umge-
chwungen;
Ja es wird ihr denckend Weſen faſt gehemmet, faſt ver-
ſchlungen!
So viel man ermeſſen kann, ſcheinet dieſe Tieffe rein,
Und von allem irdiſchem Stoff und Weſen leer zu ſeyn.
Ein’ ununterbrochne Ruh’, eine nie geſtoͤhrte Stille
Herſcht in dieſem tieffen Raum. Blos von einem zarten Licht
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