Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Betrachtungen über das Gewissen. Ja, es streckt sich die Betrachtung nicht bloß auf die Wol- lust nur, Wenn uns Ehr- und Geld-Geitz täuschen, uns zu Lastern oft verführen, Und wir den Besitz erhalten; finden wir in der Natur Jn der Unempfindlichkeit der darin gehoften Lust Unsern Jrrthum; und so dann wird uns allererst bewust Die durch Menschliche Gesetze drauf gesetzte Straf und Schande, Die man, vor vollbrachter That, Durch gehofte Lust, verachtet, Und, durch die Begierden blind, nicht erwogen, nicht be- trachtet, Weniger gescheuet hat. Dieses alles zeigt uns deutlich, und macht überzeuglich klar Des allmächtigen Regierers tieffe Weisheit offenbar, Da er selbst in unser Wesen eine Eigenschaft gesencket, Daß man nach vollbrachter That anders, als vorher, ge- dencket Und, so wol durch Furcht, als Eckel, den man in sich selbst entdeckt, Vom Verbothnen abgehalten, von den Lastern abgeschreckt Und zur Reu getrieben wird. Da man also deutlich findet Daß der Ursprung des Gewissens selbst in der Natur ge- gründet Und nicht im Gehirn allein: laß uns denn des Schöpfers Willen, Der sich in Enthaltung äussert, uns bestreben zu erfüllen! Die
Betrachtungen uͤber das Gewiſſen. Ja, es ſtreckt ſich die Betrachtung nicht bloß auf die Wol- luſt nur, Wenn uns Ehr- und Geld-Geitz taͤuſchen, uns zu Laſtern oft verfuͤhren, Und wir den Beſitz erhalten; finden wir in der Natur Jn der Unempfindlichkeit der darin gehoften Luſt Unſern Jrrthum; und ſo dann wird uns allererſt bewuſt Die durch Menſchliche Geſetze drauf geſetzte Straf und Schande, Die man, vor vollbrachter That, Durch gehofte Luſt, verachtet, Und, durch die Begierden blind, nicht erwogen, nicht be- trachtet, Weniger geſcheuet hat. Dieſes alles zeigt uns deutlich, und macht uͤberzeuglich klar Des allmaͤchtigen Regierers tieffe Weisheit offenbar, Da er ſelbſt in unſer Weſen eine Eigenſchaft geſencket, Daß man nach vollbrachter That anders, als vorher, ge- dencket Und, ſo wol durch Furcht, als Eckel, den man in ſich ſelbſt entdeckt, Vom Verbothnen abgehalten, von den Laſtern abgeſchreckt Und zur Reu getrieben wird. Da man alſo deutlich findet Daß der Urſprung des Gewiſſens ſelbſt in der Natur ge- gruͤndet Und nicht im Gehirn allein: laß uns denn des Schoͤpfers Willen, Der ſich in Enthaltung aͤuſſert, uns beſtreben zu erfuͤllen! Die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0120" n="104"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Betrachtungen uͤber das Gewiſſen.</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <l>Ja, es ſtreckt ſich die Betrachtung nicht bloß auf die Wol-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">luſt nur,</hi> </l><lb/> <l>Wenn uns Ehr- und Geld-Geitz taͤuſchen, uns zu Laſtern</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">oft verfuͤhren,</hi> </l><lb/> <l>Und wir den Beſitz erhalten; finden wir in der Natur</l><lb/> <l>Jn der Unempfindlichkeit der darin gehoften Luſt</l><lb/> <l>Unſern Jrrthum; und ſo dann wird uns allererſt bewuſt</l><lb/> <l>Die durch Menſchliche Geſetze drauf geſetzte Straf und</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Schande,</hi> </l><lb/> <l>Die man, vor vollbrachter That,</l><lb/> <l>Durch gehofte Luſt, verachtet,</l><lb/> <l>Und, durch die Begierden blind, nicht erwogen, nicht be-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">trachtet,</hi> </l><lb/> <l>Weniger geſcheuet hat.</l><lb/> <l>Dieſes alles zeigt uns deutlich, und macht uͤberzeuglich</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">klar</hi> </l><lb/> <l>Des allmaͤchtigen Regierers tieffe Weisheit offenbar,</l><lb/> <l>Da er ſelbſt in unſer Weſen eine Eigenſchaft geſencket,</l><lb/> <l>Daß man nach vollbrachter That anders, als vorher, ge-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">dencket</hi> </l><lb/> <l>Und, ſo wol durch Furcht, als Eckel, den man in ſich ſelbſt</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">entdeckt,</hi> </l><lb/> <l>Vom Verbothnen abgehalten, von den Laſtern abgeſchreckt</l><lb/> <l>Und zur Reu getrieben wird. Da man alſo deutlich findet</l><lb/> <l>Daß der Urſprung des Gewiſſens ſelbſt in der Natur ge-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">gruͤndet</hi> </l><lb/> <l>Und nicht im Gehirn allein: laß uns denn des Schoͤpfers</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Willen,</hi> </l><lb/> <l>Der ſich in Enthaltung aͤuſſert, uns beſtreben zu erfuͤllen!</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [104/0120]
Betrachtungen uͤber das Gewiſſen.
Ja, es ſtreckt ſich die Betrachtung nicht bloß auf die Wol-
luſt nur,
Wenn uns Ehr- und Geld-Geitz taͤuſchen, uns zu Laſtern
oft verfuͤhren,
Und wir den Beſitz erhalten; finden wir in der Natur
Jn der Unempfindlichkeit der darin gehoften Luſt
Unſern Jrrthum; und ſo dann wird uns allererſt bewuſt
Die durch Menſchliche Geſetze drauf geſetzte Straf und
Schande,
Die man, vor vollbrachter That,
Durch gehofte Luſt, verachtet,
Und, durch die Begierden blind, nicht erwogen, nicht be-
trachtet,
Weniger geſcheuet hat.
Dieſes alles zeigt uns deutlich, und macht uͤberzeuglich
klar
Des allmaͤchtigen Regierers tieffe Weisheit offenbar,
Da er ſelbſt in unſer Weſen eine Eigenſchaft geſencket,
Daß man nach vollbrachter That anders, als vorher, ge-
dencket
Und, ſo wol durch Furcht, als Eckel, den man in ſich ſelbſt
entdeckt,
Vom Verbothnen abgehalten, von den Laſtern abgeſchreckt
Und zur Reu getrieben wird. Da man alſo deutlich findet
Daß der Urſprung des Gewiſſens ſelbſt in der Natur ge-
gruͤndet
Und nicht im Gehirn allein: laß uns denn des Schoͤpfers
Willen,
Der ſich in Enthaltung aͤuſſert, uns beſtreben zu erfuͤllen!
Die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |