Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.des Blanckenburgischen Marmors. Man kann in tausendfach veränderlichen Zügen,Die sich bald trennen, und bald sügen, Allhier ein tausendfach vermischtes Etwas sehn, Worin die spielende geschäfftige Natur So manche Bildungs-Art, und seltsame Figur, Die in dem bunten Stein, zwar wunderlich, doch schön Verstreuet und vereint, so durch einander gehn, Daß es das Aug' ergetzt; den Augen vorgestellt. Es sind so viel verworrene Figuren Theils halb-Theils gantzer Creaturen, So viele Mischungen von klein-und grossen Stücken, Vereint und nicht vereint, im Marmor zu erblicken; Daß, so von Form als Farb, auch er ein Chaos scheint, Das etwan auf einmahl erstarrt sey und versteint, Hier sieht man stille Wirbel sich, Dort trockne Strudel gleichsam regen. Hier scheinen sich die Wellen eigentlich, Ohn' daß sie sich bewegen, zu bewegen. Bald stellt der Marmor Bäum' und Thier', Und bald gebrochne Stein' nnd Ertz natürlich für. Offt scheint ein rother Marmor-Stein Zu Stein gewordnes Fleisch zu seyn. Viel grosse Adern sind mit kleinern offt durchkrochen, Die, einzeln bald, und bald mit Hauffen, Bald an-und in-bald durch einander lauffen, Woraus so mancherley Figur und Form entsteht. Die schönen Farben sind auf tausend Art gebrochen, Auf tausend Art gemischt, vertieffet und erhöht, Bald hell und bald gedämpfft, bald feurig und bald matt. Es P 2
des Blanckenburgiſchen Marmors. Man kann in tauſendfach veraͤnderlichen Zuͤgen,Die ſich bald trennen, und bald ſuͤgen, Allhier ein tauſendfach vermiſchtes Etwas ſehn, Worin die ſpielende geſchaͤfftige Natur So manche Bildungs-Art, und ſeltſame Figur, Die in dem bunten Stein, zwar wunderlich, doch ſchoͤn Verſtreuet und vereint, ſo durch einander gehn, Daß es das Aug’ ergetzt; den Augen vorgeſtellt. Es ſind ſo viel verworrene Figuren Theils halb-Theils gantzer Creaturen, So viele Miſchungen von klein-und groſſen Stuͤcken, Vereint und nicht vereint, im Marmor zu erblicken; Daß, ſo von Form als Farb, auch er ein Chaos ſcheint, Das etwan auf einmahl erſtarrt ſey und verſteint, Hier ſieht man ſtille Wirbel ſich, Dort trockne Strudel gleichſam regen. Hier ſcheinen ſich die Wellen eigentlich, Ohn’ daß ſie ſich bewegen, zu bewegen. Bald ſtellt der Marmor Baͤum’ und Thier’, Und bald gebrochne Stein’ nnd Ertz natuͤrlich fuͤr. Offt ſcheint ein rother Marmor-Stein Zu Stein gewordnes Fleiſch zu ſeyn. Viel groſſe Adern ſind mit kleinern offt durchkrochen, Die, einzeln bald, und bald mit Hauffen, Bald an-und in-bald durch einander lauffen, Woraus ſo mancherley Figur und Form entſteht. Die ſchoͤnen Farben ſind auf tauſend Art gebrochen, Auf tauſend Art gemiſcht, vertieffet und erhoͤht, Bald hell und bald gedaͤmpfft, bald feurig und bald matt. Es P 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="26"> <pb facs="#f0259" n="227"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">des Blanckenburgiſchen Marmors.</hi> </fw><lb/> <l>Man kann in tauſendfach veraͤnderlichen Zuͤgen,</l><lb/> <l>Die ſich bald trennen, und bald ſuͤgen,</l><lb/> <l>Allhier ein tauſendfach vermiſchtes Etwas ſehn,</l><lb/> <l>Worin die ſpielende geſchaͤfftige Natur</l><lb/> <l>So manche Bildungs-Art, und ſeltſame Figur,</l><lb/> <l>Die in dem bunten Stein, zwar wunderlich, doch ſchoͤn</l><lb/> <l>Verſtreuet und vereint, ſo durch einander gehn,</l><lb/> <l>Daß es das Aug’ ergetzt; den Augen vorgeſtellt.</l> </lg><lb/> <lg n="27"> <l>Es ſind ſo viel verworrene Figuren</l><lb/> <l>Theils halb-Theils gantzer Creaturen,</l><lb/> <l>So viele Miſchungen von klein-und groſſen Stuͤcken,</l><lb/> <l>Vereint und nicht vereint, im Marmor zu erblicken;</l><lb/> <l>Daß, ſo von Form als Farb, auch er ein Chaos ſcheint,</l><lb/> <l>Das etwan auf einmahl erſtarrt ſey und verſteint,</l> </lg><lb/> <lg n="28"> <l>Hier ſieht man ſtille Wirbel ſich,</l><lb/> <l>Dort trockne Strudel gleichſam regen.</l><lb/> <l>Hier ſcheinen ſich die Wellen eigentlich,</l><lb/> <l>Ohn’ daß ſie ſich bewegen, zu bewegen.</l><lb/> <l>Bald ſtellt der Marmor Baͤum’ und Thier’,</l><lb/> <l>Und bald gebrochne Stein’ nnd Ertz natuͤrlich fuͤr.</l><lb/> <l>Offt ſcheint ein rother Marmor-Stein</l><lb/> <l>Zu Stein gewordnes Fleiſch zu ſeyn.</l><lb/> <l>Viel groſſe Adern ſind mit kleinern offt durchkrochen,</l><lb/> <l>Die, einzeln bald, und bald mit Hauffen,</l><lb/> <l>Bald an-und in-bald durch einander lauffen,</l><lb/> <l>Woraus ſo mancherley Figur und Form entſteht.</l><lb/> <l>Die ſchoͤnen Farben ſind auf tauſend Art gebrochen,</l><lb/> <l>Auf tauſend Art gemiſcht, vertieffet und erhoͤht,</l><lb/> <l>Bald hell und bald gedaͤmpfft, bald feurig und bald matt.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">P 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [227/0259]
des Blanckenburgiſchen Marmors.
Man kann in tauſendfach veraͤnderlichen Zuͤgen,
Die ſich bald trennen, und bald ſuͤgen,
Allhier ein tauſendfach vermiſchtes Etwas ſehn,
Worin die ſpielende geſchaͤfftige Natur
So manche Bildungs-Art, und ſeltſame Figur,
Die in dem bunten Stein, zwar wunderlich, doch ſchoͤn
Verſtreuet und vereint, ſo durch einander gehn,
Daß es das Aug’ ergetzt; den Augen vorgeſtellt.
Es ſind ſo viel verworrene Figuren
Theils halb-Theils gantzer Creaturen,
So viele Miſchungen von klein-und groſſen Stuͤcken,
Vereint und nicht vereint, im Marmor zu erblicken;
Daß, ſo von Form als Farb, auch er ein Chaos ſcheint,
Das etwan auf einmahl erſtarrt ſey und verſteint,
Hier ſieht man ſtille Wirbel ſich,
Dort trockne Strudel gleichſam regen.
Hier ſcheinen ſich die Wellen eigentlich,
Ohn’ daß ſie ſich bewegen, zu bewegen.
Bald ſtellt der Marmor Baͤum’ und Thier’,
Und bald gebrochne Stein’ nnd Ertz natuͤrlich fuͤr.
Offt ſcheint ein rother Marmor-Stein
Zu Stein gewordnes Fleiſch zu ſeyn.
Viel groſſe Adern ſind mit kleinern offt durchkrochen,
Die, einzeln bald, und bald mit Hauffen,
Bald an-und in-bald durch einander lauffen,
Woraus ſo mancherley Figur und Form entſteht.
Die ſchoͤnen Farben ſind auf tauſend Art gebrochen,
Auf tauſend Art gemiſcht, vertieffet und erhoͤht,
Bald hell und bald gedaͤmpfft, bald feurig und bald matt.
Es
P 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/259 |
Zitationshilfe: | Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/259>, abgerufen am 22.02.2025. |