Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Betrachtungen über das Gewissen.
B.
Eben unsers Cörpers Zustand, da sich nemlich in der
Liebe,

Nach genossner Lust, so bald alle vormahls heisse Triebe
Jn dem Augenblick verändern, da ein Eckel schnell ent-
steht

Und, im schnell-verbrannten Feuer, alle Lust nicht nur
vergeht

Sondern, wie uns in der Bibel Ammons Beyspiel
deutlich lehrt,

Sich in bittern Wiederwillen, ja in Haß und Reu ver-
kehrt.

Dieses, sag ich dir, entstehet warlich nicht von unge-
fehr,

Stammt aus keinem blinden Zufall, sondern einer
Weisheit her,

Die nicht gnugsahm zu bewundern. Wär' es anders;
würde man

Sich gewiß von allem Feuer, das man nicht entbehren
kann,

Sonder Zweifel, gantz erschöpfen. Schaut, wie man
so deutlich findet

Daß nicht minder das Gewissen, als das Göttliche Ver-
boht

Jn der Wollust auszuschweiffen, sey in der Natur ge-
gründet,

Folglich nicht zu übertreten, ja daß beides sich so gar
Selbst mit unserer Erhaltung, Wolseyn und Gesund-
heit bindet,

Welches wenn man es erweget unbegreiflich, wunder-
bar.
G 4
Betrachtungen uͤber das Gewiſſen.
B.
Eben unſers Coͤrpers Zuſtand, da ſich nemlich in der
Liebe,

Nach genoſſner Luſt, ſo bald alle vormahls heiſſe Triebe
Jn dem Augenblick veraͤndern, da ein Eckel ſchnell ent-
ſteht

Und, im ſchnell-verbrannten Feuer, alle Luſt nicht nur
vergeht

Sondern, wie uns in der Bibel Ammons Beyſpiel
deutlich lehrt,

Sich in bittern Wiederwillen, ja in Haß und Reu ver-
kehrt.

Dieſes, ſag ich dir, entſtehet warlich nicht von unge-
fehr,

Stammt aus keinem blinden Zufall, ſondern einer
Weisheit her,

Die nicht gnugſahm zu bewundern. Waͤr’ es anders;
wuͤrde man

Sich gewiß von allem Feuer, das man nicht entbehren
kann,

Sonder Zweifel, gantz erſchoͤpfen. Schaut, wie man
ſo deutlich findet

Daß nicht minder das Gewiſſen, als das Goͤttliche Ver-
boht

Jn der Wolluſt auszuſchweiffen, ſey in der Natur ge-
gruͤndet,

Folglich nicht zu uͤbertreten, ja daß beides ſich ſo gar
Selbſt mit unſerer Erhaltung, Wolſeyn und Geſund-
heit bindet,

Welches wenn man es erweget unbegreiflich, wunder-
bar.
G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0119" n="103"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Betrachtungen u&#x0364;ber das Gewi&#x017F;&#x017F;en.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="2">
            <head> <hi rendition="#aq">B.</hi> </head>
            <l>Eben un&#x017F;ers Co&#x0364;rpers Zu&#x017F;tand, da &#x017F;ich nemlich in der<lb/><hi rendition="#et">Liebe,</hi></l><lb/>
            <l>Nach geno&#x017F;&#x017F;ner Lu&#x017F;t, &#x017F;o bald alle vormahls hei&#x017F;&#x017F;e Triebe</l><lb/>
            <l>Jn dem Augenblick vera&#x0364;ndern, da ein Eckel &#x017F;chnell ent-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;teht</hi></l><lb/>
            <l>Und, im &#x017F;chnell-verbrannten Feuer, alle Lu&#x017F;t nicht nur<lb/><hi rendition="#et">vergeht</hi></l><lb/>
            <l>Sondern, wie uns in der Bibel Ammons Bey&#x017F;piel<lb/><hi rendition="#et">deutlich lehrt,</hi></l><lb/>
            <l>Sich in bittern Wiederwillen, ja in Haß und Reu ver-<lb/><hi rendition="#et">kehrt.</hi></l><lb/>
            <l>Die&#x017F;es, &#x017F;ag ich dir, ent&#x017F;tehet warlich nicht von unge-<lb/><hi rendition="#et">fehr,</hi></l><lb/>
            <l>Stammt aus keinem blinden Zufall, &#x017F;ondern einer<lb/><hi rendition="#et">Weisheit her,</hi></l><lb/>
            <l>Die nicht gnug&#x017F;ahm zu bewundern. Wa&#x0364;r&#x2019; es anders;<lb/><hi rendition="#et">wu&#x0364;rde man</hi></l><lb/>
            <l>Sich gewiß von allem Feuer, das man nicht entbehren<lb/><hi rendition="#et">kann,</hi></l><lb/>
            <l>Sonder Zweifel, gantz er&#x017F;cho&#x0364;pfen. Schaut, wie man<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;o deutlich findet</hi></l><lb/>
            <l>Daß nicht minder das Gewi&#x017F;&#x017F;en, als das Go&#x0364;ttliche Ver-<lb/><hi rendition="#et">boht</hi></l><lb/>
            <l>Jn der Wollu&#x017F;t auszu&#x017F;chweiffen, &#x017F;ey in der Natur ge-<lb/><hi rendition="#et">gru&#x0364;ndet,</hi></l><lb/>
            <l>Folglich nicht zu u&#x0364;bertreten, ja daß beides &#x017F;ich &#x017F;o gar</l><lb/>
            <l>Selb&#x017F;t mit un&#x017F;erer Erhaltung, Wol&#x017F;eyn und Ge&#x017F;und-<lb/><hi rendition="#et">heit bindet,</hi></l><lb/>
            <l>Welches wenn man es erweget unbegreiflich, wunder-<lb/><hi rendition="#et">bar.</hi></l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">G 4</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0119] Betrachtungen uͤber das Gewiſſen. B. Eben unſers Coͤrpers Zuſtand, da ſich nemlich in der Liebe, Nach genoſſner Luſt, ſo bald alle vormahls heiſſe Triebe Jn dem Augenblick veraͤndern, da ein Eckel ſchnell ent- ſteht Und, im ſchnell-verbrannten Feuer, alle Luſt nicht nur vergeht Sondern, wie uns in der Bibel Ammons Beyſpiel deutlich lehrt, Sich in bittern Wiederwillen, ja in Haß und Reu ver- kehrt. Dieſes, ſag ich dir, entſtehet warlich nicht von unge- fehr, Stammt aus keinem blinden Zufall, ſondern einer Weisheit her, Die nicht gnugſahm zu bewundern. Waͤr’ es anders; wuͤrde man Sich gewiß von allem Feuer, das man nicht entbehren kann, Sonder Zweifel, gantz erſchoͤpfen. Schaut, wie man ſo deutlich findet Daß nicht minder das Gewiſſen, als das Goͤttliche Ver- boht Jn der Wolluſt auszuſchweiffen, ſey in der Natur ge- gruͤndet, Folglich nicht zu uͤbertreten, ja daß beides ſich ſo gar Selbſt mit unſerer Erhaltung, Wolſeyn und Geſund- heit bindet, Welches wenn man es erweget unbegreiflich, wunder- bar. G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/119
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/119>, abgerufen am 24.11.2024.